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(GZ-9-2020)
Gastbeiträge

► Ordnungsbehördliche Bestattungen und Sozialbestattungen in den Gemeinden:

 

Wenn für die letzte Ruhe niemand zahlt

 

Gastbeitrag: Ingrid Hannemann, KUBUS Kommunalberatung und Service GmbH

„Armenbegräbnisse“ werden sie oft genannt, auch „Sozialbestattungen“. Das sind diejenigen Bestattungen, bei denen die Bestattungspflichtigen die Kosten hierfür nicht aufbringen können oder es keinen Bestattungspflichtigen gibt. Mehr als 25.000 Personen jährlich sind in Deutschland bei den Bestattungskosten auf staatliche Hilfe angewiesen. Laut statistischem Landesamt gaben die deutschen Kommunen im Jahr 2017 insgesamt 60 Millionen Euro für diese „Armenbegräbnisse“ aus, davon alleine 6,6 Millionen Euro in Bayern in 2.207 Fällen.

Hat bei der Sozialbestattung der Verstorbene kein Geld für seine Bestattung hinterlassen und sind die bestattungspflichtigen Angehörigen finanziell nicht in der Lage, die Kosten zu übernehmen, können sie einen Kostenübernahmeantrag nach dem SGB XII stellen.

Sozialbestattungen

Bei den Sozialbestattungen sind in erster Linie die Bestatter gefragt und gefordert. Aus ihren vertraglichen Vereinbarungen mit den Hinterbliebenen gehen sie für die Bestattung in Vorleistung, für die Friedhofsgebühren die Gemeinde als Friedhofsträger, die hier nur eine einfache Grabart zur Verfügung stellen wird.

Ordnungsbehördliche Bestattungen

Anders verhält es sich bei den ordnungsbehördlichen Bestattungen, auch diese nehmen zu. Waren diese Bestattungen in den kleineren Gemeinden in Bayern vor 10, 15 Jahren noch kaum bekannt, sind sie jetzt längst nicht mehr ungewöhnlich. Verstorbene, bei denen sich niemand um eine Bestattung kümmert. Verstorbene ohne Angehörige oder Freunde, Nichtsesshafte, Menschen in Obdachlosenunterkünften.

Hier hat sich das Ordnungsamt um die Bestattung zu kümmern. Die Verwaltungsmitarbeiter und Bürgermeister stehen jedes Mal vor einem Dilemma. Sie sind gehalten, dem Verstorbenen eine würdige Bestattung zu ermöglichen, aber auch mit öffentlichen Geldern verantwortungsvoll umzugehen. Keine leichten Aufgaben. Die Bestattung soll „einfach, kostengünstig, ortsüblich und würdevoll“ sein, es gibt auch hierfür einen Mindeststandard.

Diskussionen um den Mindeststandard

Hier schon beginnen die Diskussionen, was der Mindeststandard ist. Ist im oberbayerischen Raum die ortsübliche Bestattung eine Erdbestattung mit Trauerfeier und einem Grab mit Holzkreuz, kann dies in Oberfranken an der Grenze zu Thüringen schon ganz anders sein.

Stirbt jemand allein in seiner Wohnung, recherchiert zuerst die Polizei, ob es Angehörige gibt. Wird kein Angehöriger innerhalb der Bestattungsfrist von 96 Stunden gefunden oder erklärt ein ermittelter bestattungspflichtiger Angehöriger, sich nicht kümmern zu wollen, muss die Gemeinde in Vorleistung gehen und die Bestattung beauftragen.

Parallel zur Angehörigensuche versucht das Ordnungsamt herauszufinden, ob ein letzter Wille zur Beerdigung existiert. Nachbarn, Notare und Amtsgerichte werden befragt, im Internet wird recherchiert. Werden Angehörige gefunden, geht oftmals der Ärger erst richtig los. Denn sie müssen zahlen und das stößt oftmals auf großes Unverständnis.

Bestattungspflichtige Angehörige

Oft auch verständlich, so wie in den Fällen von bestattungspflichtigen Kindern, deren Elternteil sich niemals um sie gekümmert hat. Oder die bestattungspflichtige Tochter, die vom eigenen Vater missbraucht wurde und jetzt für seine Bestattung zu zahlen hat. Es gibt wenige Gründe, die Kosten für die Bestattung nicht tragen zu müssen. Auch die Nichtannahme eines Erbes befreit nicht von der Bestattungspflicht.

Zahlen muss aber, wer bestattungspflichtig ist. Das sind die Ehegatten oder Lebenspartner, Kinder, Eltern, Großeltern, Enkelkinder, Geschwister und in Bayern zusätzlich noch die Kinder der Geschwister des Verstorbenen sowie Verschwägerte ersten Grades. Andere Bundesländer haben den Kreis der Bestattungspflichtigen sogar noch erweitert.

Die Gemeinde hat über die Kostentragungspflicht einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen und die Bestattungspflicht zu begründen. Auch wenn § 15 Satz der BestV in Bayern bestimmt, dass bei der Verpflichtung der Angehörigen diese Reihenfolge nur eingehalten werden „soll“, ist dringend dazu zu raten. Innerhalb der Angehörigengruppe bestehen die Verpflichtungen gleichrangig.

Postmortale Persönlichkeitsrechte

Nach wie vor Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen ist die Frage, ob die Behörde die kostengünstigste Form der Bestattung wählen darf. Abenteuerliche juristische Argumentationen versuchen hier, den mutmaßlichen Willen eines Verstorbenen zu begründen. Ist es unstreitig, dass die Leiche nicht an ein anatomisches Institut übergeben werden darf, so dürfte das auch für die anonyme Bestattung in einem Gemeinschaftsgrab gelten. Das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen gestattet die Wahl dieser Bestattungsform nur dann, wenn der Verstorbene sie zu Lebzeiten ausdrücklich gewünscht hat.

Beispiel Geretsried

Dass „Armenbegräbnisse“ einfach, aber doch würdevoll sein können und die Namen dieser Verstorbenen nicht in Vergessenheit geraten müssen, zeigt ein Gang über den Friedhof in Geretsried. Auch wenn sich hier ein Verein um die Gräber kümmert, für die Grabnutzungsrechte ist immer die Gemeinde zuständig.

Die „Armengräber“ auf dem Waldfriedhof in Geretsried, unterhalten von einem privaten Verein. Bild: Svenja Heiter
Die „Armengräber“ auf dem Waldfriedhof in Geretsried, unterhalten von einem privaten Verein. Bild: Svenja Heiter

 

Das Urnengräberfeld auf dem Friedhof in Gauting, wenn Anonymität vom Verstorbenen gewünscht wird. Bild: Svenja Heiter
Das Urnengräberfeld auf dem Friedhof in Gauting, wenn Anonymität vom Verstorbenen gewünscht wird. Bild: Svenja Heiter

 

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