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(GZ-8-2025 - 10. April)
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► Kongress „Frauen in Parlamente!“:

 

Politische Teilhabe von Frauen revolutionieren

Zum dritten Mal lud Landtagspräsidentin Ilse Aigner zum parteiübergreifenden Netzwerk- und Coaching-Tag (siehe dazu GZ 7). Unter dem Motto „Frauen in Parlamente!“ ging es in Workshops und Vorträgen, die von hochqualifizierten und erfahrenen Frauen geleitet wurden, um Themen, die Frauen bewegen.
In einem Impulsvortrag sprach Franziska Rauchut, wissenschaftliche Leiterin der Bundesstiftung Gleichstellung, über die anhaltende Unterrepräsentanz von Frauen in der Politik. „Seit 1919 gab es in keinem deutschen Parlament eine paritätische Vertretung – das stellt unsere demokratischen Werte in Frage“, so Rauchut. Trotz Fortschritten bleibe die politische Teilhabe von Frauen ungleich: Im Bundestag sank der Frauenanteil 2025 auf 32,4 Prozent (2021: 34,8 Prozent), im Bayerischen Landtag liegt er bei lediglich 25 Prozent, und in den Chefsesseln der bayerischen Rathäuser sitzen gerade einmal zehn Prozent Frauen. Interessant auch: Frauen ziehen seltener über Direktmandate (20 Prozent) als über Listen (29 Prozent) in Parlamente ein.

Die Ursachen

Ursachen für die Misere sind nach Angaben der Wissenschaftlerin strukturelle Hürden wie fehlende Ressourcen und unfaire Nominierungen, kulturelle Barrieren wie Sexismus, soziale Faktoren wie Sorgearbeit sowie die massive Gewalt gegen Politikerinnen. 70 Prozent der Bundestagsabgeordneten gaben an, frauenfeindlichen Hass bereits erlebt zu haben.

Staatlicher Auftrag und Grundrecht

Als Kernforderungen führte Rauchut an:

  1. Strukturelle Veränderungen: Gender Pay Gap schließen (Frauen in Deutschland verdienen im Schnitt 16 Prozent weniger als Männer), transparente Nominierungen und familienfreundliche Sitzungszeiten einführen.
  2. Kultureller Wandel: Sexismus bekämpfen, Frauen in allen Politikfeldern fördern.
  3. Rechtliche Regelungen: Paritätsgesetze und Schutz vor Hass und Hetze stärken.
  4. Bildung und Sensibilisierung: Rollenbilder hinterfragen, junge Frauen fördern, Daten zu Bürgermeisterinnen standardisiert erfassen.

„Gleichstellung ist staatlicher Auftrag und Grundrecht“, unterstrich Rauchut. Ohne paritätische Vertretung bleibe das Potenzial der Demokratie ungenutzt, Politik werde ungenau und Bürger unzufrieden. Sie rief dazu auf, Barrieren abzubauen und Frauen in der Politik zur Regel zu machen. Interessierte lud sie zur Vernetzung mit der Bundesstiftung ein, die Beratung, Räume und Forschung biete – etwa zu Zeitpolitik oder feministischer Führungskultur.

Schweizer Erfolgsmodell

Ein Schweizer Erfolgsmodell für mehr Frauen in der Politik ist die von Ständerätin Maya Graf präsentierte Kampagne „Helvetia ruft“, die die politische Teilhabe von Frauen in der Schweiz revolutioniert. Wie Graf, Mitglied des Schweizer Parlaments und Co-Präsidentin des Schweizer Frauendachverbandes Alliance F, dem ältesten nationalen überparteilichen Dachverband der Frauenorganisationen des Nachbarlands, erläuterte, entstand „Helvetia ruft“ im Jahr 2019 vor den eidgenössischen Wahlen, als viele Politikerinnen sich zurückzogen und nur eine einzige Ständerätin zur Wiederwahl antrat. Das war die Initialzündung: Helvetia rief zahlreiche Frauen über die Parteigrenzen hinweg dazu auf, sich zur Wahl zu stellen und überparteilich Frauen in National- und Ständerat zu wählen. Und so konnte in einer historischen Frauenwahl der Anteil von Ständerätinnen damals verdoppelt, der Anteil Frauen im Nationalrat von 32 auf 42 Prozent gehievt werden. Auch in einigen Kantonen haben die Frauen seit 2019 stark zugelegt.

Die Frauen sind gekommen um zu bleiben

2020 wurde die Kampagne auf kantonaler und kommunaler Ebene ausgeweitet, um den Frauenanteil trotz Rückschlägen wie 2023 zu halten. „Die Frauen sind gekommen, um zu bleiben“, betonte Graf. Erfolge wie Ehe für alle, ein zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub und Reformen im Sexualstrafrecht seien ohne die Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg und den Druck von außen nicht möglich gewesen.

„Helvetia ruft“ basiert auf einem klaren Konzept:

  1. Überparteilichkeit: Politikerinnen aller Parteien fordern ihre Parteien auf, Frauen aktiv zu suchen und auf gute Listenplätze zu setzen – „nicht hinten, um Stimmen zu sammeln, sondern vorne mit echten Chancen“.
  2. Ranking: Parteien werden öffentlich bewertet, wie viele Frauen sie nominieren. 2023 schloss Graf Wetten mit Parteipräsidentinnen und -präsidenten ab, die höhere Frauenanteile versprachen – dokumentiert mit Handschlag und Foto.
  3. Empowerment: Kandidatinnen erhalten Schulungen zu Medienarbeit, Auftrittskompetenz und sozialen Medien sowie Wahlkampftipps wie „Frauen doppelt auf den Zettel schreiben“.

Demokratisches Muss

Wie Graf abschließend erläuterte, sei die Parität ein demokratisches Muss: „Wenn die Hälfte der Bevölkerung gleich vertreten ist, wird Demokratie gestärkt – gerade in Krisenzeiten.“ Parteien sollten Frauen früh fördern, da Männer durch Netzwerke und 54 Jahre Vorsprung im Wahlrecht bevorteilt seien. Die Nationalrätin ermutigte die bayerischen Kolleginnen, eine eigene „Bavaria ruft“-Bewegung zu starten: „Bleiben Sie dran – wir sind die Hälfte der Bevölkerung!“

DK

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