(GZ-11-2025 - 30. Mai) |
![]() |
► Deutscher Städtetag in Hannover: |
„Zusammen sind wir Stadt“ |
Vertrauen schaffen, soziale Sicherheit gewährleisten und Kommunen finanziell handlungsfähig machen: Das waren die zentralen Botschaften bei der diesjährigen Hauptversammlung des Deutschen Städtetags in Hannover. Der Verband zeigte sich bereit, beim Zukunftspakt von Bund, Ländern und Kommunen mitzuarbeiten und forderte noch in diesem Jahr konkrete Ergebnisse, um die Handlungsfähigkeit der Städte zu stärken.
Die neue Spitze des Deutschen Städtetags (v.l.): Vizepräsident Uwe Conradt, Vizepräsidentin Katja Dörner und Präsident Burkhard Jung. Bild: Dt. Städtetag
Vor rund 1.500 Delegierten und Gästen aus dem gesamten Bundesgebiet bezeichnete der scheidende Städtetagspräsident, Oberbürgermeister Markus Lewe (Münster), das Thema Wohnen als „existenzielle Frage unserer Zeit“. Wenn Menschen sich ihre Miete nicht mehr leisten können, gefährde dies ihre gesamte Lebensperspektive. Lewe forderte deshalb ein umfangreiches Maßnahmenpaket: mehr sozialen Wohnungsbau, eine Baugesetzbuchreform für schnellere Verfahren, zielgerichtete Förderung für Neubauprojekte sowie Programme zur Modernisierung im Bestand. Gleichzeitig brauche es wirksame Instrumente gegen Mietenexplosionen.
Einfachere Prozesse sind gefragt
Die neue Bundesregierung habe im Koalitionsvertrag entsprechende Vorhaben angekündigt, etwa einen Investitionsfonds für den Wohnungsbau. „Gut so“, kommentierte Lewe. Jetzt müssten diesen Ankündigungen aber auch entschlossene Taten folgen. „Es braucht nicht nur Geld, sondern vor allem einfachere Prozesse.“
Auch die soziale Dimension der Stadtpolitik wurde von Lewe in den Blick genommen. „Ohne soziale Sicherheit keine Teilhabe, und ohne Teilhabe kein Gemeinwohl“, erklärte er. Doch genau hier stünden die Städte zunehmend mit dem Rücken zur Wand. Die Sozialausgaben wüchsen Jahr für Jahr, während die Kommunen gleichzeitig immer neue Aufgaben zugewiesen bekämen – oft ohne ausreichende Finanzierung.
Sozialstaatskommission
Der scheidende Präsident begrüßte die Ankündigung einer Sozialstaatskommission durch die Bundesregierung, forderte aber eine zentrale Rolle der Kommunen in diesem Gremium. „Wir sind die, die vor Ort dafür sorgen, dass Menschen Unterstützung bekommen – nicht irgendwer in Berlin.“ Zudem warnte er vor einem einseitigen Spardiktat: „Eine Reform des Sozialstaats darf nicht das Signal aussenden: Es wird nur gekürzt, sondern: Es wird besser, effektiver, zielgenauer – und niemand wird zurückgelassen.“ Klar sei auch: Eine gerechte Sozialpolitik vor Ort funktioniere nur mit gut ausgestatteten Jobcentern, Sozial-, Jugend- und Gesundheitsämtern. Genau hier mangele es jedoch in vielen Städten an Personal und Ressourcen.
Prekäre Haushaltslage vieler Kommunen
Ein weiteres zentrales Thema war die prekäre Haushaltslage vieler Kommunen. Mit einem bundesweiten Defizit von fast 25 Milliarden Euro im Jahr 2024 steht die kommunale Selbstverwaltung Lewe zufolge vor einer Zerreißprobe. Er verwies darauf, dass dies keine abstrakte Zahl sei, sondern ganz konkrete Folgen habe – etwa für Kitas, Bürgerbüros oder Kultureinrichtungen. Entsprechend lauteten die Forderungen an die Politik auf Landes- und Bundesebene: mehr Beteiligung an Gemeinschaftssteuern; keine neuen Aufgaben ohne vollständige Gegenfinanzierung; Ausgleich für kommunale Einnahmeverluste durch steuerpolitische Entscheidungen des Bundes.
Immer neue Aufgaben ohne Finanzierung
Dass die Stärke Deutschlands vor allem auf handlungsfähigen Kommunen beruhe, unterstrich der neu gewählte Präsident des Deutschen Städtetags, Oberbürgermeister Burkhard Jung aus Leipzig. Der kommunalen Ebene würden aber immer mehr Aufgaben übertragen, ohne deren Finanzierung auch nur annähernd sicherzustellen. Die Kommunen trügen ein Viertel der staatlichen Ausgaben, verfügten aber nur über ein Siebtel der staatlichen Einnahmen. „Das geht so nicht mehr. Der im Koalitionsvertrag angekündigte Zukunftspakt von Bund, Ländern und Kommunen muss die Städte finanziell stärken“, so Jung.
