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(GZ-15/16-2022)
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Souverän aus der Energiekrise

Gunnar Braun, VKU (Verband Kommunaler Unternehmen e.V.) Landesgruppe Bayern

Nach der (Pandemie-)Krise ist vor der (Energie-)Krise, mit der niemand rechnen wollte, und in der sich Deutschland dennoch wiederfindet. Statt nur dabei sind besonders auch die Kommunen und ihre Stadtwerke mittendrin – getrieben durch den illegitimen Überfall Russlands auf die Ukraine. Russland spielt die Klaviatur der Energieverknappung und treibt die europäische Energiepolitik vor sich her im Bemühen, sich vom russischen Ressourcentropf abzunabeln.

Gunnar Braun ist Geschäftsführer der VKU Landesgruppe Bayern, von der rund 200 bayerische Stadt- und Gemeindewerke politisch vertreten werden. Der VKU unterstützt die kommunalen Versorger im Wandel ihrer Versorgungsinfrastrukturen. Dies schließt die Konzeption z. B. von Wärmenetzen, Quartierslösungen und die künftige Rolle von Wasserstoff im dezentral kommunalen Energiesystem ein.

Brauns Credo: Statt immer neuen Überbrückungsmechanismen für das bestehende System, verlangen die Krisen souverän aus der Energiekrise zu steuern, durch stringenten Umbau unserer Versorgung. Die Transformation der Wirtschaft entlang des European Green Deal verändert die Nachfrage und erlaubt – weg von einer endlosen Energiewende light – die konsequente Energiewende auf Basis erneuerbarer Energien.

Dazu ist sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik ein grundlegendes Umdenken erforderlich, das in bestimmten Ansätzen schon begonnen hat.

Die aktuelle Krisensituation zeigt einmal mehr, dass der Staat nicht endlos reale oder auch vermeintliche Verluste, zumal teilweise in Vorkrisenzeiten selbst verschuldet, finanziell ausgleichen kann. Dazu sind die Staatseinnahmen an den Gesamtausgaben mit den jüngsten Kreditaufnahmen krisenbedingt in bisher (seit 1955) nie gekanntem Maß eingebrochen. Dagegen kann derzeit der Staat im historischen Vergleich noch günstig Schulden aufnehmen und sollte Investitionen befördern, mit denen wir uns von laufenden Energieverbräuchen lösen. Einsparung und Effizienz, wie auch erneuerbare Energien sind regelmäßig solche, kapitalintensive Investitionen, die helfen, operative Verbrauchskosten dauerhaft zu senken.

Braun plädiert daher an die Politik, sich mehr auf die Förderung von Investitionen, z. B. in regenerative Energieerzeugung, zu konzentrieren, als das bestehende fossile System mit Steuererleichterungen oder Energiepauschalen für jedermann zu subventionieren und die laufenden Kosten abzufedern. Erdgas durch Flüssiggas zu überbrücken ist strukturell nötig. Zugleich darf es keine anreizlose Brücke sein, die den Status quo der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zementiert. Investitionen in mehr Sparsamkeit und Effizienz beim Energieverbrauch zu tätigen, müsste das Gebot der Stunde sein. Und in diesem Bereich gibt es in Deutschland noch eine ganze Menge Luft nach oben. Der deutsche Primärenergieverbrauch ist aktuell (1.Q.2022) zu fast 80 Prozent fossil und zu gut 18 Prozent regenerativ. Die Gretchenfrage bleibt: Wie ist der Entzug von fossilen Energiequellen zu schaffen?

Braun legt an ein einigen Beispielen dar, dass unter der Prämisse, weniger (Primärenergie) ist mehr, mit geringerem Energieeinsatz gleicher Nutzen erzielbar ist. Die Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern nimmt ab, gleichsam Ressourcenbedarf durch mehr Energieeffizienz, Veränderungen von Prozessen und Einführung neuer Verfahren. Wichtig ist, die richtige Stellschraube für die passende Anwendung zu definieren. So können Glasbehältnisse mit Strom anstelle von Gas produziert werden, oder – noch sparsamer – durch ein Pfandsystem bis zu 50 Mal genutzt werden. Klar ist dabei, das Pfandsystem wird nicht durch die Glasindustrie initiiert werden. Es muss aus der Wirtschaft, mit der Gesellschaft und staatlich angestoßen als Einsparoption realisiert werden.

