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(GZ-11-2022)
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► Ministerrat beschließt Bayerischen Energieplan:

 

Vorfahrt für regenerative Energien

Die bayerische Staatsregierung will den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis zum Jahr 2030 verdoppeln. Wie Ministerpräsident Dr. Markus Söder nach einer Kabinettssitzung betonte, könne die Energiewende nur mit und nicht gegen den Bürger gelingen. Gleichzeitig wiederholte er seine Forderung, die Laufzeit von Atomkraftwerken zu verlängern. Zuvor hatte die Staatsregierung einen Energieplan für Bayern beschlossen, der auch dem Bund vorgelegt werden soll.

In der Pressekonferenz im Prinz-Carl-Palais informierten v.l. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, Ministerpräsident Dr. Markus Söder und der Leiter der Staatskanzlei, Staatsminister Dr. Florian Herrmann über die Ergebnisse der Kabinettssitzung. Bild: Staatskanzlei
In der Pressekonferenz im Prinz-Carl-Palais informierten v.l. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, Ministerpräsident Dr. Markus Söder und der Leiter der Staatskanzlei, Staatsminister Dr. Florian Herrmann über die Ergebnisse der Kabinettssitzung. Bild: Staatskanzlei

Wie Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger im Ministerrat darlegte, habe sich vor dem Hintergrund des Angriffs Russlands auf die Ukraine eine völlig neue Situation auch im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und die künftige Energieversorgung Bayerns ergeben. Auf dem Weg hin zu einem klimaneutralen Bayern 2040 gelte es, so viel Strom wie möglich in Bayern zu erzeugen und damit eine größere Unabhängigkeit von Energieimporten zu erhalten. Der Ausbau erneuerbarer Energien und der Einsatz von Wasserstoff sei die Zukunft. Jetzt müssten alle Weichen gestellt werden, damit Bezahlbarkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit ganz oben auf der Energie-Tagesordnung stehen.

Gasspeicher Haidach und Laufzeit Kernkraft

Erforderlich ist laut Bayerischem Energieplan eine deutlich weitere Diversifizierung von Energieimporten und Stromproduktion. So muss der Bau der nötigen LNG-Terminals nach dem Beschluss des Bundeskabinetts vom 10. Mai 2022 nun zügig vorangetrieben werden. Der für Bayern sehr wichtige Gasspeicher Haidach in Österreich sei zügig aufzufüllen. „Die Bundesregierung muss hier zusammen mit der Republik Österreich Einflussmöglichkeiten auf die Betreiber schaffen, um eine zügige Befüllung des auch für Österreich wichtigen Speichers zu gewährleisten“, heißt es. Neben der kritischen Überprüfung der geplanten wie auch der bereits erfolgten Stilllegungen von Kohlekraftwerken wird zudem eine befristete Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke als sinnvoll erachtet.

Wasserstoff

Beim Wasserstoff hat sich Bayern mit dem Wasserstoffbündnis, der Bayerischen Wasserstoffstrategie, den IPCEI-Projekten und dem WTAZ Pfeffenhausen und Gesamtinvestitionen in Höhe von rund 450 Millionen Euro in den kommenden Jahren bereits stark engagiert. Für einen Durchbruch wird vom Bund der Einsatz für den Anschluss Bayerns an das deutsche und europäische Wasserstoffnetz bis 2030 benötigt. Da der Süden Deutschlands auch über den Süden Europas angeschlossen werden sollte, dringt Bayern auf die Reaktivierung und Umnutzung vorhandener Pipelines sowie dem Neubau einer eigenen Pipeline aus Italien. Zudem will der Freistaat auch eine eigene Wasserstoffproduktion zur Versorgung seiner Industrie aufbauen und erwartet, dass die Förderung von Wasserstoffinfrastruktur nicht regional begrenzt nur im Norden erfolgt.

Mit der Energiewende ändern sich die Standorte der Stromerzeugung. Der Ausbau des Stromnetzes ist daher für Bayern überragend wichtig. Neben einem beschleunigten Leitungsbau trage der Zubau gesicherter Leistung durch ein zeitgemäßes Strommarktdesign entscheidend zur Versorgungssicherheit bei, so die Staatsregierung. Wesentlich sei, nicht nur den Strom, sondern auch die Bereitstellung von gesicherter Leistung zu honorieren.