Außerdem müsse jedes neue Gesetz gemeinsam mit den Städten darauf überprüft werden, wie es sich vor Ort umsetzen lässt. „Die Bürgerinnen und Bürger müssen sehen, dass der Staat funktioniert, das schafft Vertrauen. Der Zukunftspakt der Bundesregierung muss bis Ende dieses Jahres konkrete Ergebnisse bringen. Die finanzielle Situation der Städte ist dramatisch“, erklärte der neue Verbandschef. Der Deutsche Städtetag fordert außerdem, dass die digitale Umsetzung von Gesetzen von Anfang an mitgedacht wird. „Wir brauchen einfache und automatisierbare Verfahren bei allen Gesetzen. Rein formale Aufgaben ohne Gestaltungsspielraum wie die Kfz-Zulassung oder der Antrag auf Elterngeld sollten zentral und digital durch Bund oder Länder erbracht werden. So können sich die Städte auf das konzentrieren, was sie am besten können: Politik für die Menschen vor Ort zu gestalten.“
Differenzierte Sichtweise auf Migration
Mit Blick auf das Thema Migration forderte Jung eine differenzierte Sichtweise: „Migration braucht Regeln, Integration braucht Unterstützung – und beides gemeinsam schafft die Grundlage für ein gutes, friedliches und starkes Zusammenleben in den Städten.“ Vor allem die Integration in den Arbeitsmarkt müsse deutlich einfacher werden. „Wir brauchen eine schnellere Anerkennung von Ausbildungs- und Berufsabschlüssen. Die von der neuen Bundesregierung angekündigte Agentur für Fachkräfteeinwanderung und eine Berufsanerkennung innerhalb von acht Wochen sind gute Schritte.“ Damit Integration gelingt, brauche es aber auch verlässliche Strukturen, ausreichend Ressourcen und klare Zuständigkeiten. „Deshalb benötigen wir eine Migrationspolitik von Bund und Ländern, die kommunale Bedarfe ernst nimmt und dauerhaft finanziell absichert“, stellte Jung klar.
Das geplante 500 Milliarden Euro-Sondervermögen des Bundes wertete der Präsident als Chance. Gemeinsam mit der Reform der Schuldenbremse werde ein schlankes Verfahren für Mittelzuweisungen an die Städte ermöglicht. „Diese Möglichkeiten müssen Bund und Länder jetzt auch ausschöpfen. Wir sagen, bitte keine komplizierten Förderprogramme, sondern am besten feste Budgets für die Städte mit großen Entscheidungsspielräumen vor Ort.“
Praxisnahe Verteilmechanismen
Jetzt seien die Länder am Zug, mit ihren Kommunen gemeinsam praxisnahe Verteilmechanismen zu finden. Die Städte fordern dafür auch strukturelle Merkmale, wie Arbeitslosenquote oder Investitionsbedarf, zu berücksichtigen. „Damit das Geld schnell auf die Straße kommt, muss dem Infrastrukturpaket ein Paket zum Bürokratieabbau und zur Verfahrensbeschleunigung folgen. Wenn die Menschen merken, dass etwas vorangeht, gibt das Sicherheit und Zuversicht. Dafür brauchen wir mehr Beinfreiheit im kommunalen Planungsrecht und bei der Auftragsvergabe“, fuhr Jung fort.
Auch im Schulbereich seien wichtige Weichen für die Zukunft zu stellen: „Es ist gut, dass jetzt der Digitalpakt 2.0 für die Schulen kommen soll. Aber digitale Bildung ist eine Daueraufgabe und braucht eine dauerhafte Finanzierung durch die Länder.“ Positiv sehen die Städte die Fortführung des Startchancen-Programms sowie das angekündigte Schulsanierungsprogramm. „Diesen Ankündigungen im Koalitionsvertrag müssen konkrete Umsetzungspläne folgen“, forderte der Städtetagschef.
Der neu gewählte Verbands-Vizepräsident, Oberbürgermeister Uwe Conradt aus Saarbrücken, lenkte den Blick auf das Thema Gesundheitsversorgung. Während das Praxissterben im ländlichen Raum seit Jahren in der öffentlichen Diskussion sei, stünden die Städte damit selten im Fokus. Doch auch in den Ballungsräumen gebe es zunehmende Ungleichheit in der ärztlichen Versorgung. Insbesondere in sozial benachteiligten Stadtteilen erhielten immer mehr Menschen nur schwer Zugang zur Gesundheitsversorgung, weil sich dort keine Praxen mehr ansiedeln. Deshalb engagierten sich die Städte inzwischen bereits oft über ihre gesetzlichen Verpflichtungen hinaus in der Gesundheitsversorgung – bis hin zur Einrichtung kommunaler Arztpraxen.
