Nach Angaben der Staatsregierung ist das Lüften nach übereinstimmender Aussage aller Experten ein wesentliches Element zur Reduzierung der Virenlast in Innenräumen. Mobile Luftfilter könnten das bewährte Quer- und Stoßlüften dabei sinnvoll ergänzen. Welche Gerätetypen förderfähig sind, legt das Landesamt für Gesundheit fest. Die Beschaffungskosten werden mit bis zu 50 Prozent vom Freistaat gefördert. Auch bereits geförderte Träger können für weitere Räume erneut Mittel beantragen. Der Förderzeitraum beginnt rückwirkend zum 1. Mai 2021. Anträge können bis zum 31. Dezember 2021 gestellt werden.
(Zu) hohe Erwartungen
In einer ersten Einschätzung wies der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Oberbürgermeister Markus Pannermayr, darauf hin, dass die Ankündigung bei Eltern-, Schüler- und Lehrerschaft zu hohe Erwartungen wecke. Zum einen sei nach wie vor nicht geklärt, welchen Beitrag mobile Lüftungsgeräte im Sinne des Infektionsschutzes tatsächlich leisten können. Dies sei aber die entscheidende Frage. Zudem sei höchst fraglich, ob sich bis zum Schuljahresbeginn alle insgesamt rund 100.000 Klassenzimmer und 52.000 Kita-Räume in Bayern mit Lüftungsgeräten ausstatten lassen.
Konkrete Angaben zur Höhe der Kosten, zum möglichen Zeitrahmen und zur Ausgestaltung des angedachten Förderprogramms seien leider noch nicht getroffen worden, betonte Pannermayr. Die Kommunalpolitik in den Rathäusern begleite die Versprechen der Staatsregierung mit Skepsis, denn es stellten sich viele Fragen für die Praxis:
Welche Vergaberichtlinien gelten? Sind mobile Geräte tatsächlich für eine effiziente Luftreinigung geeignet, zumal sie das Lüften nicht ersetzen können? Besteht die Gefahr, mobile Lüftungsgeräte zu erwerben, die sich im Betrieb ab Herbst 2021 für den Einsatz gegen Viren und Aerosole als ungeeignet erweisen? Wer übernimmt die erheblichen Folgekosten für Gerätewartung und -pflege?
Gefahr von Fehlkäufen
Der Austausch mit zahlreichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern, so der Städtetagschef, habe gezeigt, dass die Kommunen nicht Gefahr laufen wollen, auf die Schnelle Lüftungsgeräte zu erwerben, die sich letztlich als zu teuer oder zu wenig effektiv für die Lufthygiene erweisen. Die Gefahr von Fehlkäufen unter Zeitdruck und unter den Marktbedingungen von steigender Nachfrage sei erheblich. Mit einem noch nicht klar definierten Förderprogramm des Freistaats würden die Kommunalpolitiker unter Druck gesetzt.
So kritisiert Elmar Stegmann, Lindauer Landrat und Vorsitzender der schwäbischen Landräte: „Wenn die Luftreinigungsgeräte einen hohen Schutz für die Schüler und Lehrer bieten, so darf über eine Anschaffung nicht diskutiert werden. Für meine schwäbischen Landratskolleginnen und -kollegen und mich sind aber noch viele Fragen offen und bei einem so hohen Einsatz von Steuergeldern müssen diese vorab geklärt sein. Allein im Landkreis Lindau kostet die weitere Ausstattung der Klassenzimmer mit Luftreinigungsgeräten etwa 800.000 Euro und ich befürchte, dass der flächendeckende Einsatz solcher Geräte nur Kosmetik ist, die fast nichts bringt.“
Zu wenig hinterfragt sei nach derzeitigem Kenntnisstand der tatsächliche Nutzen von Luftreinigungsgeräten bei der Pandemiebekämpfung, stellt Stegmann fest. Denn der Einsatz solcher Geräte verhindere nicht per se eine Infektion oder Quarantäne. Vielmehr müsse jeder Einzelfall vom zuständigen Gesundheitsamt genau geprüft werden. Die Erfahrung der vergangenen Monate zeige, „dass ein Luftreinigungsgerät Lehrern, Eltern und Schülern eher ein falsches Gefühl von Sicherheit vermittelt als tatsächlichen Nutzen zu bringen“.
„Die Frage ist, ob die Geräte in einem voll besetzten Klassenzimmer Viren in einem Umfang filtern, der wirklichen Schutz für die Kinder und Lehrkräfte bietet“, meint Stegmann. „Denn laut Untersuchungen sind ein regelmäßiges Lüften und der Einsatz von CO2-Messgeräten weitaus zielführender, da die mobilen Luftreinigungsgeräte die Luft lediglich umwälzen. Sie sind darüber hinaus wenig klimafreundlich, laut und die Luftfilter, die regelmäßig gewechselt werden müssen, produzieren nicht nur Wartungs- und Folgekosten, sondern gelten auch als Sondermüll. Außerdem müssten Kommunen mit vielen Schulen in ihrer Trägerschaft einen so großen Auftrag europaweit ausschreiben und eine solche Ausschreibung kann aufgrund der vorgegebenen Fristen nicht in der Kürze der Zeit umgesetzt werden.“
Eignung und Standards für bestmöglichen Schutz
Aus Pannermayrs Sicht wäre es notwendig gewesen, bereits im Vorfeld mit den Sachaufwandsträgern in den Kommunen den engen Kontakt zu suchen, um die Fülle ungeklärter Fragen zu besprechen. Vor allem hätte deutlich früher geklärt werden müssen, welche Geräte geeignet sind und welche Standards nötig sind, um möglichst guten Schutz für Lernende und Lehrende zu gewährleisten. „Dann hätte es auch eine realistische Chance gegeben, die Geräte bis zum Beginn des neuen Schuljahres verfügbar zu haben.“
Auch Gemeindetagspräsident Dr. Uwe Brandl kritisierte die Entscheidung der Staatsregierung. In einem Bayern 2-Interview verwies er darauf, dass noch nicht alle Fakten zu dem Thema auf dem Tisch lägen und trotzdem über den Kauf entschieden worden sei. Die Kommunen seien von der Entscheidung „überrumpelt“ worden. „Mit uns hat keiner gesprochen.“ Aus Brandls Sicht würde die Staatsregierung nicht 50 Prozent der Kosten übernehmen, denn hinzukommen würden Kosten für Berater, Installation und Wartung. Vor allem aber gebe es noch keine gesicherten Beweise für die Wirkung von Luftfiltern auf Viren.
DK
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