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(GZ-1/2-2020)
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► Stimmungsbilder und Ergebnisse der GZ-Leserumfrage:

 

Wie geht‘s dem Kommunalwald im Klimawandel?

 

Der Klimawandel ist in den Wäldern der Städte und Gemeinden angekommen und setzt diesem – mit wenigen Ausnahmen – schwer zu. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. Bei anhaltender Trockenheit und Hitze sind für die kommenden Jahre noch größere Schäden zu befürchten. Am stärksten betroffen sind die Fichten, bisher unser forstwirtschaftlich bedeutsamster Holzlieferant. Aber auch Kiefern und andere Baumarten, auf die Fachleute bisher im Klimawandel große Hoffnung setzten, weisen gebietsweise erhebliche Schäden auf. Dieses ernüchternde Stimmungsbild ergab die GZ-Umfrage vom Dezember. Sicher ist: Um dem Waldsterben 2.0 etwas entgegenzusetzen, müssen die Wälder umgebaut und die „grünen Lungen“ in den Kommunen gesichert und erhalten werden. Das geht aber nicht von heute auf morgen und schon gar nicht zum Nulltarif. Aber Anstrengung lohnt sich, denn auch hierfür gibt es Beispiele.

Diskussion und direkter Austausch im GZ-Netzwerk - Gruppe "Wald und Forst" - hier klicken.

Erkennbar groß ist die Spannbreite der Rückmeldungen, die überwiegend von Kommunen aus allen Regierungsbezirken Bayerns stammen. Lageberichte kamen aber auch aus Hessen und sogar aus Südtirol. Die Größenklassen erstreckten sich von 2 Hektar bis 2.000 Hektar, die Baumartenverteilung von „fast nur Nadelholz“ über „Mischwald“ bis hin zu „fast nur Laubholz“. Das Schadensausmaß in den vergangenen zwei Jahren reichte von „so gut wie keine Schäden“ bis „vernichtet“.

Die Kommunen wollen jedoch dem Klimawandel nicht tatenlos zuschauen, sondern die Zukunft ihres Waldes selbst in die Hand nehmen und den Waldumbau vorantreiben. Dabei stand die Pflanzung klimatoleranterer Baumarten ebenso auf der Agenda wie deren Begünstigung bei Pflege und Durchforstung.

Chance für neue Baumarten?

Viele tendieren dazu, künftig auch südländischen Baumarten eine Chance zu geben, soweit nicht z.B. Spätfröste entgegenstehen. Auf die Frage, wie Bürger bzw. Gäste diese besorgniserregende Entwicklung erleben, wurde zunächst ein überwiegend großes Interesse am Wald spürbar. Ob der tatsächliche Zustand der Wälder allerdings bereits überall in der Öffentlichkeit angekommen ist, daran darf zum Teil gezweifelt werden.

Nötig ist ein hohes Maß an Aufklärungsarbeit der Gemeinde, um Verständnis und Akzeptanz beim Bürger zu erzielen. Die Umfrage zeigte trotz hohem Leidensdruck nur ganz vereinzelt Konflikte zwischen den Beteiligten. Diese könnten allerdings in Zukunft bei weiteren offensichtlichen Schadwirkungen zunehmen. Nachstehend eine Auswahl der Rückmeldungen.

Kein „Business as usual”

„Business as usual” kommt beispielsweise für die Gemeinde Haar (Landkreis München) nicht in Frage. Die vergangenen zwei Jahre seien geprägt gewesen von Schadensereignissen wie Sturmwurf, Borkenkäfer, Eschentriebsterben, Absterben von Bäumen aufgrund von Trocken- und Hitzeschäden. Daraus resultierte ein weit überdurchschnittlicher Aufwand für die Verkehrssicherung und in der Folge für Wiederaufforstungen.

Keine größeren Schäden durch Borkenkäfer weist derzeit die oberbayerische Gemeinde Bad Wiessee (Landkreis Miesbach) auf. Dies sei auf die Höhenlage und die häufigeren Niederschläge am Alpenrand zurückzuführen. Auch die Gemeinde Waidhofen (Landkreis Schrobenhausen) darf sich glücklich schätzen, hat ihr kleiner Kommunalwald mit einer Fläche von 2 Hektar, bestehend aus ca. 50 % Laub- und 50 % Nadelwald, „so gut wie keine Schädigungen“.

