Bisher können Grundstückseigentümer beim Ausbau oder der Sanierung von Gemeindestraßen an den Baukosten direkt beteiligt werden, die sich teilweise im mittleren fünfstelligen Eurobereich bewegen. Zur Erhebung der Kosten sind die Kommunen verpflichtet, eine Straßenausbaubeitragssatzung zu erlassen. Einen freiwilligen Verzicht der Gemeinden zur Beitragserhebung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof(BayVGH) mit Urteil vom November letzten Jahres untersagt.
Die Freien Wähler fordern jetzt die Abschaffung der Gebühr, weil sie für viele Betroffene unzumutbar bzw. existenzbedrohend sei. CSU, SPD und Grüne lehnen den Gesetzesvorstoß ab wie die kommunalen Spitzenverbände.
Kommunalabgabengesetz wurde verschärft
Nach der Straßenausbaubeitragssatzung müssen Bayerns Kommunen einen Großteil der Kosten für Straßensanierungen von den Anliegern kassieren. Grundlage dafür ist das Kommunalabgabengesetz, das durch das Urteil des BayVGH vom letzten Jahr verschärft wurde. Denn darin wurde die oberbayerische Gemeinde Hohenbrunn verpflichtet, die Beiträge von den Straßenanliegern einzufordern. Nach Ansicht der Freien Wähler werden seither die Kommunen durch die Landratsämter verstärkt zur Erhebung der Gebühren gezwungen.
Überforderte Bürger
Die dabei von den Gemeinden jährlich erwirtschafteten 60 bis 65 Millionen Euro könnte der Freistaat laut FW-Fraktionschef Hubert Aiwanger angesichts der günstigen Haushaltslage selbst tragen. Er griff die Gebühr scharf an, da sie ungerecht sei und in den Kommunen einen erheblichen Verwaltungsaufwand sowie politischen Ärger verursache. Zudem seien viele Bürger mit den zum Teil fünfstelligen Summen finanziell überfordert. Darüber hinaus wollten viele Kommunen die Satzung nicht umsetzen. Aiwanger bekräftigte erneut die Absicht, ein Volksbegehren zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge einzuleiten, wenn sich die CSU einer Anpassung verweigere.
Beschädigung des Kommunalen Selbstverwaltungsrechts
Die CSU hatte schon im Vorfeld auf den jetzt im Landtag diskutierten Gesetzentwurf heftig reagiert und ihn als „Populismus“ bezeichnet. Ihr Rosenheimer Abgeordneter Otto Lederer warf den Freien Wählern vor, Unruhe in der Bevölkerung zu schüren und das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen zu beschädigen, weil die Freien Wähler ihnen mit der Aufhebung der Erhebungspflicht eine Einnahmequelle nehmen wollen. Er verwies auf eine im Februar getroffene Vereinbarung aller vier Fraktionen im Landtag, wonach das Kommunalabgabengesetz im nächsten Frühjahr wieder auf den Prüfstand komme. Lederer kündigte an, die CSU werde das Thema selbst aufgreifen und die Entscheidungsfreiheit der Kommunen mit einer „Kann-Regelung“ im Gesetz erhöhen.
Muss, kann, soll ...
Sein Parteikollege, der Kommunalausschussvorsitzende Dr. Florian Herrmann erläuterte, was damit gemeint ist. Früher sollten die Gemeinden die Satzung einführen, nach dem Hohenbrunner Urteil müssten diese sie einführen. Die CSU aber wolle, dass sie sie künftig einführen könnten, falls ein Bedarf bestehe. Eine Gesetzesänderung mit dieser Regelung solle zügig durchgeführt werden. Keine Gemeinde werde jedoch gezwungen, eine bestehende Straßenausbaubeitragssatzung abzuschaffen stellte Herrmann klar.
Der SPD-Abgeordnete Klaus Adelt attackierte die Freien Wähler am heftigsten. Neben wahltaktischem Populismus warf er Aiwanger vor, die Kommunalpolitiker als „Abzocker“ und „Abkassierer“ zu diskreditieren. Gegenüber einer Novellierung des Kommunalabgabengesetzes zeigte er sich jedoch gesprächsbereit. Man werde nicht ablehnend, sondern ergebnisoffen über eine Anpassung diskutieren.
Jürgen Mistol (Grüne) verwies darauf, dass die geringe Akzeptanz der Straßenausbaubeiträge vor allem darauf beruhe, dass in der Vergangenheit kein einheitlicher Vollzug gewährleistet gewesen sei und lediglich 70% der Kommunen diese Gebühren erhoben hätten. Er sprach sich dafür aus, die Ergebnisse der Evaluation bis Ende April 2018 abzuwarten. Der Gesetzentwurf wurde an den zuständigen Kommunalausschuss zur weiteren Beratung überwiesen.
Städtetag gegen Abschaffung
Als „unverzichtbares Finanzierungsmittel“ bezeichnete inzwischen der Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags, Bernd Buckenhofer die Straßenausbaubeiträge. „Der Grundsatz war und ist unbestritten, dass derjenige, der mit einer kommunalen Einrichtung einen Sondervorteil erhält, die entstehenden Kosten in vertretbarem Umfang tragen soll“, heißt es in einer Erklärung des kommunalen Spitzenverbands. Die Forderung nach einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge sei nicht zielführend, sondern verunsichere die Städte und Gemeinden. Das Kommunalabgabengesetz bestimme, dass Beiträge erhoben werden „sollen“. Nach der bisherigen Lesart bedeutet „sollen“ für weit über 90 Prozent der bayerischen Städte und Gemeinden ein „müssen“.
Wichtig für die Infrastruktur
Buckenhofer: „Die Straßenausbaubeiträge sind für die Erhaltung und Entwicklung sicherer und intakter Straßennetze von herausragender Bedeutung. Kommunen müssen auf ihrem Wegenetz die Verkehrssicherheit der Menschen gewährleisten – Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger brauchen sichere Wege und gute Straßenbeleuchtung, auch für ihr Sicherheitsgefühl.“ Das kommunale Straßennetz müsse so finanziert werden, dass ein sicherer Verkehrsfluss gewährleistet ist.
Ein beträchtlicher Teil des kommunalen Straßennetzes ist älter als dreißig Jahre. Die angespannte Haushaltslage in vielen Städten und Gemeinden lasse keine Möglichkeit für eine kommunale Vollfinanzierung über die Steuereinkünfte, so der Geschäftsführer. Alternative nachhaltige Finanzierungsformen seien für Kommunen nicht in Sicht. Das Straßenausbaubeitragsrecht ziehe bewusst diejenigen heran, die als Anlieger einer Straße einen Vorteil haben; nicht zuletzt die Güte der Verkehrsanschließung bestimme den Wert des Eigentums und erlaube dessen wirtschaftliche Nutzung. Buckenhofer: „Mit der Entrichtung des Beitrags sichert der Eigentümer die Anbindung und den Wert seines Grundstücks.“
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