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(GZ-6-2018)
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► 3. Bayerisches InfrastrukturForum in Nürnberg:

 

Innovation siegt

Um gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu ermöglichen, muss die Infrastruktur in den Kommunen dringend ausgebaut werden. Wie das konkret aussehen soll, wurde beim 3. Bayerischen InfrastrukturForum der Bayerischen GemeindeZeitung im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat in Nürnberg eingehend erörtert. Schwerpunkte wie Kommunaler Hoch- und Tiefbau, Leitungsinfrastruktur und Kommunalstraßen sowie so genannte weiche Standortfaktoren und deren optimale Finanzierung wurden dabei eingehend beleuchtet.

Bayerisches Infrastrukturforum

Anerkannte Referenten, Aussteller und Partner sorgten vor zahlreichen Entscheidungsträgern aus Bayerns Kommunen und Vertretern aus Wirtschaft und Verbänden für ein vielseitiges Programm und wertvolle Informationen.

Ein Mehr an Lebensqualität

Wie GZ-Verlegerin Theresa von Hassel betonte, entscheide die kommunale Infrastruktur oftmals darüber, ob man in bestimmte Regionen zuziehen kann, ob sich Betriebe ansiedeln, ob man seine Heimat als lebens- und liebenswert betrachtet und ob die Bürger zufrieden – oder gar stolz – auf ihre Heimat sind. Dabei seien sog. harte und weiche Standortfaktoren oftmals gleich wichtig. „Wenn es Ihnen gelingt, Ihre vielfältig verflochtenen Infrastruktureinrichtungen in einem ganzheitlichen Ansatz sinnvoll und nachhaltig zu gestalten, dann schaffen Sie mit der Infrastruktur in Ihrer Region ein Mehr an Lebensqualität für Ihre Bürger“, so von Hassel.

Über „Wärmewende in der Praxis, Infrastruktur schaffen mittels Contracting“ informierte eingangs Bertram Kölsch von der BayWa Energie Dienstleistungs GmbH. Das BayWa Contracting für Nahwärmeversorgungen garantiert die Wärmelieferung aus Holz-Brennstoffen und anderen CO2-armen Wärmequellen. Von dem breiten Spektrum an Leistungen konnten sich bereits zahlreiche zufriedene Kunden überzeugen.

„Überdimensionierung macht teuer, ebenso wenig durchdachte technische Anlagenkonzepte“, machte Kölsch deutlich. Fehlerquellen seien zudem u. a. zu lange Wärmenetze, das Schielen auf die maximale Förderung und unprofessionelle Vertragswerke. Die BayWa Energie Dienstleistungs GmbH dagegen baue und betreibe auf eigenes Risiko. In punkto Ausschreibungen riet Kölsch dazu, sich die Vorplanungskosten zu sparen und auf ein „detailliertes Leistungsverzeichnis bis zur letzten Schraube“ zu verzichten. Stattdessen biete sich eine funktionale Ausschreibung an.

Mit dem Start des Projekts „Bayern Mobilität 2030“ im Jahr 2014 leistete der Bayerische Bauindustrieverband laut Dr. Josef Wallner seinen Beitrag zu gleichwertigen Lebensbedingungen in Stadt und Land. Gelingen könne dieses Vorhaben nur auf Basis einer hochwertigen und gut ausgebauten Verkehrsinfrastruktur. Eine unabhängige Expertenkommission habe sich u.a. konkret für das Konzept einer Landesweit Integrierten Verkehrsplanung – LIV, neuen Finanzierungssystemen und mehr Koordination, für Digitalisierung und Mobilität, eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur mit den Bürgern sowie die Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren ausgesprochen.

Modellprojekte in den drei bayerischen Regionen Landkreis Berchtesgadener Land inkl. Landkreis Traunstein und Land Salzburg (Vernetzung im ÖPNV in grenznaher Region), Landkreis Bayreuth (Entwicklung von E- Mobilitätsstationen im ländlichen Raum) und Landkreis Cham (ÖPNV-Angebote für Schwachlastzeiten im ländlichen Raum auf Basis digitaler Systeme) sollen Wallner zufolge widerspiegeln, um was es letztlich geht: um zukunftsfähige Mobilität für Menschen und ihre individuellen Ansprüche an gleichwertiges Arbeiten, Leben und Wohnen in allen Regionen Bayerns.

Bezahlbarer Wohnraum

Wie für jedermann bezahlbarer Wohnraum ermöglicht werden kann, darüber informierte Dr. Christoph Maier, baucultur project GmbH. Zusammen mit seinen Partnern im forum baucultur hat er die „Wohngeneration³“ entwickelt. Im Kern dreht es sich dabei um zwei Punkte. Zum einen wird bedarfsgerechter, 100 Prozent bezahlbarer Wohnraum geschaffen und zum anderen wird besonderer Wert auf das gute Zusammenleben der Mieter verschiedener Generationen gelegt.

