Kommunalverbändezurück

(GZ-11-2016)
Kommunalverbände
Zuwanderung und Integration:
 
Kommunalverbände schlagen Alarm
 

Mitte Juni werden im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz in der Bremer Landesvertretung Kommunalpolitiker von der Bundespolitik wichtige Wegweiser zur Bundesteilhabe und zur Integration von Flüchtlingen erhalten. Dies nahmen der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Christian Bernreiter und der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, zum Anlass, die Forderungen ihrer Kommunalverbände nochmals deutlich zu artikulieren.

Bei einer Pressekonferenz im Haus der bayerischen Landkreise in München zeigte sich Präsident Bernreiter mit seinen kommunalen Kollegen einig, dass der aktuelle Entwurf zum Bundesteilhabegesetz allein schon wegen der offenen Finanzierungsfragen abgelehnt wird. Er forderte weiterhin die im Koalitionsvertrag zugesagte kommunale Entlastung in der Eingliederungshilfe in Höhe von 5 Mrd. Euro bei gleichzeitiger jährlicher Dynamisierung. „Es wäre absolut unverständlich, wenn dieses bedeutsame finanzielle Versprechen nur aufgrund von unterschiedlichen Zuständigkeitsregelungen in den Bundesländern nicht eingehalten werden könnte“, betonte Bernreiter.

Steigende Kosten

Bayern zählt mit Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen zu den Bundesländern, in denen die Kommunen die Kosten der Eingliederungshilfe zu 100% tragen. Diese betrugen im Jahre 2014 rund 2,2 Mrd. Euro und stellten den größten Einzelposten im Bereich der sozialen Ausgaben dar. Mehr als 1,1 Mio. Menschen erhalten aufgrund ihrer schweren Behinderung Leistungen aus der Eingliederungshilfe, für z. B. Schulbesuche, Behindertenwerkstätten oder Lebenshilfe allgemein. Die Kosten steigen jährlich. 

Verlässliche Zahlen zu Kosten der Integration von Flüchtlingen gibt es derzeit nicht. Rund 70 % der in Bayern befindlichen Asylantragsteller erhalten nach Statistiken des BAMF derzeit einen Schutzstatus als Flüchtlinge. Sie sind damit zunächst für die nächsten drei Jahre berechtigt in Deutschland zu verbleiben. Auch ohne Integrationsgesetze auf Bund- und Länderebene stellen sich Bayerns Kommunen bereits auf vielfältige Art und Weise den Integrationsaufgaben. Das Thema Wohnen ist dabei eines der größten Herausforderungen. Vielfach müssen die Flüchtlinge mangels vorhandenen sozialen Wohnraums noch in den staatlichen Unterkünften verbleiben. Dies kann laut Bayerischem Landkreistag nur eine vorübergehende Lösung sein.

Vermittlung in Arbeitsmarkt

Bernreiter zufolge „gehen wir davon aus, dass zunächst rund 90 % der Flüchtlinge auf umfangreiche Sozialleistungen angewiesen sind, weil sie noch nicht in den Arbeitsmarkt vermittelt werden können“. Beim Übergang vom Asylbewerberleistungsgesetz ins SGB II müssten die Kommunen derzeit Zweidrittel der Kosten der Unterkunft (KdU) tragen. Auf Bundesebene rechnen die Kommunalen Spitzenverbände mit KdU-Leistungen von mehr als 600 Mio. Euro. „Diese finanziellen Mehrbelastungen können die Kommunen angesichts der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Integration nicht tragen. Der Bund muss zu 100 % die Kosten der KdU erstatten, und zwar im Wege einer Spitzabrechnung“, forderte der Landkreistagschef.

Sprachkompetenz

Im Rahmen einer OB-Konferenz in Nürnberg unterstrich Städtetagschef Maly: „Bund, Land und Kommunen beackern fünf Felder der Integration. Drei weite Felder liegen vor allem bei den Kommunen: Wohnen, Kinderbetreuung und Schulen, Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bund und Land pflegen vor allem zwei Felder: Sprachkompetenz in Integrationskursen und Arbeitsförderung. Bei den Kommunen summieren sich mit steigender Tendenz enorme Kosten für Integration.“

Unterkunftskosten

Laut Maly wächst ein riesiger Kostenblock mit den Kosten der Unterkunft. Der Bund müsse die flüchtlingsbedingten Mehrkosten bei der Erstattung der Kosten der Unterkunft an Hartz-IV-Empfänger übernehmen. Derzeit trügen die Kommunen zu zwei Dritteln und der Bund zu einem Drittel die Kosten der Unterkunft. Die Kosten der Unterkunft insgesamt für alle Hilfeempfänger beliefen sich im Jahr 2015 für bayerische Kommunen auf rund 1 Milliarde Euro. Die durch die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern zu erwartenden Mehrkosten der Unterkunft werden für das Jahr 2016 in Bayern auf über 200 Millionen Euro geschätzt.

