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(GZ-3-2024 - 1. Februar)
Gastbeiträge

► Explosive Lage:

 

Warum ein Gesetz Geldautomaten nicht schützt

 

Ein Kommentar von Dr. Jürgen Gros

Die Geldautomatensprenger treiben in Deutschland weiter ihr Unwesen. 462 mal versuchten sie im letzten Jahr, Geldmaschinen mit Explosivstoffen zu knacken. Im Freistaat schlugen die Sprengstoffgangster 21 mal zu. Zwar liegt bundesweit die Zahl der versuchten und vollendeten Anschläge knapp unter der des bislang schlimmsten Schreckensjahres 2022 mit 496 Attacken. Und auch in Bayern ist sie rückläufig. Dennoch verharrt die Zahl der Angriffe auf Geldausgabeautomaten in Deutschland seit 2020 auf hohem Niveau.

Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier
Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier

Die Gesamtzahl der Automatensprengungen im laufenden Jahrzehnt addiert sich mittlerweile auf knapp 1.800, davon 99 in Bayern. Die Räuber kommen freilich nicht bei jedem Versuch an die Geldkassette, verursachen aber in der Regel beträchtlichen Sachschaden. Sie gefährden mit ihren kriminellen und zumeist nächtlichen Taten zudem in erheblichem Maße Menschen im Wohnumfeld der Geldautomaten.

Die Lage ist explosiv. Dass es entsprechend immer wieder Forderungen gibt, den Geldautomatenbetreibern – zumeist Banken – gesetzlich und damit verbindliche Sicherheitsmaßnahmen aufzuerlegen, liegt auf der Hand. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert das. Ähnliches war im Vorfeld der letzten Innenministerkonferenz der Länder im Dezember vereinzelt und zum wiederholten Male aus dem Kreis der Minister zu hören.

Der Reflex zur gesetzlichen Maßnahme liegt zwar nahe. Aber trägt er zur Lösung bei? Allenfalls vordergründig. Die nähere Betrachtung zeigt, dass die Banken längst handeln. Sie haben in den letzten Jahren deutschlandweit bereits 300 Millionen Euro in zusätzliche Automatensicherheit investiert. Und sie werden in den nächsten Jahren weiter investieren. Kein Bankvorstand hat ein Interesse daran, dass Geldautomaten in die Luft gejagt, Gebäude in Trümmer gelegt, Leib und Leben von Menschen gefährdet werden. Die Institute werden deshalb weiter standortbezogene Risikoanalysen vornehmen und – wo nötig – zusätzliche bauliche Maßnahmen an den Standorten der Geldautomaten genauso ergreifen wie spezielle Präventionsmaßnahmen an den Geräten selbst. Schließzeiten werden ebenso geändert wie Schließsysteme, die die Zugänge zu den Automaten regeln. Das haben die Banken glaubwürdig angekündigt und zwischenzeitlich schon in vielen Fällen umgesetzt. Alle diese Maßnahmen werden womöglich mittelfristig die Zahl der Automatensprengungen verringern.

Was die Banken aber bei allen Anstrengungen nicht beseitigen können, ist das Thema hinter dem Thema. Es darf als erwiesen gelten, dass es nicht Kleinkriminelle sind, die auf eigene Rechnung mit Explosivstoffen hantieren und in den Nachtstunden durch Automatensprengungen für Schrecken sorgen. Vielmehr sind es die Handlanger der organisierten Kriminalität. Sie agieren strikt nach Anweisung. Ihre Raubzüge in deutschen Gemeinden und Städten dienen kriminellen Schattenmännern in den Niederlanden zur Geldbeschaffung.

Anschläge auf Geldautomaten sind auch kein neues Phänomen. In der Polizeistatistik wird es seit 2005 erhoben. Das Bundeskriminalamt ordnet die Geldautomatenattacken längst der organisierten Kriminalität zu. Seit Mitte des letzten Jahrzehnts dynamisiert sich die Entwicklung. Insofern gehört zu einer ursachenadäquaten Lösung auch die Debatte um einschlägige politische Maßnahmen, die die Ermittlungsbehörden im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und ihre Finanzierungsstrukturen stärken – national wie europäisch.

Die Lösung für das Thema Geldautomatensprengungen allein bei den Banken zu verorten, wird der Dimension des Ganzen nicht gerecht. An verschiedenen Stellen sind Hausaufgaben zu erledigen. Die Banken haben unzweifelhaft die ihren. Die Bundesinnenministerin vertraut weiter darauf, dass die Geldautomatenbetreiber im eigenen Interesse die Schutzmaßnahmen erhöhen und die dazu vereinbarten Ziele bis 2025 erreichen. Sie handelt also richtig, wenn sie nicht auf eine gesetzliche Regelung setzt. Richtig ist es zudem, auf politischer Seite mit Hochdruck Strukturen weiterzuentwickeln und Finanzmittel bereitzustellen, um die Schlagkraft der Ermittlungsbehörden im Kampf gegen die organisierte Kriminalität massiv zu erhöhen. Hier besteht Nachholbedarf. Die über Jahre unerledigten Hausaufgaben der Politik erscheinen als die ungleich größeren.

Weniger Geldautomatensprengungen

In Bayern kam es nach Angaben des Landeskriminalamtes im Jahr 2023 zu 21 Sprengstoffattacken auf Geldautomaten. 17 mal erlangten die Täter Geldbeute. In knapp der Hälfte der Fälle schlugen die Bankräuber in unter- und mittelfränkischen Kommunen zu. Oberbayern blieb von den Raubzügen verschont.

Die Zahl der Geldautomatensprengungen ist im Vergleich zum Vorjahr (37 Fälle) deutlich zurückgegangen, liegt jedoch noch immer über der Fallzahl des Jahres 2021 mit 17 Attacken. Insgesamt wurden im Bundesgebiet 2023 462 Geldmaschinen gesprengt, 34 weniger als im Jahr 2022.

Über unseren Autor

Der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promovierte Politikwissenschaftler Jürgen Gros (*1969) war zwei Jahrzehnte im Management verschiedener bayerischer Verbände tätig, zuletzt als Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit finanzwirtschaftlichen und mittelstandspolitischen Themen.

Dr. Jürgen Gros


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