Für die Bestimmung des bedarfsgerechten und bezahlbaren Wohnraums wurden drei Zielgruppen definiert: Senioren, Alleinstehende mit ein bis zwei Kindern sowie junge Familien mit zwei bis drei Kindern. Deren Wohnbedarf und Budget wurden analysiert und dazu passende, bezahlbare Wohnangebote entwickelt.

Der Gemeinschaftsgedanke wird in besonderer Weise vom direkten Austausch der Generationen Senioren, Eltern und Kinder mit wechselseitiger Unterstützung etwa bei der Hausaufgabenbetreuung oder Einkaufsservice getragen. Ein erster Schritt dazu: Die Gründung eines Bewohnervereins, in dem die Bewohner in Eigenregie die Belange des Hauses organisieren.

Zinsvergünstigte Förderprogramme

Stichwort Finanzierung: Wie Thomas Leicht erläuterte, bietet die BayernLabo als Kommunal- und Förderbank des Freistaats Bayern den bayerischen Gebietskörperschaften und kommunalen Zweck- und Schulverbänden zinsvergünstigte Förderprogramme zur Investitionsfinanzierung und klassische Kommunalkredite mit Zinsfestbindungen bis zu 30 Jahren an.

Mit dem kommunalen Wohnraumförderungsprogramm (KommWFP), der zweiten Säule des Wohnungspakts Bayern, unterstützen Freistaat Bayern und BayernLabo bayerische Gemeinden dabei, selbst preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Auch Landkreise können das Programm für den Bau von Wohnheimen für das Personal ihrer Krankenhäuser nutzen.

Gefördert werden der Neu-, Um- und Anbau sowie die Modernisierung und der Ersterwerb von Mietwohnungen. Förderfähig sind auch der Grunderwerb und das Freimachen von Grundstücken, soweit sie im Zusammenhang mit den baulichen Maßnahmen stehen. Die  Beratung zu förderrechtlichen Fragen und die Antragstellung erfolgen direkt bei der jeweiligen Regierung im Sachgebiet 35.

Mobilität mit schadstoffarmen Antrieben

Wer mobil sein muss, kommt an Elektro- und CNG-Fahrzeugen auf Dauer nicht vorbei, unterstrich im Anschluss Thomas Wöber (gibgas consulting im Auftrag des Landesinitiativkreises ErdgasMobilität Bayern). Auf Basis der „Well-to-Whell-Betrachtung“, der ganzheitlichen Effizienzbetrachtung des Treibhausgases CO2 – und zwar vom Bohrloch (Erzeugung) bis zum Rad (Verwendung) – hätten die CNG-Gas- und Elektrofahrzeuge starke Argumente. Der Kraftstoff CNG, der aus den Quellen Biomethan, Erdgas und Methan aus Ökostrom bereitgestellt werden kann, überzeuge auch hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und leistungsstarken Motoren.

Gerade im kommunalen Einsatz könnten bestimmte Fahrzeug-Klassen optimal eingesetzt werden, sei es für den Bürgermeister, bei Botengängen, bei der Bereitstellung von Fahrleistungen im Öffentlichen Personen-Nahverkehr sowie im technischen Service-Bereich. Als Beispiel nannte Wöber den mehrfach ausgezeichneten Volkswagen Caddy Maxi 1.4 TGI (81 kW/110 PS) als Kastenwagen, der eine Reichweite mit CNG von bis zu 860 km hat, zudem den VW Golf 1.4 TGI, den SEAT Leon ST 1.4 TGI sowie Audi A3 Sportback 1.4 g-tron und Audi A4 Avant 2.0 g-tron. Der Fuhrpark der Verkehrsbetriebe Nürnberg bestehe aus CNG Bussen mit Erdgas, während die Verkehrsbetriebe Augsburg 90 CNG Busse mit Biomethan unterhielten. Laut Wöber wurde die Steuerbegünstigung für CNG jetzt bis 2026 verlängert. Aktuell gibt es in Deutschland 860 CNG-Tankstellen, davon 123 in Bayern.

Innovative Nahwärmeprojekte

Nahwärmeprojekte von der Vision bis zum laufenden Betrieb werden von der Naturstrom AG realisiert. Angestoßen von Genossenschaften, Gemeinden oder Gewerbetreibenden werden nach den Worten von Tobias Huter zu Beginn eines Projekts detaillierte Machbarkeitsstudien durchgeführt. In der Konzeptionsphase konkretisierten sich die Pläne, die im Bau gemeinsam mit vertrauten Partnerfirmen verwirklicht würden. Damit die Wertschöpfung vor Ort bleibt, lege man Wert darauf, die Anliegen der lokalen Akteure aus der Region einzubinden.

Neben einem möglichst hohen Anteil an solarthermischer Wärmebereitstellung liegt der Unternehmens-Fokus auf der Nutzung von Abwärme aus Biogasanlagen oder Industrie und der Kopplung der Sektoren Strom und Wärme. Das Nahwärmenetz in Hallerndorf ist das erste Nahwärmeprojekt von Naturstrom, bei dem eine große solarthermische Freilandanlage eingesetzt wurde. Ähnliche Nahwärmenetze setzte das Unternehmen bereits erfolgreich in Lupburg in der Oberpfalz und im oberfränkischen Markt Marktschorgast um. Zudem ist Naturstrom Pionier im Mieterstrommarkt mit bundesweiten Projekten und massentauglichen Prozessen.

