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(GZ-8-2020)
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► Difu-Empfehlungen:

 

Wie Städte gesünder werden

 

Wie sollte eine gesundheitsfördernde und gleichzeitig nachhaltige Stadt- und Quartiersentwicklung aussehen? Dieser Frage ging die am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) angesiedelte „Arbeitsgruppe Gesundheitsfördernde Gemeinde- und Stadtentwicklung“ (AGGSE) nach. Deren Diskussionsergebnisse wurden nun als „Empfehlungen für eine gesundheitsfördernde und nachhaltige Stadtentwicklung“ in Form von fünf Thesen veröffentlicht.

These 1: Der gesellschaftliche Wandel ist eine große Herausforderung auf dem Weg zu einer gesundheitsfördernden Kommunalpolitik. Viele Menschen entwickeln als Folge veränderter Lebens-, Arbeits- und Wohnbedingungen neue, tragfähige Lebensmuster. Doch dies gelingt längst nicht allen. Entsolidarisierung, soziale Ausgrenzung, Isolation und Gewalt sind Schlagworte für gesundheitsabträgliche Entwicklungen, die auch als Ausdruck einer tiefen sozialen Spaltung interpretierbar ist.

In diesem Kontext kommt der Kommunalpolitik eine tragende Rolle bei der Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebenswelten (Settings) zu, da sie als steuernder und planender Akteur im Zuge der Daseinsvorsorge gesundheitsfördernde Prozesse anregen und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickeln und umsetzen kann.

These 2: Wollen Städte gesundheitsförderliche Lebensverhältnisse schaffen, stehen soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und Partizipation im Fokus des Handelns. In deutschen Großstädten ist eine ansteigende Konzentration von Armut in einzelnen Stadtteilen zu beobachten. Durch die Aufwertung innerstädtischer Quartiere und steigende Mieten werden Haushalte mit niedrigem Einkommen zunehmend gezwungen, in Stadtrandlagen auszuweichen (Gentrifizierung).

Die räumliche Konzentration verstärkt die negativen Auswirkungen von Armut, so auch bezogen auf die gesundheitliche Lage der Bewohner. Vor allem durch wohnungspolitische Maßnahmen und eine verstärkte Sozialraumorientierung als verbindliche Grundlage für ressortübergreifende Planungen sollte der sozialen Segregation entgegengewirkt werden.

In vielen Städten sind Menschen in einzelnen Quartieren und Wohnlagen Mehrfachbelastungen durch ökologische und soziale Probleme ausgesetzt. Diese Belastungen können zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Daher ist es eine wichtige Aufgabe der Kommunen, mehr Umweltgerechtigkeit zu schaffen und Umwelt-/Klimaschutz, Gesundheitsförderung und soziale Gerechtigkeit mit integrierten Ansätzen zu verfolgen.

Zunehmende Urbanisierung sowie sich weiter verändernde Produktionsabläufe und Lebensstile gehen mit wachsenden Mobilitätsbewegungen einher. Städte müssen hierfür nachhaltige und inklusive Mobilitätssysteme schaffen, die den Umweltverbund (Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV) priorisieren, das Aufkommen des motorisierten Individual- und Güterverkehrs reduzieren und damit die Emission von Luftschadstoffen, Treibhausgasen und Lärm senken.

Wichtig sind auch der Erhalt und die Entwicklung urbaner Grün- und Freiräume als Orte der Bewegung, Erholung, Naturerfahrung und sozialen Begegnung. Solche Räume erfüllen für Städte zudem wesentliche bioklimatische und ökologische Funktionen. Und schließlich gehört zu einer nachhaltigen gesundheitsfördernden Stadtentwicklung, dass sich alle Menschen – unabhängig von ihrem Einkommens-, Bildungs- und Sozialstatus – aktiv an Planungs- und Entscheidungsprozessen beteiligen können.

These 3: Gesundheitsfördernde Stadtentwicklung benötigt integrierte Leitbilder, Handlungsansätze und Strategien. Auch die Bereiche Stadtentwicklung und Stadtplanung, Umwelt und Grün, Verkehr und Mobilität sind gefragt, die örtlichen Lebensverhältnisse zu verbessern und damit zur Gesundheit beizutragen. Hier werden übergreifende Strategien und Maßnahmen benötigt, für die das Gesunde-Städte-Netzwerk, das Städtebauförderprogramm Soziale Stadt sowie die Strategie Umweltgerechtigkeit gute Beispiele sind.

These 4: Nachhaltige kommunale Gesundheitsförderung braucht eine hinreichende soziale, technische und grüne Infrastruktur. Diese Infrastrukturen tragen dazu bei, dass alle Menschen in einer Kommune gesund und ökologisch verträglich leben können. Die Kommunen haben hierbei einen eigenen großen Gestaltungsspielraum. Damit sie diesen Spielraum nutzen können, müssen die finanziellen Ressourcen der Kommunen dauerhaft und kontinuierlich gestärkt werden.

Gesundheitseinrichtungen zur Diagnostik und Behandlung wie Krankenhausversorgung, ambulante Versorgung mit Ärztinnen und Ärzten sowie Therapie- und Pflegeangeboten gehören mit zur Daseinsvorsorge, bedürfen aber stärkerer Verzahnung z.B. durch Gesundheitszentren. Sie können auf der kommunalen Ebene wirkungsvoll durch den Aufbau und die Förderung von Selbsthilfestrukturen und sozialraumorientierte Vernetzung ergänzt werden.

These 5: Gesundheitsfördernde Politik in den Städten muss global denken, um im lokalen Handeln globalisierten Verhältnissen gerecht zu werden. Gesundheitsfördernde Kommunalpolitik darf jedoch keine „Kirchturmpolitik“ sein. Globalisierte Herausforderungen finden ihren Ausdruck in einer veränderten globalen Verbreitung von lebensbedrohlichen Infektionen sowie im weltweiten Klimawandel und seinen Folgen. Die Städte sollten sich künftig in globalen Bündnissen für eine nachhaltige Politik der Gesundheitsförderung einsetzen.

DK

 

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