Anpassung der Wildbestände

Die Stadt Geretsried (Landkreis Bad-Tölz-Wolfratshausen) mit einer Kommunalwaldfläche von 140 Hektar stellt wiederum fest: „Der Waldumbau hin zu noch mehr Mischbaumarten vor allem über natürliche Ansamung kann nur durch eine konsequente Jagd zur Anpassung der Rehwildbestände und damit zur Reduktion des Wildverbisses erreicht werden.“ Die Pflege der Mischbestände sei erforderlich, um die Baumartenvielfalt zu erhalten, zu fördern und die Wälder stabil für Klimaextreme zu machen.

Oberbayern ist die „Insel der Glückseligen“

Der 34 Hektar große Kommunalwald im Markt Diessen am Ammersee (Landkreis Landsberg) hatte 2018 mit großen Trockenschäden zu kämpfen, die teils erst 2019 vor allem an den Buchen sichtbar wurden. Die Borkenkäferschäden waren dagegen vergleichsweise gering, da der Sommer mit ausreichend Niederschlag gesegnet war. Das südliche Oberbayern sei die „Insel der Glückseligen“ gewesen. Einziger Wermutstropfen: der Hagelschlag im Juni 2019 mit massiven Schäden an Jung- und Altbeständen. „An ein normales Arbeiten im Wald ist bei darniederliegendem Holzmarkt freilich nicht zu denken“, heißt es aus Diessen.

Waldumbau seit 30 Jahren

Der Waldumbau hin zu klimatoleranten Wäldern sei bereits seit 30 Jahren im Gange und „nicht erst seit ihn die Politik als Wahlkampfthema entdeckt hat“. Der Umbau sei genauso langwierig wie ein Baumleben (80 bis 100 Jahre) und werde in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie der Waldbesitzervereinigung Landsberg weiter fortgeführt.

„Wir verfallen in keine Hysterie bezüglich neuer Baumarten, wie z. B. Zedern oder im Mittelmeerraum vorkommende Eichenarten. Im Alpenvorland werden auch in 50 Jahren noch strenge Fröste das Wachstum dieser Exoten begrenzen.“ „Das Interesse am Wald und seiner Bewirtschaftung steigt mit der öffentlichen Diskussion darüber“, so die Antwort auf die Frage nach den Reaktionen der Bürger. Informationsveranstaltungen und Sammelberatungen erfreuten sich hoher Besucherzahlen.

Entbürokratisierung der Förderung gefordert

Auch aus Sicht der oberfränkischen Gemeinde Kirchenlamitz (Landkreis Wunsiedel) mit ihren ca. 65 Hektar Rechtlerwaldungen, die zu 100 % im Naturpark Fichtelgebirge und zu 80 % in Wasserschutzgebieten und/oder Erholungswald seien, „wäre der Wunsch für den Kommunalwald klar: deutliche Anhebung der Förderung und deren Entbürokratisierung“. Die Kommunalwälder könnten nicht alleine als betriebswirtschaftliches Kapital gesehen werden, „sondern die vielfältigen Funktionen bedingen eine ganz andere Ausrichtung der Bewirtschaftung“. „In Anbetracht der Einnahmen werden die Ausgaben definitiv nicht kostendeckend möglich sein, wenn alle Ziele erreicht werden sollen.“

Die Stadt Erlangen in Mittelfranken verweist darauf, den Wald schon seit Jahrzehnten durch geeignete Pflege- und Pflanzmaßnahmen in einen klimatoleranten Mischwald umzubauen. Die Anreicherung mit Laubholz und der Erhalt von Tannen spiele hierbei eine wichtige Rolle. Es sei aber auch wichtig, neue Baumarten zu testen. Dies werde derzeit schon mit Douglasie, Esskastanie, Libanonzeder und Atlaszeder gemacht. Insgesamt nutze man viele heimische Baumarten.

Unterfranken – Hotspot des Klimawandels

Unterfranken gilt als Hotspot des Klimawandels in Bayern. Ganz besonders betroffen ist die Fichte dort, wo sie schon bisher außerhalb ihres natürlichen kühl-feuchten „Wohlfühlbereichs“ angebaut wurde: Im Bereich der Fränkischen Platte (Landkreis Main-Spessart) gab es auf einer Waldfläche von ca. 1.050 Hektar eklatante Trockenschäden. Fachleute befürchten gar, dass die Fichte in fünf Jahren verschwunden ist. Lange Trockenperioden und erhöhte Temperaturen im Zuge des Klimawandels schwächen die Fichte und machen sie angreifbar für Schädlinge.

