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(GZ-8-2022)
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► ORH-Jahresbericht 2022:

 

Zwischen Pandemie und Schuldenbremse

Auch für das Haushaltsjahr 2020 bestätigt der Bayerische Oberste Rechnungshof der Staatsregierung eine insgesamt geordnete Haushalts- und Wirtschaftsführung, wie aus dem Jahresbericht 2022 hervorgeht. Die Einnahmen des Jahres 2020 fielen geringer aus als geplant, waren aber noch geringfügig höher als die Ausgaben.

Neben den niedrigeren Steuereinnahmen war dies überwiegend auf die Soll-Ist-Abweichung bei der Schuldenaufnahme zurückzuführen, da für den Sonderfonds Corona-Pandemie anstelle der geplanten 20 Milliarden Euro tatsächlich 7,2 Milliarden Euro neue Kredite aufgenommen wurden. Die Haushaltssicherungsrücklage sank auf 8,6 Milliarden Euro. Der komplette Finanzierungsrahmen 2020 von 78,0 Milliarden Euro setzte sich aus Kreditermächtigungen von 40,0 Milliarden Euro, Gewährleistungsermächtigungen von 26,0 Milliarden Euro und einem Bürgschaftsrahmen von 12,0 Milliarden Euro zusammen.

Kritik am Umgang mit staatlichen Geldern

Mit dem aktuellen Jahresbericht hat der ORH unter anderem 20 Prüfungsergebnisse aus verschiedenen Geschäftsbereichen der Staatsregierung vorgelegt. Der Umgang mit staatlichen Geldern wurde in einer Reihe von Bereichen und Ressorts kritisiert.

Stichwort Neuverschuldung und Corona-Kredite: Der ORH hinterfragt erneut, ob die Neuverschuldung wegen Corona im geplanten Umfang tatsächlich erforderlich ist und ob wirklich nur Dinge damit finanziert werden, die mit der Krise direkt in Zusammenhang stehen. „Der ORH erkennt die Notwendigkeit und Dringlichkeit von Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie grundsätzlich an, wobei es einen unmittelbaren Verfassungszusammenhang zwischen der Nettokreditaufnahme und der Notlage geben muss“, heißt es in dem Bericht. Eine Ausnahme von der Schuldenbremse sei für Corona-Maßnahmen „grundsätzlich zulässig“. Ungeachtet dessen seien alle Möglichkeiten zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme in Betracht zu ziehen, „da die Grundsätze von Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten sind“.

Zweckentfremdung der Mittel für Pflegekräfte

Ein weiterer Kritikpunkt: 133 Millionen Euro wandte die Staatsregierung zu Beginn der Corona-Krise, von April bis Mai 2020, zur Verpflegung und auch als Anerkennung von Beschäftigten etwa von Krankenhäusern auf. Wesentliche Teile davon wurden jedoch zweckwidrig verwendet, stellte der ORH fest. In mehr als einem Drittel der geprüften Fälle seien die Leistungen nicht den Beschäftigten zugutegekommen, sondern bei den Einrichtungen verblieben.

Da bei dieser Hilfeleistung elementare haushaltsrechtliche Grundsätze außer Acht gelassen wurden, empfiehlt der ORH der Verwaltung, die gewährten Leistungen nun endlich zu überprüfen und gegebenenfalls zurückzufordern.

Finanzierungsstau

Mit 600 Millionen Euro jährlich fördert der Freistaat den kommunalen Bau von Schulen, Kindertageseinrichtungen und sonstigen öffentlichen Einrichtungen. Der ORH stellte jedoch fest, dass zahlreiche Förderverfahren nicht anhand der Vorgaben und damit zu lax angegangen wurden. Deswegen übersteigt das Volumen für kommunale Maßnahmen, die erstmals gefördert wurden, die im Haushaltsplan vorgesehenen Ansätze massiv. Allein in den letzten beiden Jahren hat sich dadurch ein enormer Finanzierungsstau aufgebaut, den das Finanzministerium selbst auf 350 Millionen Euro beziffert.

Zur Stärkung der Region hat das Landwirtschaftsministerium das Steigerwald-Zentrum und den Baumwipfelpfad Steigerwald gefördert. Die Umsetzung der beiden Projekte führte zu deutlich höheren finanziellen Belastungen als geplant und – trotz staatlicher Förderungen – zu Defiziten in Millionenhöhe. Der ORH empfiehlt deshalb eine umfassende Evaluierung und grundlegende konzeptionelle Neuausrichtung beider Einrichtungen.

