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(GZ-9-2020)
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► Bayerischer Nachtragshaushalt:

 

Rekordinvestitionen zur Krisenbewältigung

 

Mit der Verabschiedung des Gesetzes zum Nachtragshaushalt 2020 bringt der Bayerische Landtag Haushaltsmittel, Bürgschaften und Garantien in Höhe von 60 Milliarden Euro auf den Weg, um die wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise abzumildern. Einen Schutzschirm für Kommunen soll es allerdings nicht geben. Ausreichend Liquidität garantiere die vorzeitige Überweisung von Mitteln aus dem Finanzausgleich. Grüne und SPD enthielten sich bei der Abstimmung. Nach ihrer Auffassung verweigert die Regierung eine Soforthilfe für die Kommunen trotz wegbrechender Steuereinnahmen.

Der Nachtragshaushalt umfasst Mehrausgaben von weiteren zehn Milliarden Euro und dient vor allem der Unterstützung von Mittelstandsbetrieben und Unternehmen, aber auch Solo-Selbständigen, Freiberuflern, Künstlern und landwirtschaftlichen Betrieben. Der Landtag billigte dazu mit kleinen Änderungen die Vorlage von Finanzminister Albert Füracker (CSU), der zusätzlich zehn Milliarden Euro beantragt hatte.

20 Mrd. Euro für die Krisenbewältigung

Für die Krisenbewältigung stehen damit 20 Milliarden Euro zur Verfügung. Der Schuldenstand des Freistaats wächst in der Folge von 26,5 auf 46,5 Milliarden Euro. „Krisenbewältigung ist Ausnahmezustand, da muss man anders agieren als in normalen Zeiten“, erklärte Füracker. Er hoffe, dass die vom Landtag nun frei gegebenen Milliarden nicht alle gebraucht würden. Der neue Finanzrahmen ermögliche es dem Freistaat aber, zur Abmilderung der Corona-Folgen flexibel und bedarfsgerecht einzugreifen.

Nach Angaben Fürackers summieren sich die Ausgaben zur Bewältigung der Krise bereits jetzt auf rund 12,5 Milliarden Euro. Fünf Milliarden seien für Soforthilfen an Unternehmen, Selbständige oder soziale Institutionen zugesagt, 2,5 Milliarden für das Gesundheitssystem. Dazu kämen voraussichtlich rund fünf Milliarden Euro an Steuerausfällen. Die zusätzlichen Kredite sollen ab 2024 in jährlichen Raten von einer Milliarde Euro zurückgezahlt werden.

Der CSU-Haushaltspolitiker Josef Zellmeier betonte, über die neuen Schulden sei niemand erfreut. Die damit finanzierten staatlichen Eingriffe seien aber „der richtige Weg in dieser Situation“. Das Gesundheitssystem müsse weiter gestützt werden und die bayerische Wirtschaft möglichst gut durch die Krise kommen. Deshalb müsse der Staat jetzt „beherzt agieren“. Allerdings räumte Zellmeier ein, dass mit den zusätzlichen Mitteln nicht alle krisenbedingten Einbrüche verhindert und alle Wünsche auf Hilfen erfüllt werden könnten. Anders als Teile der Opposition sehen Zellmeier und Füracker derzeit keine Notwendigkeit, über den bayerischen Kommunen einen Schutzschirm aufzuspannen.

Erleichterung bei Kreditaufnahme

Mit einem Dringlichkeitsantrag forderten die Freien Wähler, den Gemeinden, Städten und Landkreisen im Freistaat unter die Arme zu greifen. Gebot der Stunde müsse sein, dass auch Kommunen ohne entsprechende Rücklagen ausreichende finanzielle Spielräume zur Selbsthilfe haben, sagte der kommunalpolitische FW-Fraktionssprecher, Joachim Hanisch.

Deshalb begrüßen die Freien Wähler die Entscheidung der Staatsregierung, Regelungen zur Genehmigung kommunaler Haushalte für die Dauer der Pandemie großzügig auszulegen und die Auszahlungszeitpunkte von Finanzausgleichsleistungen vorzuziehen. Die jetzt beschlossenen Erleichterungen bei der kommunalen Kreditaufnahme seien ein wichtiges Signal an die Kommunen, so der Kommunalexperte.

„Auch die anstehenden Verhandlungen zum kommunalen Finanzausgleich müssen die Auswirkungen der Corona-Krise auf Bayerns Kommunen im Blick behalten“, so Hanisch. Es sei unerlässlich, dass sie als Rückgrat des Freistaats während der Krise und darüber hinaus handlungsfähig blieben. Der Erhalt der kommunalen Infrastruktur müsse laut Hanisch auch in dieser schwierigen Ausnahmesituation oberste Priorität haben.

Grüne kritisieren „Ignoranz“

Claudia Köhler, haushaltspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, nannte als Hauptgrund für die Stimmenthaltung beim Haushaltsentwurf das fehlende Hilfspaket für Bayerns Kommunen und die „Ignoranz, mit der die Regierung auf die Hilferufe des Städtetags und einzelner Kommunen“ reagiere.

„Die aktuelle finanzielle Bedrängnis droht reflexartige Rufe nach Haushaltssperren oder pauschalen Mittelkürzungen auszulösen“, sagte sie. Die Landtags-Grünen hatten im zuständigen Haushaltsausschuss Sonderschlüsselzuweisung in Höhe von einer Milliarde Euro zur Stärkung der kommunalen Finanzkraft gefordert. Diese sollten anhand real zu erwartenden Steuereinbrüchen (Basis: Steuerkraftmesszahlen) berechnet werden – was von einer Mehrheit der CSU und Freien Wähler abgelehnt wurde.

Zudem kritisierte Köhler, dass die zehn Milliarden auf keine konkreten Haushaltstitel verteilt seien. Man wolle der Staatsregierung deshalb „keinen weiteren Blankoscheck“ ausstellen, begründete sie die Stimmenthaltung ihrer Fraktionen zum Nachtraghaushalt.

Freie Wähler-Fraktionschef Florian Streibl entgegnete: „Wir müssen der Staatsregierung die nötige Flexibilität geben, weil wir heute noch nicht wissen können, was morgen richtig ist.“ Das bisherige Krisenmanagement der Staatsregierung sei geprägt von Umsicht, Weitsicht und Augenmaß. „Deshalb ist es mehr als gerechtfertigt, der Regierung einen Vertrauensvorschuss zu gewähren“ so Streibl.

SPD verweigert Zustimmung

Auch die SPD enthielt sich bei der Abstimmung. „Für das bloße Abnicken des Haushalts steht die SPD nicht zur Verfügung“, erklärte deren Haushaltssprecher Harald Güller. Zwar hätten Staatsregierung und Koalitionsfraktionen einige Vorschläge der SPD zur Unterstützung von Bürgern, Institutionen und Unternehmen aufgegriffen, sich aber in der parlamentarischen Beratung auf einem „Weg der einsamen Entscheidungen“ einer Konsenslösung verweigert.

Zudem kritisierte er, dass mangels verbindlicher Festlegungen im Gesetz die parlamentarische Kontrolle des Vollzugs außer Kraft gesetzt werde. „Von den Freien Wählern und insbesondere von Teilen der CSU wurde der Weg der Selbstüberschätzung mit Hang zur Überheblichkeit im zuständigen Haushaltsausschuss geradezu zelebriert. Keinem einzigen unserer Anträge wurde in den vergangenen Wochen zugestimmt, Briefe nicht beantwortet.

Stattdessen werden unsere Vorschläge als eigene Initiativen verkauft. So kann man in diesen schwierigen Zeiten einfach nicht zusammenarbeiten!“, kritisierte Güller. Auch die SPD hatte einen kommunalen Schutzschirm und Nothilfen für Städte und Gemeinden gefordert.

FDP fordert Begrenzung der Hilfen

Dagegen verteidigte Bernhard Pohl (Freie Wähler) das Vorgehen. Zwar handle es sich um einen „ungewöhnlichen Beschluss“, der Staatsregierung zehn Milliarden Euro zur quasi „freien Verfügung“ zu genehmigen, doch sei dies in der aktuellen Lage erforderlich. „In der aktuellen Notsituation sind wir alle gefordert, pragmatische Lösungen zu finden“, betonte Pohl. Helmut Kaltenhauser (FDP) forderte eine zeitliche Begrenzung der Stützungsmaßnahmen.

So notwendig die angedachten Maßnahmen für die aktuelle Lage seien, sie dürften nicht auf Dauer bleiben. Man brauche auch für die Staatshilfen und die mögliche Teilverstaatlichung von Unternehmen eine „Exit-Strategie“. Um eine niedrigere Schuldenaufnahme zu erreichen, verlangte Ferdinand Mang (AfD) die Kürzung von „Luxusausgaben“ im regulären Haushalt. Zudem sah Mang in den neuen Schulden auch eine „versteckte Bankenrettung“. Als einzige Fraktion votierte die AfD gegen den Haushaltsentwurf.

Bayern-Fonds schützen bayerische Firmen

Einstimmig gab der Landtag hingegen grünes Licht für den 46 Milliarden Euro umfassenden „Bayern-Fonds“, der staatliche Kreditbürgschaften und die Möglichkeit zur vorübergehenden Übernahme von Unternehmensanteilen durch den Freistaat vorsieht. Damit sollen systemrelevante bayerische Firmen vor der Insolvenz oder der Übernahme durch ausländische Investoren geschützt werden. „Wir wollen erreichen, dass Firmen erhalten bleiben und dass eine bayerische Firma bayerisch bleibt und keine chinesische wird“, erklärte Finanzminister Füracker.  Es sei zudem gelungen, die wichtigen Hinweise des Obersten Bayerischen Rechnungshofs (ORH) im Gesetz zu berücksichtigen.

„Die parlamentarischen Kontrollrechte wurden gestärkt und auch der ORH kann seiner Kontrollfunktion in vollem Umfang nachkommen“, sagte Florian Streibl. Damit sei die Grundlage geschaffen, um den Menschen im Freistaat auch weiterhin schnell, unbürokratisch und bedarfsabhängig zu helfen. Tim Pargent (Die Grünen) bemängelte, dass die Abwicklung des Fonds an eine private Finanzagentur und die Finanzierung der Hilfen in einen „Schattenhaushalt“ ausgelagert würden. Dies sei nur zu akzeptieren, da sich die Regierungskoalition bereit erklärt habe, den Fonds durch ein parlamentarisches Begleitgremium mit einzelnen Entscheidungsbefugnissen kontrollieren zu lassen und dem Bayerischen Obersten Rechnungshof Prüfbefugnisse einzuräumen.

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