Für diese Kosten trage der Bund die Verantwortung, unterstrich der Präsident. Der Staat dürfe Menschen nach der Anerkennung als Flüchtling oder Asylbewerber nicht aus der Erstaufnahme in die Obdachlosigkeit entlassen und anschließend vor die Türen des Rathauses schicken. Der Bund müsse die Kosten der Unterkunft voll übernehmen, die vom Flüchtlingszuzug verursacht werden. „Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber ist keine herkömmliche Form der Obdachlosigkeit, wie wir sie laut Sicherheitsrecht auch als kommunale Aufgabe kennen, sondern liegt in der Verantwortung des Bundes.“

Die Frage, ob Integration gelingt oder nicht, entscheidet Maly zufolge über das künftige Zusammenleben in den Städten und Gemeinden. Bayerns Kommunen erbrächten vielfältige Leistungen, die sich in ihren Haushalten niederschlagen. Es dürfe keine kalte Kommunalisierung der Integrationskosten geben. Nun gehe es darum, die finanziellen Mehrbelastungen der Kommunen auszugleichen und eine dauerhafte aufgabenbezogene Entlastung zu erreichen.

Mehrbelastungen in 2015

Gemeinsam mit dem Bayerischen Landkreistag hat der Bayerische Städtetag eine Umfrage zu den finanziellen Mehrbelastungen der bayerischen kreisfreien Städte und der Landkreise bei Aufnahme, Betreuung, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern durchgeführt. Wie Ulrich Maly erläuterte, zeige eine erste Auswertung, dass die bayerischen Kommunen im Jahr 2015 erhebliche finanzielle Mehrbelastungen tragen mussten – „trotz der Erstattungsleistungen für Asylbewerber- und Flüchtlingsunterkünfte durch den Freistaat“.

Im Jahr 2015 sind in den kreisfreien Städten und den Landkreisen rund 212,4 Millionen Euro an ungedeckten Kosten vor allem für die Erstaufnahme einer hohen Zahl an Flüchtlingen im Herbst angefallen. Hinzu kommen die noch nicht im Gesamten erhobenen Kosten der kreisangehörigen Gemeinden. Für das Jahr 2016 sind weiter deutliche Steigerungen zu erwarten, vor allem die Personalkosten für dringend nötige Neueinstellungen schlagen dauerhaft auf die kommunalen Haushalte durch. Maly: „Der notwendige Stellenaufwuchs bei Städten, Gemeinden und Landkreisen bringt erhebliche finanzielle Mehrbelastungen für die kommunalen Haushalte. Und weitere Kosten sind absehbar: Die Kommunen müssen mittelfristig erhebliche zusätzliche Kosten für Betreuungs- und Bildungseinrichtungen einplanen.“

„Open-Book-Verfahren”

Nach Malys Worten hat Ministerpräsident Horst Seehofer im Herbst 2015 die kommunale Familie gebeten, die zusätzlichen Mehrbelastungen der Kommunen für Flüchtlinge und Asylbewerber in einem transparenten „Open-Book-Verfahren“ aufzuschlüsseln. „Der Freistaat Bayern muss nun die aufgezeigten steigenden Mehrbelastungen anerkennen und in den kommenden Jahren angemessen berücksichtigen. Wir brauchen eine schnelle aufgabenbezogene finanzielle Entlastung der kommunalen Ebene. Eine finanzielle Entlastung ist besonders dringend bei der wirtschaftlichen Jugendhilfe für unbegleitete Flüchtlinge, bei Verwaltungskosten und durch höhere staatliche Förderungen in Bildung und Erziehung“, machte der Städtetagsvorsitzende deutlich.

Die Entlastung müsse – mit Ausnahme der Investitionsförderung für Betreuungs- und Bildungseinrichtungen – außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs stattfinden, denn der Zuzug von Flüchtlingen und Asylbewerbern stelle eine Sondersituation dar. Die Transfermechanismen des Finanzausgleichs ermöglichten keinen auf das Aufkommen bezogenen Kostenausgleich.

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DK

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