Kommunalverbändezurück

(GZ-20-2020)
gz bayerischer gemeindetag

► Landesversammlung des Bayerischen Gemeindetags:

 

Sozialstaat am Scheideweg

 

Mahnende Worte fand der wiedergewählte Präsident des Bayerischen Gemeindetags, Dr. Uwe Brandl, bei der Landesversammlung des Kommunalverbandes in Bad Gögging, Landkreis Kelheim. Aus Sicht des Abensberger Bürgermeisters „sind wir aktuell dabei, uns auf Kosten unserer Urenkel zu verschulden“. Der Bevölkerung zu suggerieren, dass Geld im Überfluss vorhanden ist, „wird uns auf die Füße fallen“, prognostizierte Brandl, der dafür warb, tragfähige Akzente für ein kluges Politikkonzept zu setzen.

Die neue Verbandsspitze: Präsident Dr. Uwe Brandl (r.) gemeinsam mit (von links unten) Erstem Vizepräsidenten Thomas Zwingel, Landesschatzmeister Markus Reichart und Zweite Vizepräsidentin Birgit Erb. Bild: Bayerischer Gemeindetag
Die neue Verbandsspitze: Präsident Dr. Uwe Brandl (r.) gemeinsam mit (von links unten) Erstem Vizepräsidenten Thomas Zwingel, Landesschatzmeister Markus Reichart und Zweite Vizepräsidentin Birgit Erb. Bild: Bayerischer Gemeindetag

„Der Bundesfinanzminister erweckt den Eindruck, dass Geld in Hülle und Fülle vorhanden ist, um alle Widrigkeiten der Corona-Krise zu lindern“, erläuterte der Präsident. So nachvollziehbar es sei, die Wirtschaft am Laufen zu halten, Massenarbeitslosigkeit zu verhindern und Menschen in Existenznot finanziell zu unterstützen, so stelle sich doch die Frage: Können wir uns auf Dauer die vielfältigen Sozialleistungen in Deutschland leisten? „Ich habe da große Zweifel“, bemerkte Brandl.

Einnahmen brechen weg

Er wies darauf hin, dass die von Bund und Freistaat über Jahre und Jahrzehnte gewährten Sozialleistungen für die unterschiedlichsten Personengruppen der Gesellschaft letztlich immer von den kommunalen Ebenen, insbesondere den Gemeinden und Städten, direkt oder indirekt über Umlagen aufgebracht werden müssten. Aufgrund der Corona-Krise brächen aber derzeit massiv die Einnahmen weg. Groß ist Brandls Sorge hier beim Blick auf die Jahre 2021 und insbesondere 2022. „Wie sollen wir das alles noch leisten?“, fragte der Verbandschef und rief dazu auf, endlich die Fülle an sozialen Wohltaten zu durchforsten, mindestens aber in Gänze auf den Prüfstand zu stellen. Er appellierte an die Verantwortlichen im Bund und im Freistaat, zusammen mit den Kommunen eine ehrliche Revision der vielfältigen staatlichen und kommunalen Leistungen vorzunehmen.

Was die Digitalisierung anbelangt, so ist diese Brandl zufolge „nicht das allein Seligmachende“. Gleichwohl wies er darauf hin, dass die Reichsbedenkenträger der Datenschützer in der Vergangenheit vieles blockiert und verhindert hätten, was an Digitalisierung technisch schon längst möglich ist. Er hoffe, dass man jetzt auf ein gesundes Maß zurückkehre, was berechtigte Datenschutzinteressen betrifft. Jedoch sei er, BrandI, sich nicht sicher, ob bei Abflauen der Krise genau die Reichsbedenkenträger wieder das Regiment übernehmen.

