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(GZ-23-2018)
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► Was Hubert Aiwanger sich alles vorgenommen hat:

 

Bayerns Wirtschaftsminister setzt auf Praxisnähe

Schwerpunkte: Energiewende, Mobilfunk und regionale Förderung

 

Hubert Aiwanger. Bild: StMWi/V Ellerkmann
Hubert Aiwanger. Bild: StMWi/V Ellerkmann

Nach erst gut einer Woche im Amt, hat der neue bayerische Wirtschaftsminister Huber Aiwanger drei Schwerpunkte für seine Arbeit in der nächsten Zukunft verkündet: die Energiewende in Bayern voranzutreiben, die Mobilfunkversorgung im Freistaat zu verbessern und die regionale Wertschöpfung zu erhöhen. Der Chef der Freien Wähler, der in seiner ersten Pressekonferenz als Kabinettsmitglied seinem Vorgänger Franz Josef Pschierer bescheinigte, das Ministerium in einem guten Zustand übergeben zu haben, zeigte sich bei den anstehenden Themen gut eingearbeitet und praxisnah.

Aiwanger kündigte etliche Förderprogramme an. Im nächsten Jahr will er einige Auslandsreisen unternehmen, unter anderem nach China.

Programmatische und vernetzte Politik

Das Wirtschaftsministerium biete in der ganzen Aufgabenbreite eine Palette an Themen mit vielen Schnittpunkten zu anderen Ministerien, die er durchaus nutzen wolle. Abgrenzung sei nicht sein Weg, sagte er. Ihm gehe es um programmatische und vernetzte Politik. Er wolle aus Bayern heraus in Deutschland mehr bewegen. Der Erfolg werde sich an der Zufriedenheit der Bürger zeigen.

Mit dem bayerischen Mobilfunkprogramm, das noch von seinem Vorgänger aufgelegt, aber „auf Bundesebene verschlafen“ wurde, sollen die sogenannten weißen Flecken oder Funklöcher im Freistaat beseitigt werden. Die EU-Kommission hat in diesen Tagen dieses Programm genehmigt. Seit 20. 11.
gibt es dazu die Homepage www.mobilfunk.bayern.de.

Förderung der passiven Infrastruktur

Die Staatsregierung wird den Aufbau der passiven Infrastruktur (Masten, Fundamente, Leerrohre) fördern, die Mobilfunkbetreiber sollen die Standorte mieten und die aktive Technik (moderne LED-Sendeanlagen) installieren. Zur Errichtung der Infrastruktur sieht das Wirtschaftsministerium zwei Möglichkeiten vor. Entweder errichtet die Gemeinde den Masten und vermietet ihn an die Mobilfunkbetreiber (Bauauftragsvariante), oder die Gemeinde vergibt eine Konzession an ein Unternehmen, das den Standort einrichtet und vermietet (Baukonzessionsvergabe). In jedem Fall werden die förderfähigen Kosten bis zu 80 % bezuschusst, bei Gemeinden „mit besonderem Handlungsbedarf“ sogar mit 90 %. Die förderfähigen Kosten müssen mindestens 25.000 Euro betragen.

Der Förderhöchstbetrag beträgt 500.000 Euro pro Gemeinde, bei interkommunaler Zusammenarbeit erhöht sich die Fördersumme pro Gemeinde um 50 000 Euro. Die Anträge zur Förderung können auf der Internetseite gestellt werden. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, dass Netzbetreiber die Masten des staatseigenen Behördenfunks (BOS) „ertüchtigen“, was ebenfalls zu 80 % gefördert wird. Das Ziel sei die Errichtung von 1.000 Masten.

Parallel dazu hätten auf Drängen der Politik die Netzbetreiber seit Jahresbeginn schon mehr als 100 neue Masten errichtet und mehr als 800 bestehende mit besserer Technik ausgerüstet.

