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(GZ-1/2-2024 - 18. Januar)
Gastbeiträge

► Der kommunale Finanzausgleich 2024:

 

Belastungsgrenze erreicht

 

Ein Kommentar von Dr. Jürgen Gros

Jedes Jahr aufs Neue ringen Staatsregierung und die Spitzen von Städtetag, Landkreistag, Gemeindetag und Bezirkstag um den kommunalen Finanzausgleich. Kurz vor dem Jahreswechsel gelang die Einigung für das Jahr 2024: Heuer bekommen Gemeinden, Landkreise und Bezirke vom Freistaat 11,4 Milliarden Euro. Die Steigerung um 212,8 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr verschafft den Kommunen Luft, zumindest etwas. Beim kommunalen Hochbau ebenso wie bei der Krankenhausfinanzierung oder bei Abwasser- und Wasserversorgung sowie beim Straßenbau und im Sozialbereich.

Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier
Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier

Erneut hat der kommunale Finanzausgleich 2024 summenmäßig ein Spitzenniveau erreicht, einen Rekordwert. Für verbale Schönfärberei bleibt dennoch kein Platz. Realistisch betrachtet ist das Verhandlungsergebnis maximal das, als was es der Bayerische Landkreistag bezeichnet: „Ein schmerzhafter Kompromiss in herausfordernder Zeit.“ Aber selbst, um zu diesem Befund zu gelangen, ist einiges an politischem Wohlwollen notwendig. Das wird spätestens dann klar, wenn man sich das fiskalische Ziel des kommunalen Finanzausgleichs in Erinnerung ruft. Danach „soll die Aufstockung der Finanzen durch die Leistungen des Staates die Kommunen in die Lage versetzen, ihre Aufgaben angemessen zu erfüllen“ – so das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat in einer aktuellen Veröffentlichung.

Im Bewusstsein dessen ist das Minenspiel aller Beteiligten bei der Pressekonferenz zu den Verhandlungsergebnissen bezeichnend. So richtig wohl scheint sich offenbar mit dem Resultat keiner zu fühlen. Mit Recht. Den Kommunen hat die politische Großwetterlage erhebliche Ausgabensteigerungen in den Bereichen Soziales, Krankenhäuser, Flüchtlingen und Energie sowie Klimaschutz beschert. Da ist der Zuwachs im Finanzausgleich um 1,9 Prozent zwar immer noch mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Aber den (aufgehalsten) Ausgabensteigerungen der Kommunen wird er dennoch nicht gerecht. Ihre Belastungsgrenze ist erreicht, mitunter überschritten. In ersten Kommunen drohen Haushaltschieflagen. Den Finanzminister selbst zwickt das Korsett des Staatshaushaltes. Angesichts einer stagnierenden Wirtschaft sinken seine Steuereinnahmen. Gekürzte Bundesmittel, steigende Energie- und Personalkosten sowie Inflation verringern seinen finanziellen Gestaltungsspielraum erheblich. Jede zusätzliche Ausgabe tut ihm weh. Gemeinsam wissen alle Verhandlungspartner, so wie bisher kann es nicht weitergehen. Die finanziellen Mittel des Freistaats sind begrenzt und die Leistungskraft der Kommunen erschöpft.

Der Präsident des Landkreistages und Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin liegt richtig, wenn er fordert, dass der Freistaat die Kommunen – und in der Konsequenz die Bürgerinnen und Bürger – in Berlin besser schützen muss, wenn es um Aufgaben- und Mittelverteilung im föderalen System geht. Eine Forderung, die im Übrigen für alle Länder gilt und Mahnung an den Bund ist. Wer bestellt, der bezahlt. Das ist ein bewährter Grundsatz. Der Bund hat in den letzten Jahren bei den Kommunen viel bestellt. Über manches lässt sich streiten, manches ist bei den Kommunen richtig aufgehoben, wie z.B. die Wärmeplanung. Aber auch da gilt: Mit der Finanzierung des Jahrhundertprojektes bleiben die Kommunen weitgehend alleine – mit der Gefahr, dass die Kosten am Ende bei den Bürgerinnen und Bürgern landen. Verdruss ist vorprogrammiert – wenn denn nichts geschieht.

Dass Handlungsbedarf besteht, haben die Verhandlungspartner des kommunalen Finanzausgleichs erkannt. Wie ernst sie es letztendlich damit meinen, wenn sie dringend eine Strukturdebatte über Ausgaben, Förderwesen, Bürokratie und zu hohe Standards einfordern, werden die nächste Monate zeigen. Hoffentlich. Denn ansonsten wird es zur realen Gefahr, dass Gemeinden, Landkreise und Bezirke zwischen den Selbstverwaltungsangelegenheiten einerseits und den Auftragsangelegenheiten von Bund und Land andererseits zermalmt werden. Das kann freilich keiner wollen – und darf auch nicht passieren. Schließlich sind die Kommunen die Herzkammer der Demokratie. Hier wird Demokratie unmittelbar erlebbar und erlernbar. Starke Kommunen sind Staatsräson. Nicht von ungefähr würdigt die bayerische Verfassung deren Demokratierelevanz in Artikel 11 Absatz 4 in besonderer Weise: „Die Selbstverwaltung der Gemeinden dient dem Aufbau der Demokratie in Bayern von unten nach oben.“ Vielleicht ein guter Leitsatz für die notwendige Strukturdebatte.

Über unseren Autor

Der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promovierte Politikwissenschaftler Jürgen Gros (*1969) war zwei Jahrzehnte im Management verschiedener bayerischer Verbände tätig, zuletzt als Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit finanzwirtschaftlichen und mittelstandspolitischen Themen.

Dr. Jürgen Gros


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