Die Mittel zur Verbesserung der Studienbedingungen betragen inzwischen fast 200 Millionen Euro jährlich; sie werden seit Jahren nicht mehr entsprechend der oft sehr unterschiedlichen Entwicklung der Studierendenzahlen jeder Hochschule ausgereicht. Dabei waren diese staatlichen Studienzuschüsse dazu gedacht, die zum Wintersemester 2013/14 entfallenen Studienbeiträge auszugleichen, die Studierende an ihre Hochschule zu zahlen hatten. Der ORH empfiehlt daher, bei der Verteilung der Studienzuschüsse künftig die Entwicklung der jeweiligen Studierendenzahlen und den daraus resultierenden Bedarf der einzelnen Hochschulen zu berücksichtigen.

Zielsetzung der BayernHeim GmbH

Der Freistaat gründete 2018 die BayernHeim GmbH mit dem Ziel, dass diese 10.000 Mietwohnungen bis 2025 für untere und mittlere Einkommensgruppen vorrangig auf staatlichen Grundstücken neu schafft. Die BayernHeim GmbH hat mehr als drei Jahre nach Gründung noch keine Wohnung selbst neu geschaffen. Stattdessen hat sie nur wenige Wohnungen erworben, die ohnehin errichtet worden wären. Mit dem Ankauf von Wohnungen, die bereits den Bestimmungen der staatlichen Wohnraumförderung unterliegen, verfehlt die BayernHeim GmbH ihre Zielsetzung, Wohnraum neu zu schaffen.

Nachfolgenutzung für Kloster-Pavillon

Für die Landesausstellung 2018 wurde im Garten des Klosters Ettal für knapp 600.000 Euro ein Pavillon in Holzbauweise errichtet. Eine Nachfolgenutzung war beabsichtigt, konnte aber bis heute nicht realisiert werden. Im Interesse einer effizienten Verwendung der eingesetzten staatlichen Mittel empfiehlt der ORH allen beteiligten Stellen des Staates, dazu zeitnah gemeinsam mit der Abtei Lösungsansätze zu entwickeln.

Teure elektronische Zahlungsabwicklung

58 Cent kostete von 2017 bis 2020 im Durchschnitt jeder Euro, den der Freistaat elektronisch für staatliche Verwaltungsleistungen eingenommen hat – das ist die bisherige ernüchternde Bilanz dieser elektronischen Zahlungsabwicklung. Der ORH stellte fest, dass dabei in diesem Zeitraum nur 2,7 Millionen Euro elektronisch eingenommen wurden; die Kosten betrugen 1,6 Millionen Euro. Insgesamt belaufen sich die Kosten für das seit 2007 sehr schleppend umgesetzte staatliche ePayment-System auf mittlerweile 3,5 Millionen Euro. Bisher bieten insgesamt nur sechs Behördenzweige diese internetgestützte Bezahlmöglichkeit in ihren Webseiten oder Webshops an. Das Potenzial des ePayments wird damit bei weitem noch nicht ausgeschöpft, meint der ORH.

Mängelliste beim Maßregelvollzug

Der Maßregelvollzug soll die Besserung und Sicherung von bestimmten Straftätern in psychiatrischen Krankenhäusern und Entziehungsanstalten gewährleisten. Der Freistaat erstattet dafür den sieben Bezirken als Trägern des Maßregelvollzugs über jährlich vereinbarte Budgets von inzwischen über 300 Millionen Euro die notwendigen Kosten. Ab 2015 sollte das eigens neu gegründete Amt für Maßregelvollzug (AfMRV) diese Kosten transparenter machen. Dies ist bis heute aber allenfalls in Ansätzen geglückt: Fehlende Analysen zu mittlerweile weiter massiv steigenden Kosten, verspätete Prüfungen von Kostennachweisen, unterlassene Festlegungen zu Qualitätsstandards und zum Personalbedarf – all das umfasst die Mängelliste, die der ORH dem Sozialministerium zum Wirken des AfMRV vorlegte.

Füracker: Investitionen in Zukunftsfelder

„Die Vorgehensweise der Staatsregierung ist fundiert und nachvollziehbar“, erklärte Finanzminister Albert Füracker. Die ergriffenen Maßnahmen und jeder ausgegebene Euro seien notwendig gewesen, um die Pandemie zu bekämpfen, die massiven Auswirkungen für die Wirtschaft abzufedern, Arbeitsplätze zu sichern und die Menschen zu unterstützen. Insbesondere Investitionen in Zukunftsfelder der Wissenschaft und Forschung, wie die zusätzlichen Maßnahmen der Hightech-Agenda Plus, seien hierbei ein tragender Baustein.

DK

 

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