Ein Knackpunkt bei der Gestaltung der Energiezukunft wird sicher der zunehmende Fachkräftemangel sein. Diese knappe und außerordentliche wertvolle Ressource zu sichern und zielgerichtet einzusetzen, ist schon jetzt eine der größten Herausforderungen für die Gesellschaft.

Laut den Handwerksverbänden und der IG Metall besteht aktuell ein Sanierungsstau bei 19,2 Millionen Gebäuden. Auf allen Ebenen fehlen bereits entsprechend ausgebildete Fachkräfte (Planer, Installateure, Elektriker, Solaranlagenbauer, etc.). Der Fachkräftemangel bei einem Gewerk führt zum Kaskadeneffekt bei den weiteren Aufgaben. Und Fachkräfte, die mit dem Erhalt bzw. der Sanierung der bestehenden Energiesysteme ausgelastet sind, lernen und bauen nicht an Energiewende-Systemen der Zukunft.

Angesichts Energiekrise und Klimawandel muss auch der Katastrophenschutz zukunftsorientiert gedacht werden.

Katastrophenschutz ist eine originäre Aufgabe der Kommune bzw. des Landkreises. Wie also kann die Kommune den Katastrophenschutz erneuerbar gestalten? Im Rahmen der Energiewende müssen die Kommunen die verfügbaren, regionalen, erneuerbaren Energien im Sinne des Katastrophenschutzes für diese Aufgabe nutzen lernen. Der Umbau der Energieversorgung zu regenerativen Energien verändert auch die Logik, in der Katastrophensituationen zur inneren Sicherheit abgesichert werden können. Mangels entsprechender Beispiele in Deutschland zeigte Braun ein interessantes Beispiel aus der österreichischen Gemeinde Mooskirchen in der Steiermark: Dort wurde unter anderem eine als Notunterkunft vorbereitete Turnhalle mit einer blackout-resistenten Stromversorgung durch eine netzunabhängige Photovoltaikanlage mit Stromspeicher ausgestattet.

Auch die BioNahwärmebedarfsdeckung für die öffentlichen Bildungseinrichtungen und die besagte Turnhalle kann dank des Solarkraftwerks mit Stromspeicher bei einem gravierenden Stromausfall sichergestellt werden, da sie auch die Wärme-Übergabestation mit dem gespeicherten Strom in Betrieb hält. Ohne eine solche Stromquelle gäbe es im Katastrophenfall auch keine Wärme.

Brauns Appell an die Kommunen: Bei der Energiewende und in der jetzigen Krisensituation ist es dringend erforderlich, nicht nur in der aktuell bestehenden Ersatzlogik zu denken, Energie ist teuer und muss unbedingt günstiger (durch Steuergeschenke etc.) gemacht werden. Vielmehr müssen dringend mehr Investitionen über die noch notwendigen Brücken hinaus getätigt werden, die den Weg in eine ressourcensparende, effiziente, nichtfossile Energiezukunft ebnet. Sicher ist, dass sich der Energiebedarf und die Anwendungsfelder deutlich verschieben werden.

Das hat enorme Auswirkungen auf die entsprechend notwendige Infrastruktur und deren Wirtschaftlichkeit wie z. B. die Rolle der Gas- und Wärmenetze oder der Ausbau der Stromnetze im Zuge der Elektrifizierung vieler Prozesse, wie des Verkehrs. An der Zukunft des Energiesystemumbaus hinter den Brücken führt kein Weg vorbei.

Weitere Informationen:

Die sicherheitspolitische Bedeutung erneuerbarer Energien, 2007, im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, www.adelphi.dewww.vku.de

JK 

 

Gunnar Braun, VKU (Verband Kommunaler Unternehmen e.V.) Landesgruppe Bayern
Gunnar Braun, VKU (Verband Kommunaler Unternehmen e.V.) Landesgruppe Bayern

 

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