Kommunale Praxiszurück

(GZ-12-2022)
gz kommunale praxis

► Kommentar von Constanze von Hassel:

 

Social Scoring demnächst in Bayern?

Ist der Bayerische Nachhaltigkeitstoken ein Social Credit System?

2G/3G hat in kürzester Zeit zur Akzeptanz gegenseitiger Kontrolle geführt. Verschiedene Apps, mit denen freiwillig Daten darüber bereitgehalten werden, ob der brave Bürger sich auch an alle verordneten Maßnahmen hält, hat jede und jeder inzwischen auf dem Smartphone. Bei Hochzeiten und Familienfeiern wurde es üblich, automatisch den Impfstatus abzufragen. Nach wie vor werden „1G-only“ Partys veranstaltet; die Tafel Mönchengladbach unterstützte bis April nur mindestens zweifach geimpfte Bedürftige, sofern sie einen negativen Testnachweis vorlegen. Die dafür technisch organisatorischen Maßnahmen, die eine datenschutzkonforme Kontrolle ermöglichen, hat der Gesetzgeber aus Steuermitteln auch gleich in Form von passenden Apps bereitgestellt. Aber auch schon vor Corona hat die soziale Kontrolle in Form von Bonitäts-Scores, die den Wohnort mit einberechnen, und grünen Hausnummern, durch die eine nachhaltige Lebensweise der Bewohnerinnen und Bewohner für jeden sichtbar dokumentiert wird, eingeschlichen.

Aber wie weit ist dieses Szenario tatsächlich noch entfernt von einem Social-Scoring-System oder Sozialkreditsystem, wie es in China bereits Einzug gehalten hat? Wurden und werden hier nicht schleichend Strukturen geschaffen, die in naher Zukunft scharf gestellt und auch missbraucht werden können?

Chinesen können bereits für jede gute Tat Punkte sammeln. Elternpflege, Ehrenamt oder Sozialdienst erhalten beispielsweise die Reisefreiheit. Gleichzeitig droht Punktabzug, sollte man sich nicht entsprechend verhalten haben, etwa mit Verkehrsverstößen. Basis ist eine allumfassende Datensammlung und Überwachung. Das einwohnerreiche Land arbeitet an der totalen gegenseitigen Kontrolle, indem der Punktestand eines jeden von jedem eingesehen werden kann. Wie der Algorithmus, der die Punkte verteilt, zustande kommt, bleibt allerdings undurchsichtig.

Bologna und Wien als Vorreiter

Bologna und Wien führen derzeit probeweise ein Sozialkreditsystem (light) ein. Grundlage bei diesen Systemen ist der Nachhaltigkeitsgedanke. Jeder, der nachhaltig und umweltbewusst agiert, kann daraus Vorteile ziehen. Auch in Bayern sind die Voraussetzungen dafür schon angelegt. In der Langfassung der Anlage zur Ministerrats-Vorlage des Bayerischen Umweltministeriums „Klimaschutzoffensive - Maßnahmenpaket“ vom 18.11.2019 ist von einem „Bayerischen Nachhaltigkeitstoken („Ökotoken“) die Rede. Dessen Ziel soll die Förderung von nachhaltigem Verhalten im Alltag mittels Belohnung von umweltbewusstem Handeln sein. Er soll Signalwirkung für Unternehmen und Bürger haben.

Für den Ökotoken wird ein Dokumentationssystem samt Bewertungsrahmen entwickelt, bei dem Nutzer entsprechend ihres umweltbewussten Verhaltens Pluspunkte in Form der Nachhaltigkeitstoken sammeln können. Diese können dann bei Partnern für Vergünstigungen eingesetzt werden, z.B. für Theater, Schwimmbad oder auch im Biomarkt. Für die Umsetzung ist die Einrichtung einer staatlichen Geschäftsstelle und die Schaffung eines Konsortiums für das operative Geschäft geplant. Die Landesbank könnte als Finanzdienstleister für die In-Wert-Setzung dienen. Federführend in der Umsetzung ist das Bayerische Digitalministerium. Die Umsetzung ist laut Kurzfassung der Ministerrats-Vorlage ab 2022 geplant.

Die Bayerische GemeindeZeitung wollte daher vom Digitalministerium erfahren, wie weit die Vorbereitungen sind und ob möglicherweise eine staatliche organisatorische Grundlage für die Überwachung von Sozialverhalten geschaffen wird. Außerdem wurde um Auskunft gebeten, wie sichergestellt werden soll, dass das System auch zukünftig nicht missbraucht werden kann, welche Tech-Firmen mit der Entwicklung beauftragt bzw. in die Umsetzung involviert sind und wie hoch die Steuermittel sind, die für den Bayerischen Nachhaltigkeitstoken zur Verfügung stehen.

Die Antwort des Ministeriums auf diese Fragen lautete:

„Im Rahmen der Bayerischen Nachhaltigkeitsstrategie hat das Staatsministerium für Digitales sich zum Ziel gesetzt, mit digitalen Lösungen nachhaltiges Verhalten zu unterstützen und Bürgerinnen und Bürger für das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu sensibilisieren. Geprüft wird dabei eine Anwendung auf Basis der Blockchain-Technologie. Hierbei sollen keinerlei Daten zentral gespeichert werden, es handelt sich um eine sichere und datenschutzkonforme Lösung.“

 

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

 

GemeindeZeitung

Kommunale Praxis

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung