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(GZ-1/2-2022)
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► Serie „Kommunale Entwicklungspolitik anders denken“:

 

Teil 11: „Hier geht es nicht um Greenwashing“

 

Schulen, 4.200 Einwohner und ein Krankenhaus sollen erstmalig mit Trinkwasser in Baringo County in Kenia versorgt werden. Dieses Ziel haben sich die Akteure im Rahmen der kommunalen Klimapartnerschaft zwischen der ostafrikanischen Region und der Stadt Gersthofen gesetzt. Im Interview mit der Bayerischen GemeindeZeitung richtet Bürgermeister Michael Wörle einen klaren Appell an die Staatsregierung und erläutert, wie der Aufbau kommunaler Partnerschaften in der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt werden kann.

Eine Delegation aus Baringo County mit Michael Wörle, Erster Bürgermeister Stadt Gersthofen, beim Bürgerempfang 2019. Bild: Marcus Merk
Eine Delegation aus Baringo County mit Michael Wörle, Erster Bürgermeister Stadt Gersthofen, beim Bürgerempfang 2019. Bild: Marcus Merk

GZ: Als Erster Bürgermeister der Stadt Gersthofen haben Sie im Jahr 2019 als einzige Kommune in Bayern in der siebten Runde des Projekts „Kommunale Klimapartnerschaft“ teilgenommen. Was war der konkrete Auslöser für diesen Schritt?

Michael Wörle: Gerade Kommunen stellen mit Ihrem Wissen und lokalen Netzwerken ein unendliches Potential für internationale Partnerschaften dar. Wenn jeder Gemeinde- oder Stadtrat in Bayern sich dieses Themas annähme, würden wir in einigen Jahren viele Probleme gemeinsam bearbeiten und auch lösen können. Die Stadt Gersthofen hat den großen Vorteil, dass mit der Region Baringo County in Kenia seit vielen Jahren eine enge Partnerschaft besteht. Da war es naheliegend, dass wir diese enge Freundschaft durch die Teilnahme an der 7. Phase der kommunalen Klimapartnerschaften weiter ausgebaut haben.

GZ: Mit dem Projekt „Kommunale Klimapartnerschaften“ der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) soll die fachliche Zusammenarbeit deutscher Städte, Gemeinden und Landkreise mit Kommunen aus Afrika, Lateinamerika und Asien in den Bereichen Klimaschutz gestärkt werden. Seit 2011 haben aber nur 78 kommunale Partnerschaften gemeinsame Handlungsprogramme zu diesen Themen erarbeitet. Wo liegt Ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass Kommunen zögern?

Wörle: Für andere Kommunen, die zunächst ein Netzwerk aufbauen müssen, liegt die Einstiegshürde höher als beispielsweise bei uns. Dennoch sehe ich in der kommunalen Klimapartnerschaft für Städte und Gemeinden ein großes Potenzial und die Möglichkeit aktiv Klimaschutz in anderen Regionen zu fördern. Ich bin mir sicher, es gibt in ganz vielen Gemeinden zivilgesellschaftliche Kontakte zum Globalen Süden. Darauf lässt sich häufig zielführend aufbauen.

GZ: Die Stadt Gersthofen entsendet zusammen mit Kreishandwerkskammer, Innungen und regionalen Unternehmen Mitarbeiter und Unterstützer, um Ausbilder in Kenia zu schulen. Wie engagiert sich Gersthofen in der Region Baringo County und welche konkreten Ziele sollen im Rahmen dieses Engagements erreicht werden?

Schwerpunkte Trinkwasser und Jugendarbeitslosigkeit

Wörle: Die Stadt hat sich unter anderem für das Projekt Teach the Teacher stark gemacht, bei dem Fachkräfte aus der Region in Baringo County Lehrerinnen und Lehrer geschult haben. Gersthofen engagiert sich aber auch stark in anderen Bereichen. Schwerpunkte sind hier die Trinkwasserversorgung, die Aufforstung, der Erhalt der Biodiversität sowie die Definition von CO²-Projekten. Diese Schwerpunkte gilt es in den nächsten Jahren umzusetzen. Große Probleme gibt es beispielhaft bei der Trinkwasserversorgung. 80 Prozent der Menschen in der Region Baringo County haben keinen direkten Zugang zu Trinkwasser – da gibt es viel zu tun. Auch in punkto der extrem hoher Jugendarbeitslosigkeit müssen wir durch die Schaffung wirtschaftlicher Perspektiven Angebote bieten. Zudem entwickeln wir verschiedenste Maßnahmen, um an den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu arbeiten.

GZ: In der Entwicklungszusammenarbeit findet derzeit ein Paradigmenwechsel statt: Vor allem das Gebot der ‚Kommunikation auf Augenhöhe‘ steht im Mittelpunkt der Zusammenarbeit. Wie setzen Sie das im Rahmen der Kommunalen Klimapartnerschaft um?

Wörle: Wichtig ist uns ein regelmäßiger Austausch und eine konkrete Zielsetzung, die mit den Partnern definiert, besprochen und gemeinsam beschlossen wird. Nur wenn man sich in diesen Punkten auf Augenhöhe begegnet, lassen sich Projekte auch erfolgreich umsetzen. Allein der Begriff Partnerschaft macht klar, dass es um weit mehr als nur Patenschaft geht.

GZ: Was haben Sie seit Beginn der Partnerschaft im Jahr 2019 aus der Zusammenarbeit mitgenommen? Hat Sie persönlich der Austausch verändert oder haben Sie mit Vorurteilen gebrochen?

Wörle: Ich habe viel gelernt über die Kultur, die Denkweise und die politischen Strukturen in Kenia. Mit dem Besuch einer Delegation des Stadtrats in Kenia wurde uns allen klar, wie wichtig derartige Begegnungen sind. Das gegenseitige Verständnis sowie die enormen Chancen aus diesen Kontakten, sind seitdem in der Politik in Gersthofen verankert. Auch der Besuch unseres Jugendorchesters vor drei Jahren hat bei den Teilnehmern nachhaltige Spuren hinterlassen. Der persönliche Austausch schafft vielleicht auch die Grundlage zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Allein die Chance hierfür sollte Grund genug sein, sich mit dem Thema intensiv zu beschäftigen.

GZ: Seit kurzem fördert der Freistaat kommunale Klimakooperationen. Welchen Appell richten Sie an die Staatsregierung bzw. den Bayerischen Landtag – wie müssen sich die Rahmenbedingungen ändern, damit bei den Kommunen die Bereitschaft zur Bildung von Partnerschaften mit dem Globalen Süden wächst?

Wörle: Es müssen Anreize für Städte und Kommunen geschaffen werden und ein Netzwerk, um Erfahrungen auszutauschen. Ein wichtiger Punkt ist zudem, dass die Staatsregierung für diese wichtigen Projekte ausreichend Gelder bereitstellt, bei der Kontaktaufnahme zu fernen Regionen hilft sowie den Kontakt zu einem Expertennetzwerk aufbaut. Ich sehe für Projekte wie dieses ein großes Potenzial, denn im Endeffekt profitieren beide Partner von einer kommunalen Klimapartnerschaft. Zudem müssen Bund und Land Türöffner sein, um für das zivilgesellschaftliche Engagement die politische Unterstützung im Globalen Süden zu bekommen.

Ferner sollten Kommunen in die Lage versetzt werden, Fördergelder für gemeinsame Projekte in entsprechender Höhe beantragen zu können. Bund, Länder, Kommunen und Unternehmen aus dem Norden müssen mit dem jeweiligen Gegenpart im Globalen Süden zusammenarbeiten. Die Möglichkeiten CO2-relevante Projekte schnell und wirtschaftlich im Globalen Süden zu realisieren, wird häufig ignoriert. Hier geht es nicht um Kompensation oder Greenwashing – sondern um schnelle, wirkungsvolle Maßnahmen für das Klima. Der Bund – aber auch der Freistaat müsste zeitnah Kommunen und Unternehmen an einen Tisch laden, um eine neue Strategie in der Zusammenarbeit mit dem Globalen Süden zu erarbeiten. Die Stärkung kommunaler Klimapartnerschaften stehen explizit im Koalitionsvertrag. Jetzt gilt es, dieses Ziel konsequent mit Leben zu füllen.

Anja Schuchardt

 

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