Kommunen sind keine Ausfallbürgen im Gesundheitsbereich
Wie Conrad darlegte, „wollen wir eine gute Gesundheitsversorgung für alle Menschen in unseren Städten. Aber wir können angesichts unserer angespannten Finanzlage nicht auch noch flächendeckend den Ausfallbürgen im Gesundheitsbereich spielen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollten ihre Bedarfspläne für die Verteilung von Praxen anpassen, so dass eine gute Versorgung im gesamten Stadtgebiet gegeben ist.“
Positiv sieht der Deutsche Städtetag die geplanten Anpassungen an die Krankenhausreform durch die neue Bundesregierung. „Die Krankenhausreform des Bundes muss fortentwickelt, die Finanzierungslücke der Krankenhäuser schnell geschlossen werden“, forderte Conradt. „Es braucht jetzt eine schnelle Finanzspritze, um ein Kliniksterben zu verhindern, bis die Krankenhausreform wirkt.“
Dass Städte mit gut ausgebauten, preiswerten und nachhaltigen Verkehrsangeboten auch für soziale Teilhabe und Zusammenhalt sorgen, darauf verwies die wiedergewählte Vizepräsidentin des Deutschen Städtetags, Oberbürgermeisterin Katja Dörner aus Bonn. Nach ihren Worten „wollen sich die Menschen gut, schnell, sicher und nicht zuletzt bezahlbar in den Städten bewegen können. Eine verlässliche Verkehrsinfrastruktur ermöglicht Begegnungen. Dafür brauchen wir attraktive Verbindungen mit Bussen und Bahnen, gute Rad- und Fußwege und der Autoverkehr soll so umwelt- und stadtverträglich wie möglich werden.“
Modernisierungspakt für den nachhaltigen ÖPNV
Laut Dörner ist ein Modernisierungspakt für einen stabilen und nachhaltigen ÖPNV von Bund und Ländern dringend erforderlich. „Und wir brauchen auch Ausbau, etwa durch den Anstieg der GVFG-Mittel. Die neue Bundesregierung muss die Verhandlungen dafür aufgreifen. In vielen Städten wird auch intensiv an Mobilitätsangeboten und Verkehrskonzepten der Zukunft gearbeitet. Aber der Rechtsrahmen verhindert Kreativität. So können wir immer noch nicht Tempolimits und Mischverkehrsflächen überall dort einsetzen, wo sie wirklich gebraucht werden. Wir brauchen mehr Spielräume auch in der Verkehrspolitik.“
In einer von der Hauptversammlung verabschiedeten „Hannoverschen Erklärung“ wurde auch auf das Kernthema Klimaschutz und Klimaanpassung verwiesen. Darin heißt es: „Wir müssen Risiken identifizieren und vorausschauend handeln, damit unsere Städte lebenswert und sicher bleiben. Durch gezielte Klimaanpassungsmaßnahmen – Stadtgrün und Wasserspeicher, hitzeresiliente Planung und Sensibilisierung der Bevölkerung – lassen sich die Folgen des Klimawandels in den Städten abmildern. Die Kosten dafür werden allein in Ländern und Kommunen auf 55 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 geschätzt. Neben den Kosten der Klimaanpassung werden auch für den Klimaschutz Zukunftsinvestitionen in Milliardenhöhe benötigt. Wir müssen mit Bund und Ländern gemeinsam klären, wie das finanziert wird. Neue Finanzierungswege sind nötig. Etwa ein Energiewendefonds, in den sowohl öffentliches als auch privates Kapital fließt.“
Resilienz bei der Versorgung verbessern
Ein zentraler Baustein für Klimaschutz in den Städten sei die Wärmewende, die gleichzeitig auch die Resilienz bei der Versorgung verbessert. Hierfür müssten Wärme-, Gas- und Stromnetze im großen Stil angefasst, Gebäude um- und Fernwärme ausgebaut werden. Vor diesem Hintergrund arbeiteten die Städte mit Hochdruck an den Wärmeplanungen und suchten nach passgenauen Lösungen. „Nach dem Plan beginnen die eigentlichen Herausforderungen. Dann geht es um Genehmigungen und Investitionen in die Infrastruktur. Die neue Bundesregierung darf hier keine neuen Unsicherheiten schaffen.“
DK
Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!