Aus den Kommunenzurück

(GZ-19-2019)
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Geretsrieder Stadtwald:

 

„Die Natur räumt nicht auf“

Eine wildromantische Nacht im Zelt an der Isar? Ruhe tanken im Stadtwald, doch nervende Baumarbeiten? Treffen Stadt und Natur aufeinander, sind Förster und Naturschützer oftmals das vermittelnde Bindeglied. Das Team der Bayerischen GemeindeZeitung hat Förster Sebastian Schlenz im Wald und Isar-Ranger Bernhard März am Fluss bei ihrer Arbeit begleitet.

Naturschutz und Waldbewirtschaftung gehen im Geretsrieder Stadtwald Hand in Hand. Unser Bild zeigt das GZ-Team mit Förster Sebastian Schlenz.
Naturschutz und Waldbewirtschaftung gehen im Geretsrieder Stadtwald Hand in Hand. Unser Bild zeigt das GZ-Team mit Förster Sebastian Schlenz.

„Schauen Sie sich einmal hier um, was sehen Sie?“, fragt Schlenz in die Runde. Sein Hund scharrt im Humus, hoch über ihm hackt ein Specht seinen Schnabel immer wieder in die Baumrinde. „Es sieht hier aus wie auf einer Baustelle!“, lautet eine Antwort. „Ein richtiges Verhau, oder?“, pflichtet der Förster bei.

„Also ich denke, das ist beabsichtigt, dass hier so viel Holz rumliegt. Das ist für die Tiere, Insekten und Pilze“, lautet eine andere Antwort aus der Gruppe. Schlenz grinst: „Es gibt nicht viele, die so denken wie Sie. Dabei stehen wir hier auf der wertvollsten Fläche im ganzen Geretsrieder Stadtwald, weil wir hier auf der Lichtung eine optimale Lichteinstrahlung haben.

Wenn die Sonne auf das tote Holz scheint, ist das ein optimaler Nährboden für Insekten.“ Die Teilnehmer der Gruppe schauen sich etwas ungläubig um. Sie sind umringt von Baumstämmen, aufgetürmten Haufen aus Ästen, abgeholzten Baumstümpfen, Sägespänen und wildem Gestrüpp – nicht gerade eine wildromantische Stelle, die zum Picknicken einlädt.

Der Wald: Rückzugsort oder Einnahmequelle?

Genau in diesem Spannungsfeld zwischen Naherholung und Waldwirtschaft sehen sich Förster wie Schlenz. Er ist für das Wohl des 146 Quadratmeter großen Stadtwaldes in Geretsried verantwortlich. Mit den Kommunalwäldern erfüllen die bayerischen Städte und Gemeinden eine wichtige Aufgabe für das Gemeinwesen. Sie bieten einen Rückzugsort zum Kraft schöpfen, zur Erholung oder auch die Möglichkeit, mehr über das Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur zu lernen. Diese Chance hat auch das Team der Bayerischen GemeindeZeitung genutzt und Förster Schlenz im Geretsrieder Stadtwald sowie Isar-Ranger Bernhard März am Flusslauf der Isar begleitet.

Fläche für das Hallenbad

Viele Kommunen verfügen wie Geretsried über eigenen Wald und eigene landwirtschaftliche Flächen, die sie entweder selbst bewirtschaften oder anderen zur Bewirtschaftung überlassen. Sie unterliegen ebenso wie private und staatliche Waldbesitzer dem Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft des Bundes (Bundeswaldgesetz BWaldG) bzw. dem bayerischen Waldgesetz (BayWaldG).

Landwirtschaftliche Flächen werden vielfach als Schutzbereiche vorgehalten, als Tauschflächen eingesetzt oder erworben, um zukünftiges Siedlungsland in kommunale Hände zu nehmen. So wurde beispielsweise für den Bau des neuen Hallenbads der Stadt Geretsried eine Fläche im Wald abgeholzt. Diese Maßnahme soll laut Bürgermeister Michael Müller aber eine Ausnahme bleiben. Auf der einen Seite werde zwar künftig dichter bebaut, auf der anderen Seite sollen aber auch Freiräume geschaffen werden. „Wir wollen die Hauptachsen durchgrünen“, kündigte Müller an.

„Tannen sind wie Pralinen“

Im Rahmen ihrer Vorbildfunktion sollten die Kommunen eine naturverträgliche Bewirtschaftung sicherstellen. Dazu zählen die schonende Bewirtschaftung, ohne dass sich der Boden verdichtet sowie eine natürliche Waldverjüngung. Der Förster muss also zum Beispiel dafür sorgen, dass auf bestimmte Flächen genügend Licht gelangt. Hinzu kommt ein angemessener Tierbestand.

Im Stadtwald in Geretsried wird nicht gejagt. Schlenz spricht trotzdem das Problem des Verbisses an, das in anderen Wäldern die Artenvielfalt bedroht. „Rehe lieben die jungen Triebe der Eichen und Tannen – die sind wie Pralinen für die Tiere. Stehen bleibt die Fichte. Doch auf diese Weise ist der Baumbestand der beiden wichtigsten Baumarten bedroht“, erklärt er. Hinzu kommt der Borkenkäfer. Er gedeiht unter der Rinde und ist gerade für Fichten ein gravierendes Problem. Die zunehmende Trockenheit führt zudem dazu, dass die Bäume weniger Harz produzieren, das normalerweise die Käfer abwehrt. Vom Borkenkäfer befallene Bäume müssen so schnell wie möglich aus dem Wald transportiert werden. Ansonsten können die Tiere auf gesunde Bäume überspringen.

Biotopholz für Artenvielfalt

Sonst ist Schlenz mit dem Abtransport von Totholz nicht so schnell. „Eigentlich müsste es „Lebendholz“ heißen, zumindest Biotopholz. Denn es ist die Grundlage für den Erhalt der Artenvielfalt und des Ökosystems im Wald. Und bei Biotopholz gilt der Satz: viel Holz hilft viel. Auch wenn ein Wald mit viel Biotopholz unaufgeräumt aussieht, ist er gut“, erklärt er. Stolz zeigt er auf einen Kirschbaum, gleich dahinter wächst ein Ahorn neben einer Eibe und einer Tanne. „Dass sich hier auf natürliche Weise so viele verschiedene Baumarten angesiedelt haben zeigt, dass wir den Naturschutz erfolgreich in die Bewirtschaftung des Waldes integriert haben.“

Ranger schlagen Brücke

Wie wichtig es ist, eine Brücke zwischen den Belangen der Natur und der Menschen zu schlagen – das erlebt Isar-Ranger Bernhard März auf seinen täglichen Inspektionen am Flusslauf der Isar. Unterstützt wird er zwischen den Landkreisgrenzen vor Wallgau und Schäftlarn von insgesamt elf Isar-Rangern. Die Zahl wurde von vier auf elf Ranger im Sommer 2019 aufgestockt. Sie klären die Ausflügler darüber auf, wie sensibel das Ökosystem an der Isar ist. Denn der Druck auf den Wildfluss wurde zuletzt so groß, dass seit April Regeln für private Nutzer an der Isar gelten. Beispielsweise ist das Kanufahren an bestimmten Streckenabschnitten vom 15. Oktober bis zum 1. Juni verboten.

Auf anderen Flüssen ist die Nutzung längst reglementiert und die Isar dadurch immer mehr zum Ausweichfluss geworden. Im Landkreis Weilheim-Schongau gilt zum Beispiel seit rund 25 Jahren die sogenannte Ammer-Verordnung, mit der etwa Schlauchboote grundsätzlich verboten wurden und Fahrten im Kajak vom 1. Mai bis zum 15. Oktober begrenzt sind.

Schutz für den Flussregenpfeifer

Verboten sind an der Isar jetzt auch Glasflaschen an Bord und es gilt eine 0,5-Promille-Grenze für Freizeitkapitäne. „Wir setzten auf ein höfliches Miteinander und Verständnis“, sagt März. Inzwischen wird er von einigen Isargängern mit „Hey Ranger“ begrüßt. Ein großes Problem sind beispielsweise die nächtlichen Ruhestörrungen auf den Kiesbänken der Isar. März hat während der Brutzeit einen genauen Überblick darüber, wo zum Beispiel der Flussregenpfeifer im Nest auf seinen Eiern hockt.

Wird er gestört und kehrt nicht mehr zum Nest zurück – weil zum Beispiel in der Nähe ein Zelt aufgeschlagen wird –, ist der Nachwuchs gefährdet. März stellt daher Schilder zum Schutz auf oder weist Störenfriede auf die Nester hin. „Wenn wir gezielt schützen, ist auch die Akzeptanz in der Bevölkerung größer“, sagt er.

Geschenk für den Wald

Und auch an der Isar ist Biotopholz wie im Wald wichtig. Denn Fische benötigen Totholz zum Leichen. So kann sich beispielsweise auch der Huchen in der Isar ansiedeln. Das Tier erreicht bis zu 1,40 Meter Größe und ist mit dem Lachs verwandt. An anderen Stellen schafft März Gehölz dauerhaft weg, damit sich die Pflanzen auf freien Lichtungen besser entfalten können. Auch beim Pfeifengras passt der Ranger auf.

„Wenn ich das Gras an bestimmten Stellen nicht einmal im Jahr zurückmähe, überwuchert es andere Gräser, Kräuter und Blumen zu stark und drängt sie zurück“, erklärt März. Noch besser sei es Flächen auf natürliche Weise mit Vieh abzuweiden, die sich das Grünzeug locker rauszupfen, das sie brauchen.

Zusammenhänge verstehen

Die Führungen haben gezeigt: Wer sowohl im Wald als auch am Fluss die Zusammenhänge in der Natur versteht und erkennt, verhält sich auch rücksichtsvoller. Förster Schlenz konnte zudem durch die Demonstration der wertvollsten Fläche im Geretsrieder Stadtwald zeigen: Viel totes Holz ist vielleicht optisch weniger ansprechend, aber ein Geschenk für den Wald.

Anja Schuchardt

GemeindeZeitung

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