Der Ukraine-Krieg hat der Energiepreisspirale noch einmal zusätzlichen negativen Schwung verliehen. Bürger und Unternehmen müssten vor dieser kaum mehr tragbaren Kostenbelastung geschützt werden. Bayern tritt daher für eine umfassende Energiepreisbremse ein. Neben den beiden Entlastungspaketen des Bundes werden zusätzlich vor allem eine Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß noch im Jahr 2022, Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zu den Netzentgelten in Höhe von mindestens zwei Milliarden Euro, wie im Kohleausstiegsgesetz zugesagt, sowie ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz auf Erdgas, Elektrizität und Fernwärme gefordert. Darüber hinaus sei eine zeitnahe Umsetzung der beschlossenen temporären Absenkung der Energiesteuern auf Kraftstoffe ebenso erforderlich wie eine Senkung der Energiesteuern auf Heizöl und Erdgas.

„Der Schlüssel zum besten Ertrag beim Ausbau der Erneuerbaren Energien liegt in den regionalen Stärken und der Eigenverantwortung der Länder“, heißt es weiter. In Bayern stammten bereits mehr als 52 Prozent der Stromerzeugung aus regenerativen Quellen. Mit 13,0 TWh und 11,1 TWh leisteten die Photovoltaik und die Wasserkraft den größten Beitrag, gefolgt von der Biomasse mit 10,1 TWh und der Windenergie mit 4,9 TWh. Bis 2030 soll die Stromerzeugung mit regenerativen Energien in Bayern verdoppelt werden.

Für alle Erneuerbaren Energien ist laut Staatsregierung eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren nötig. Dazu müsse der Bund schnellstmöglich eine umfassende materiell- und verfahrensrechtliche Anpassung des Bundesrechts auf den Weg bringen und – wo erforderlich – sich für eine Veränderung der entsprechenden europarechtlichen Vorgaben einsetzen.

Um die Rahmenbedingungen für kommunales und bürgerschaftliches Engagement vor Ort zu verbessern, fordert der Freistaat eine Erhöhung der finanziellen Beteiligung der Kommunen von derzeit 0,2 ct/kWh. Außerdem sollten erweiterte Beteiligungsmöglichkeiten für Anwohner geprüft werden. Auch seien bei der neuen Definition von Bürgerenergiegesellschaften kommunale Tochtergesellschaften zu berücksichtigen.

Nach den Worten von Energieminister Aiwanger unterstützt der Freistaat im Bereich Photovoltaik mit eigenen Programmen erfolgreich die EEG-Förderung des Bundes. In das Bayerische PV-Speicherprogramm wurden 100 Millionen Euro investiert, um 100.000 Anträge für Speicher in den Haushalten zu fördern. „Der Bund sollte daher ein eigenes PV-Speicherprogramm nach dem erfolgreichen bayerischen Vorbild auflegen. Erhöht haben wir die Kontingente für PV-Freiflächenanlagen in benachteiligten Gebieten von 70 auf 200 mögliche neue Anlagen pro Jahr. Wir planen auch die Errichtung von PV-Anlagen auf allen geeigneten staatlichen Gebäuden und bereiten ein Projekt mit Agri-PV, das die Nahrungsmittel- und Energieproduktion auf Feldern kombiniert, auf den Bayerischen Staatsgütern vor“, erklärte Aiwanger.

Zur Stärkung des Solarenergieausbaus brauche es aber auch die Unterstützung durch den Bund. Bei der Agri-PV bedürfe es bei der geplanten Aufnahme in die regulären EEG-Ausschreibungen eines eigenen Ausschreibungssegmentes, da diese Anlagen ansonsten in der Regel nicht wettbewerbsfähig gegenüber konventionellen Anlagen seien. Agri-PV-Anlagen sollten der landwirtschaftlichen und nicht der gewerblichen Besteuerung unterliegen. Die unverhältnismäßige Flächenbegrenzung bei Floating-PV durch die Vorgaben im Wasserhaushaltsgesetz seien anzupassen, um einen Markthochlauf zu ermöglichen. Die im Gesetzentwurf des Bundes vorgesehene Ausnahme von der Ausschreibungspflicht für Freiflächen-PV-Anlagen bis 6 MW, die als Bürgerenergie-Anlagen errichtet werden, sollte auch für entsprechende Dach-PV Anlagen gelten.

Bayern ist nicht nur Sonnen-, sondern auch Wasserland. Dabei soll es auch in Zukunft bleiben. Das Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz werden daher Ausbaumöglichkeiten der Wasserkraft an bestehenden Querbauwerken in ganz Bayern überprüfen. Grundlage sind dafür die vom Umweltministerium ermittelten 30 potenziellen Standorte für neue Anlagen an vorhandenen Querbauwerken. Ziel ist, mit diesen Standorten insgesamt ein zusätzliches Potential von 18 MW Leistung und rund 160 GWh Stromproduktion jährlich zu erschließen.