Effizienzsteigerung bei der Trinkwasserversorgung

Über „Effizienzsteigerung bei Brunnenbau und -unterhalt für die Trinkwasserversorgung“ informierte Ferdinand Summa, OCHS Bohr GmbH. Er verwies darauf, dass Effizienzsteigerung bedeute, nicht grundsätzlich mehr Förderleistung pro Tag aus einem Brunnen zu bekommen, sondern mehr Gesamtfördermenge pro Brunnenleben. Effizienzsteigerungen seien möglich bei Planung und Neubau, bei der Sanierung von Altbrunnen sowie der Ausrüstung und dem Betrieb der Brunnen.

Wie Summa ausführte, ist der Alterungsprozess von Brunnen zwar nicht aufzuhalten, lässt sich aber durch eine regelmäßige Wartung verzögern. Nach Neuerstellung eines Brunnens sollte die erste Untersuchung nach ca. drei Jahren stattfinden. Je nach Ergebnis sollten die Intervalle zwischen fünf und zehn Jahren liegen. Turnusmäßige optische Untersuchungen des Brunnens ermöglichten, vor Nachlassen der Förderleistung Alterungsprozesse zu erkennen. „Bereits bei einem Leistungsverlust von 10 bis 20 Prozent ist der Zeitpunkt zu spät, erklärte Summa. Die Regenerierung erfordere einen hohen Aufwand und damit hohe Kosten. Zudem sei der Brunnen dann auch schlechter zu seiner ursprünglichen Leistung regenerierbar.

Die Bedeutung der Infrastruktur für die Entwicklung Bayerns skizzierte Altlandrat Hermann Steinmaßl, ehemaliger Sprecher der bayerischen Landräte für das Landesentwicklungsprogramm Bayern. Er wies darauf hin, dass der kontinuierliche Bevölkerungszuwachs den Druck auf die Fläche erhöht. Zudem verändere und beanspruche die Energiewende das Land. Aus Steinmaßls Sicht ermöglicht eine intakte und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur die vielfältigen Verflechtungen und Wechselwirkungen in der Gesellschaft und in der arbeitsteiligen Wirtschaft und damit die Verwirklichung der Grundbedarfe (Daseinsfunktionen).

Plädoyer für gemeindlichen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum

Die „Heimat Bayern“ bestehe nicht nur aus Metropolen, bemerkte der Altlandrat. Er plädierte für mehr gemeindlichen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum – Stichwort Einheimischenmodell. Darüber hinaus müssten Innenentwicklung und Brachflächenentwicklung Vorrang haben. Auch seien eine dichtere Wohnbebauung sowie mehr Geschosse und Tiefgaragen bei gewerblich genutzten Gebäuden ratsam. Die Umwidmung landwirtschaftlicher Gebäude sowie das Aufstellen von Bebauungsplänen für den Außenbereich ergänzten das Portfolio an kommunalen Maßnahmen.

Heimatstrategie des Heimatministeriums

Referatsleiterin Christiane Plempel-Scholl vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat skizzierte abschließend die Heimatstrategie des 2013 eingerichteten Heimatministeriums, die auf den Säulen Kommunaler Finanzausgleich, Strukturentwicklung für ganz Bayern, Breitbandausbau, Regionalisierung von Hochschulen und Behördenverlagerung beruht.

Die Behördenverlagerung wurde initiiert, um sichere und qualifizierte Arbeitsplätze von staatlicher Seite auch in strukturschwächere Regionen zu bringen. Gestartet wurde 2015 mit dem Konzept „Regionalisierung von Verwaltung“, die die Verlagerung von über 50 Behörden und staatlichen Einrichtungen mit 3.155 Personen (2.225 Beschäftigte und 930 Studierende) in alle Regierungsbezirke Bayerns mit den Schwerpunkten Oberfranken, nördliche Oberpfalz und Niederbayern erfahren. Plempel-Scholl zufolge wurde dabei Wert darauf gelegt, dass Arbeitsplätze in allen Qualifikationsebenen entstehen. Für die neuen Behördenstandorte wurden vorrangig Regionen ausgewählt, die im Raum mit besonderem Handlungsbedarf liegen und nicht im Rahmen der Hochschulinitiativen bereits umfangreich gefördert wurden. Konversionsgemeinden wurden ebenfalls berücksichtigt.

In den ersten drei Jahren haben 37 Behörden und staatliche Einrichtungen, d. h. bereits 60 Prozent der Verlagerungsprojekte, ihren Betrieb aufgenommen. Bis Ende 2018 sollen elf weitere Behörden verlagert werden. Im Jahr 2025 soll das Projekt abgeschlossen sein. Ziel ist es, das Konzept ohne Zwangsversetzungen umzusetzen.

 

 

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