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(GZ-19-2021)
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► Serie „Kommunale Entwicklungspolitik anders denken“:

 

Teil 5: „Wir müssen die Willigen finden“

 

Unsere Autorin Anja Schuchardt behandelte im Rahmen ihrer Masterarbeit das Thema „Kommunale Entwicklungszusammenarbeit“ und sprach dazu mit Peter Ranzinger, Klimaschutzbeauftragter im Landkreis Passau, der in verschiedene Klimaschutzprojekte in der kommunalen Entwicklungspolitik involviert ist. Er ist auch mitverantwortlich für die Projektarbeit im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative „1000 Schulen für unsere Welt“. Im Interview betont Ranzinger die Vorteile, die sich aus Partnerschaften ergeben und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen.

Peter Ranzinger, Landratsamt Passau. Bild: privat
Peter Ranzinger, Landratsamt Passau. Bild: privat

GZ: Wie begleiten Sie als Klimaschutzbeauftragter das Projekt „1000 Schulen für unsere Welt“ im Landkreis Passau?

Ranzinger: Wir sind durch Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller und Landrat Stefan Rößle auf das Projekt gestoßen und haben im Jahr 2017 das erste Mal Spenden für ein Schulbauprojekt in Uganda gesammelt, das inzwischen abgeschlossen ist. Zur Schuleinweihung im Dezember 2020 konnten wir wegen der Corona-Pandemie leider nicht in das Land reisen. Die Stiftung Fly & Help ist dabei mit Partnerorganisationen vor Ort für die Umsetzung der Projekte verantwortlich. Und wir als Kommune oder Landkreis, sammeln die Spenden ein. Bisher sind knapp 22.000 Euro für ein aktuelles Schulbauprojekt in Tansania zusammengekommen. Anhand von Berichten und Bildern werden wir laufend über die Baufortschritte informiert.

GZ: Tauschen Sie sich auch über weitere Kooperationen mit Partnern im Globalen Süden aus?

Ranzinger: Ja, beispielsweise über die Klimapartnerschaft, die wir vor einigen Jahren mit unserem Ansprechpartner Carim im Senegal begonnen haben. Der Vorteil daran ist, dass Carim schon seit ewigen Zeiten in Kontakt mit verschiedenen Personen aus dem Landkreis ist. Er ist gebürtiger Senegalese und hat vor einem Jahrzehnt ein Stipendienprogramm absolviert. So konnten wir eine enge Vertrauensbasis aufbauen. Als wir anfingen, uns intensiver mit der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit zu beschäftigen, waren wir sehr überrascht, wie viele Menschen im Landkreis in verschiedenen Positionen und Tätigkeiten aktiv und engagiert sind – angefangen von landwirtschaftlichen Projekten, Energieprojekten, von Eine-Welt-Projekten mit fairem Handel bis hin zu Pflanzaktionen.

Regelmäßige Treffen

Deshalb treffen wir uns jetzt regelmäßig, um alle Akteure zusammenzubringen und zu vernetzen. Aus diesem Grund haben wir auch die Klimapartnerschaft angestoßen. Ich bin persönlich absolut überzeugt davon, dass wir von den Ländern im Globalen Süden sehr viel lernen können, was den Umgang mit Ressourcen oder steigenden Temperaturen betrifft.

GZ: Sind das auch Aspekte, die bei den Schulbauprojekten eine Rolle spielen?

Ranzinger: Da bin ich in einem Zwiespalt. Denn die Schulen werden nach Unesco-Prinzipien gebaut – was bedeutet, dass Wasser- und nicht Trockentoiletten gebaut werden. Und da die meisten Erkrankungen von Kindern und Frauen durch verschmutztes Wasser entstehen, bin ich mir da nicht so sicher, ob der Bau von Trockentoiletten nicht besser wäre. Aber das ist keine Generalkritik an den Schulbauten. Es ist ein Beispiel dafür, das zeigt, wie wichtig es ist, sich mit den Bedürfnissen vor Ort auseinanderzusetzen.

Das Entscheidende sind Begegnungen

GZ: Was müssen Akteure für die interkulturelle Zusammenarbeit mitbringen, damit beispielsweise auch solche Abstimmungsprozesse besser gelingen?

Ranzinger: Also das Entscheidende sind Begegnungen. Wenn ich das „Fremde“ kennengelernt habe, dann stelle ich fest: Die anderen erzählen sich vielleicht ähnliche Witze, sie haben die gleichen Probleme, sie haben die gleichen Vorlieben, spielen vielleicht auch miteinander Fußball oder sind bei der Feuerwehr oder arbeiten miteinander an der Werkbank bzw. auf dem Feld oder im Büro – dann ist das Gefühl von „Fremde“ plötzlich nicht mehr da.

Und es ist wichtig, dass man sich in den anderen hineindenkt. Das werden wir wahrscheinlich nie schaffen, weil die Menschen im Globalen Süden unter völlig anderen Voraussetzungen aufwachsen und leben. Aber wir müssen auch von unseren Vorurteilen abrücken zu glauben, den Menschen auf dem afrikanischen Kontinent geht es allen furchtbar schlecht – so liegt beispielsweise in der Mitte von Afrika die fruchtbarste Gegend der Erde. Das heißt, Fachkenntnisse sind ebenfalls wichtig.

GZ: Was ist nötig, damit deutschlandweit noch mehr Kommunen einen Mehrwert in der Entwicklungszusammenarbeit erkennen und die Gemeinschaftsinitiative „1000 Schulen für unsere Welt“ weiter wächst?

Ranzinger: Zunächst geht es immer darum, die Willigen zu finden. Welche Bürgermeister, welche Gemeinderäte, Eine-Welt-Initiativen oder mögliche Partner gibt es, die für das Thema offen sind und mit denen die Zusammenarbeit auch Spaß macht.

Wer sich engagiert muss das nämlich aus Überzeugung machen und einen Sinn dahinter sehen. Nur dann begegnen sich Partner auch auf Augenhöhe.

Wir müssen von der Haltung wegkommen: „Wir sind die Schlauen und helfen euch im Globalen Süden auf die Beine“ – das ist der falsche Ansatz. Wenn wir uns von dieser Einstellung verabschieden, dann ist das bereits ein sehr guter erster Schritt.

Anja Schuchardt

 

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