Aiwanger kann sich vorstellen, dass Funkmasten entlang von Bundesstraßen und Bahnstecken aufgestellt werden können. Die Kommunen jedenfalls sollen freiwillig mitmachen, aber auf keinen Fall dazu gezwungen werden, „was der Fall wäre, wenn der Bund die Masten aufstellen würde“. Man wolle die Bürger und die Bürgermeister nicht übergehen, sondern zur Mitarbeit bei der Mastenerstellung gewinnen mit dem Argument „Wenn nicht wir, wer denn sonst?“ Kommunen müssten nicht mitfinanzieren, könnten es aber tun, um sich später Einnahmen zu sichern.

Als nächste Schritte schreibt das EU-Beihilferecht sogenannte Markterkundungen vor, also die Abfrage bei Mobilfunk-
unternehmen, ob ein eigenwirtschaftlicher Ausbau möglich sei. Das im Sommer gegründete bayerische Mobilfunkzentrum Regensburg startet mit solchen Markterkundungen für betroffene Gemeinden, von denen 40 ihr Interesse an der Förderung bereits bekundet hätten. Das Mobilfunkzentrum werde die Kommunen beim Förderverfahren beraten und begleiten, auch durch Musterdokumente und Musterverträge. Netzbetreiber würden, so Aiwanger, die Vorgaben für die Technik liefern und bei der Standortsuche helfen.

Bayerns neuer Wirtschaftsminister geht davon aus, dass die anstehende 5G-Frequenzauktion zur substantiell besseren Mobilfunkversorgung im Freistaat beiträgt. Ziel sollten nicht möglichst hohe Versteigerungserlöse sein, „was die Investitionsanstrengungen der Netzbetreiber schwächen würde“, sondern die bestmögliche Versorgung bei Mobilfunk und künftig auch beim autonomen Fahren.

Schwerpunkt Energiewende

Zweiter Aktionsschwerpunkt ist die Energiewende, „wo wir ein großes Rad drehen müssen. Wir brauchen die Energiewende 2.0“. Dabei sei es besonders wichtig, Bürger, Kommunen und Unternehmen einzubinden. Daher gebe es am 13. Dezember einen Energiegipfel, der dem Austausch mit der Wirtschaft und Experten zu neuen Lösungsansätzen, aber auch zum Stand und den Perspektiven der Energiewende dienen soll.

Ziel sei die Erarbeitung von Eckpunkten für ein eigenes bayerisches Konzept für eine dezentrale, sichere und preiswerte Energieversorgung sowie die Erschließung von Chancen für die Wertschöpfung vor Ort. Das Konzept sei notwendig, weil absehbar sei, dass die vom Bund geplanten neuen Leitungen zumindest nicht rechtzeitig kommen, aber trotzdem die letzten Kernkraftwerke – wie vorgesehen – bis Ende 2022 abgeschaltet werden. Deshalb trete Bayern für eine regionale Stromversorgung ein, bei der möglichst viele kleine Betriebe beteilig werden sollen, um nicht energieabhängig zu werden.

Für Aiwanger ist bei der Energieerzeugung die Akzeptanz der Bevölkerung wichtig. Bei der Windkraft wird es bei einem Abstand der Windkraftanlagen zum nächsten Wohnbereich von 10h (10 mal die Höhe der Anlage) bleiben. Aber der Minister, der vor der Wahl für 8h eingetreten war, könnte sich eine solche Abstandsreduzierung vorstellen, wenn man die Bevölkerung etwa über eine Genossenschaft an der Anlage beteilige. Die Genossenschaft könne die Anlage betreiben und die Kommune bzw. die Bürger am Gewinn beteiligen.

Zur Verträglichkeit und Nachhaltigkeit müsse man auch neue Konzepte suchen, zum Beispiel durch Erdverkabelung oder neue Massivmasten statt der bisherigen Gitter-Masten, die oft zu sperrig in der Landschaft stünden. Die Energiewende müsse deshalb mit der Landesentwicklung verzahnt werden.