Bayern ist Wasserkraftland

Um das gesamte Potenzial der Wasserkraft insgesamt noch besser auszuschöpfen, ist nach Ansicht der Staatsregierung aber vor allem auch der Bund gefordert: So müsse die Ungleichbehandlung der Wasserkraft im Osterpaket aufgehoben werden. Rund die Hälfte der deutschen Wasserkraftanlagen stehe in Bayern. Der Wegfall der Förderung kleiner Wasserkraftanlagen bis 500 kW gefährde den Weiterbetrieb von rund 4.000 Wasserkraftanlagen im Freistaat. Anstelle einer pauschalen Aufhebung der Förderung plädiert der Freistaat für eine bessere Vergütung für kleine Wasserkraftanlagen. Es gelte, die Degression, d.h. die laufende Senkung der Vergütung bei Wasserkraftanlagen, abzuschaffen und darüber hinaus für wirtschaftlich attraktive Bedingungen für den Pumpspeicherbau und -betrieb zu sorgen.

Beim Thema Windenergie betonte der Energieminister: „Wir brauchen einen dynamischen Ausbau der Windkraft in Bayern, dürfen aber auch die Akzeptanz der Bürger auf diesem Weg nicht aus den Augen verlieren. Daher haben wir uns in der Koalition geeinigt, die 10 H-Regelung zu erhalten, sie aber an entscheidenden Stellen zugunsten der Windkraft zu reformieren.“

Laut Aiwanger „wollen wir eine Reihe von Ausnahmetatbeständen verankern, bei denen der Mindestabstand auf 1.000 Meter reduziert wird. Geplant sind Ausnahmen für das Repowering, für Anlagen in Waldgebieten, für regionalplanerisch und kommunal für Windenergie ausgewiesene Flächen sowie für sogenannte vorbelastete Gebiete, Truppenübungsplätze und für Anlagen im Umgriff von Industrie- und Gewerbegebieten insbesondere zur Stromversorgung von anliegenden Betrieben. Mit diesen Reformen der 10 H-Regel und den Vorgaben in der Landesplanung können wir ein Flächenpotential für Windkraftanlagen in der Größenordnung von bis zu 2 Prozent der Landesfläche aktivieren.“

Bund muss Hemmnisse für die Windkraft beseitigen

Damit mehr als 1.000 neue Windenergieanlagen in den nächsten Jahren entstehen können, sei aber auch Berlin gefordert, die bundesweit bestehenden Hemmnisse für die Windkraft zu beseitigen. Aiwanger nannte hier beispielhaft die immer noch ausstehende beihilferechtliche Genehmigung der Südquoten bei den Ausschreibungen, die zügige Umsetzung der angekündigten Verbesserungen bei den nötigen Abständen zu Drehfunkfeuern und Wetterradaren sowie den Abbau von bundesgesetzlichen Konflikten zwischen dem Natur- und Artenschutz einerseits und dem notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien andererseits.

Klare Stärken hat Bayern bei der Bioenergie „und wir unterstützen die Betreiber nach Kräften zum Beispiel durch das Förderprogramm BioKlima für Biomasseheizwerke“, fuhr der Minister fort. Damit mehr Anlagen wirtschaftlich betrieben werden können, brauche es aber Verbesserungen vom Bund. „So muss das bisherige Ausschreibungsvolumen für Biomasse beibehalten werden, um die Anlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme im Markt zu halten. Auch braucht es die Einführung einer Förderung für Anlagen zur Einspeisung von Biomethan ins Gasnetz. Der Mindeststeuersatz für Biokraftstoffe, die in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt werden, muss erhalten werden.“

Bei der Geothermie hat sich Bayern zum Ziel gesetzt, aus dieser Energiequelle bis zum Jahr 2050 rund 25 Prozent des bayerischen Wärmebedarfs im Gebäudesektor zu decken. Hierfür bedarf es laut Aiwanger jedoch ebenfalls deutlich verbesserter Rahmenbedingungen durch den Bund, wie zum Beispiel des raschen Inkrafttretens einer angemessenen Mittelausstattung und einer langfristigen Perspektive der Bundesförderung für effiziente Wärme und der Auflage eines bundesweiten Masterplans Geothermie.

„Um zukünftig eine sichere, bezahlbare und nachhaltige Versorgung mit Energie in Bayern sicherzustellen, haben wir bereits vieles auf den Weg gebracht. Bayern ist und bleibt Vorreiter bei der Energiewende“, bilanzierte Aiwanger. „Auch bei der Windkraft, die bisher in Bayern noch unter ihren Möglichkeiten geblieben ist, werden wir mit den nun gemeinsam beschlossenen Eckpunkten für einen weiteren Ausbau unter Beachtung der Akzeptanz vor Ort einen großen Schritt vorankommen.“

DK

 

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