Erschreckende Ausfälle sind auch bei den Buchen zu verzeichnen. Selbst die Eichen sind geschädigt, erweisen sich aber in Dürrezeiten vergleichsweise als immer noch überwiegend vital. Neue Pilzerkrankungen wie Diplodia an der Kiefer und Rußrindenkrankheit am Ahorn sowie die Massenvermehrung von Schwammspinnern tun ihr Übriges.

Die Fichte verabschiedet sich

„Die Fichte wird sich in den nächsten Jahren verabschieden“, heißt es aus dem Markt Mönchberg (Landkreis Miltenberg) mit einer Waldfläche von 1.250 Hektar. Ähnlich die Situation in der Gemeinde Waldbüttelbrunn (Landkreis Würzburg): Auf einer Waldfläche von 110 Hektar hat die Trockenheit sehr starke Schäden verursacht. Die Fichte ist komplett von Trockenheit und Borkenkäfer vernichtet. Auch Kiefer und Buche, vor allem die alten starken Bäume, sind stark betroffen und viele abgestorben. Die Gemeinde steht für eine langfristige, natürliche Verjüngung des Waldes, „um damit eine möglichst hohe genetische Variabilität zu gewährleisten“. Gepflanzt werden klimatolerante Baumarten wie Elsbeere, Speierling, Eiche, Baumhasel, Esskastanie, Libanonzeder oder Douglasie.

Als einziger Umfrageteilnehmer plädiert die Gemeinde für ein „deutliches Umschwenken der Politik hin zu einer klaren Klimapolitik“. Die Aufforstung mit heimischen klimatoleranten Baumarten, sowie die Einbringung fremdländischer Baumarten hat sich auch die Stadt Karlstadt (Landkreis Main-Spessart) auf die Fahnen geschrieben.

Auch in der Stadt Günzburg (1.120 Hektar) weisen die Wälder enorme Schäden auf: Borkenkäfer an der Fichte, Eschentriebsterben und Trockenschäden an allen anderen Baumarten. Die Stadt Krumbach (Landkreis Günzburg) mit ihren 585 Hektar Kommunalwald vermeldet, „von Waldbesuchern immer wieder nach dem Patient Wald gefragt“ zu werden. So lange alles grün sei, nähmen Naturnutzer die Dramatik in solchen Extremjahren wenig wahr. In der Gemeinde Osterberg (Landkreis Neu-Ulm) erkennen Gäste den Naherholungswert des Waldgebiets (254 Hektar) in und um den Ort.

Wälder sind Topthema

Die Situation der (Kommunal-)Wälder und Forstbetriebe im Klimawandel ist für den gesamten bayerischen Forstsektor ein Topthema. Die 21 Verbände und Organisationen der Vertreter der bayerischen Forstwirtschaft haben daher den Klimaholzwürfel als kommunikatives Symbol erstellt und auf die Reise geschickt. Er soll in ganz Bayern auf die Zusammenhänge aufmerksam machen. Auch der „Waldtag Bayern“ am 10. September 2020 in Iphofen wird ganz im Zeichen des Kommunalwalds stehen.

Für die Kommunen heißt es nun, am Thema dranzubleiben, Beratung einzuholen, mit anderen Kommunen Erfahrungen auszutauschen, Rahmenbedingungen zu verbessern und den eigenen Wald aktiv fit zu machen.

Privatwaldbesitzer sensibilisieren

Darüber hinaus wird in den Stellungnahmen, die der Bayerischen GemeindeZeitung vorliegen, vorgeschlagen, dass Kommunen Privatwaldbesitzer sensibilisieren und mit ihnen in der Wald- und Forstwirtschaft kooperieren, zum Beispiel im Rahmen gemeinsamer Pflanzaktionen und Durchforstungen oder beim Schalenwildmanagement. Eine Senkung der Treibhausgas-Emissionen wird als unverzichtbar bezeichnet. Kommunen sollten über die Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder und Waldbesitzer, Bürger und Betriebe informieren und alle Beteiligten zu mehr Klimaschutz ermutigen. Und natürlich als Vorbild vorangehen.

DK

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