Es gehe künftig nicht nur um erneuerbare Energien, sondern auch um neue Technologien, etwa bessere Energiespeicher, Power-to-Gas-Technologie und auch um Sektorenkopplung. Energiewende bedeute nicht nur Stromwende, sondern auch Wärme- und Verkehrswende. Deshalb werde zusammen mit dem bayerischen Umweltministerium die Landesagentur für Energie und Klimaschutz ins Leben gerufen. Aiwanger: „Wir brauchen ein eigenes bayerisches Konzept, weil der Bund ein schlüssiges Gesamtkonzept für die Energiewende weiterhin schuldig bleibt.“

Bisher sei die Energiewende teuer und wenig effektiv, sodass die ambitionierten Klimaziele nicht zu erreichen seien. Damit die Energiewende bezahlbar bleibe, müsse ihr Konzept strategisch neu ausgerichtet werden.

Die Ziele Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Nach haltigkeit müssten gleichberechtigt sein. Dabei seien die Bürger mit ins Boot zu holen. Deshalb gelte es, „nicht blind an der Trasse zu hängen, sondern mehr auf regionale Erzeugung zu setzen.“ Der Wind habe sich gedreht. Deshalb müsse die Energieberatung massiv hochgefahren werden.

In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass das Gaskraftwerk in Irsching, das derzeit nur für den Notfall vorgehalten wird, fast so viel Strom liefern könnte, wie durch die Nord-Süd-Leitung herangeschafft werden solle. Bei der Fotovoltaik zum Beispiel gelte es, sie nicht auf guten Ackerböden, sondern auf den schlechten zu installieren. Wenn man die Anlagen dann auf höhere Stelzen setze, ergebe sich ein Doppelnutzen, indem man Schafe das Gras unter den Anlagen abweiden lasse.

Notwendig sei auch ein Systemwechsel beim Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG). Hier müssten die Anreize räumlich und zeitlich stärker am Bedarf ausgerichtet werden. Netzausbaukosten müssten je nach EE-Standort berücksichtig werden. Kosten für erneuerbare Energien müssten integriert gedacht werden.

Regionale Wertschöpfung stärken

Als dritten Schwerpunkt hat sich Aiwanger vorgenommen, die regionale Wertschöpfung zu stärken, vor allem im ländlichen Raum. Es gelte, die Ballungsräume zu entlasten und die Gemeinschaft in den Kommunen, die regionale Identität und die traditionelle Prägung der bayerischen Lebensart mit Wirtshäusern, Festen und Bräuchen zu stärken.

Deshalb soll Anfang 2019 ein Gaststätten-Modernisierungsprogramm aufgelegt werden, denn bayerische Wirtshauskultur sei Aushängeschild des Freistaates und Magnet für den Tourismus. 

Ein weiteres Investitionsförderprogramm soll es für das Lebensmittelhandwerk geben, das eine tragende Säule regionaler Wirtschaftskreisläufe in ländlichen Regionen sei. Aiwanger denkt besonders an Metzger und Bäcker. Das Handwerk sichere nämlich auch die Zukunft der Landwirtschaft und sei Standortfaktor für andere mittelständische Betriebe.

Der Rückgang der kleinen Handwerksbetriebe sei auf dem Lande markanter als in der Stadt. Das Ministerium habe zusammen mit dem bayerischen Handwerkstag einen Auftrag zur Prüfung von Unterstützungsmöglichkeiten erteilt. Dabei geht es um den Abbau des Investitionsstaus und der Hemmnisse bei der Betriebsübergabe.

Roland Weigert, ehemals Landrat im Landkreis Neuburg/Schrobenhausen, und jetzt Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, sieht in der Landesentwicklung ein fundamentales Thema. Er verteidigte auf Anfrage der Presse, dass im Programm für neue Hochwasserschutz-Polder an der Donau drei Polder gestrichen wurden. Diese seien in Bertoldsheim und im Landreis Regensburg am falschen Ort, weil sie bei eventueller Flutung das Grundwasser steigen ließen, sodass es in die Keller der Häuser drücke.

Andererseits aber würden diese Polder flussabwärts auf 70 bis 100 km nichts bewirken, zumal auf dieser Strecke zahlreiche Zuflüsse zur Donau für Wasser-Nachschub sorgten. Der Hochwasserschutz müsse vielmehr regional organisiert werden, sagte Weigert. Das komme zudem wesentlich billiger.

dhg

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