Gedacht wird immer noch analog

Tatsache sei: Man stehe am Anfang einer Digitalisierung, weil immer noch analog gedacht wird. Zu meinen, alles lasse sich eins zu eins auch in die digitalen Formen um- und abbilden, funktioniere nicht – vor allem wenn man sehe, wie sich die gesamten Märkte, die für den Wohlstand des Landes verantwortlich sind, komplett umstrukturieren. Im Bereich der gesamten Digitalisierung könnten volkswirtschaftlich völlig neue Märkte entwickelt werden, wenn die entsprechenden Köpfe vorhanden wären, die diese Märkte auch vernünftig erkennen und befüllen dürften.

Setze man sich damit auseinander, wer von der Digitalisierung letztlich profitiert, seien dies in der Regel internationale Konzerne, die ihren Sitz in Amerika oder in Asien haben. Dies sei ein Unding, so der Präsident, weil sicherlich die Kräfte, die Köpfe und das technische Know-how vorhanden wären, einen zumindest europäischen Markt zu gründen, wo das Geld am Ende des Tages zumindest in Europa, am besten aber in Deutschland bleibt.

Digitales Lernen geht anders

Auf den Bildungsbereich zu sprechen kommend, machte Brandl deutlich, dass digitales Lernen nicht bedeutet, Schulbücher abzufotografieren und ins Netz zu stellen. Vielmehr sei dies eine völlig andere Art der Wissensvermittlung, die viel mit Informatik zu tun habe, wo gewisse MINT-Fähigkeiten deutlich stärker in den Vordergrund gestellt werden müssten als bisher. Erforderlich seien eine Umstellung der Lehrpläne und der pädagogischen Ausbildung. Außerdem brauche es die Ertüchtigung der Elternhäuser, vor allem auch hinsichtlich der Hardware.

Dabei dürfe sich nicht ein Bildungssystem mit mehreren Geschwindigkeiten Bahn brechen, fuhr der Verbandschef fort: Es könne nicht sein, dass diejenigen, die es sich leisten können, Endgeräte zu Hause stehen haben und die anderen mit vergleichsweise widrigen Umständen fertig werden müssen.

Zauberwort Nachhaltigkeit

„Wo bleibt die Innovationsfähigkeit dieses Landes?“, fragte Brandl. Es gelte, die Welt neu zu denken. Nachhaltigkeit, nicht Umweltverträglichkeit, sei das Zauberwort. Die Bürgermeister werden aus seiner Sicht die Aufgabe haben, die Umgestaltung der Gesellschaft proaktiv zu begleiten und jenseits aller parteipolitischen Denkmuster zu handeln, um gut durch die Krise zu kommen. „Der Bayerische Gemeindetag wird dabei ein verlässlicher und treuer Partner sein“, gab der Präsident den Delegierten mit auf den Weg.

Brandl im Amt bestätigt

Uwe Brandl steht seit 2002 an der Spitze des Bayerischen Gemeindetages, beim Deutschen Städte- und Gemeindebund ist er zudem erster Vizepräsident. In Bad Gögging wurde er ohne Gegenstimmen in seinem Amt bestätigt. Zum Ersten Vizepräsidenten wählten die Kommunalpolitiker Bürgermeister Thomas Zwingel aus Zirndorf (Landkreis Fürth). Zweite Vizepräsidentin des Verbands wurde Bürgermeisterin Birgit Erb aus Oberelsbach (Kreis Rhön-Grabfeld). In einer Kampfkandidatur setzte sie sich gegen Bürgermeister Stefan Schelle aus Oberhaching bei München durch. Zum Landesschatzmeister wurde Bür-
germeister Markus Reichart aus Heimenkirch im Landkreis Lindau bestimmt.

Keine Kabinettsbeteiligung

Für Unmut sorgte bei den Delegierten der Umstand, dass kein Mitglied der Bayerischen Staatsregierung an der Jahresversammlung des Bayerischen Gemeindetags teilnahm. Kurzfristig hatte Ministerpräsident Markus Söder seine Teilnahme wegen des Corona-Gipfels in Berlin absagen müssen. Dass sich keine Vertretung fand, wurde als Ausdruck der Geringschätzung angesehen. Ein aus Uwe Brandls Sicht schlicht unverständlicher und nicht nachvollziehbarer Schritt.

DK

 

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