Kommunalverbändezurück

(GZ-5-2025 - 27. Februar)
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► Deutscher Städtetag:

 

Ruf nach Trendwende

 Alarmierende Umfrageergebnisse zur Finanzsituation in 100 Großstädten

„Die Zeit ausgeglichener kommunaler Haushalte gehört erst einmal der Vergangenheit an“, machte der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster, in der Berliner Bundespressekonferenz deutlich. Laut einer Blitzumfrage des Kommunalverbandes, an der hundert Städte teilgenommen haben, können 37 Prozent der Städte keinen ausgeglichen Haushalt mehr vorlegen, weitere 47 Prozent schaffen einen ausgeglichenen Haushalt nur, indem sie auf finanzielle Rücklagen zurückgreifen.

Die Einschätzung der Städte zu ihrer Haushaltslage hat sich in wenigen Jahren vielerorts um 180 Grad gedreht. Im Rückblick auf die vergangenen fünf Jahre bewerten fast zwei Drittel der Städte (64 Prozent) ihre Haushaltslage als „eher gut oder ausgeglichen“. Mit Blick auf die kommenden fünf Jahre treffen nur noch 2 Prozent diese Aussage. Stattdessen schätzen 46 Prozent ihre künftige Haushaltslage als „eher schlecht“ und 49 Prozent sogar als „sehr schlecht“ ein.

Haushalte konsolidieren

Um ihre Haushalte zu konsolidieren, gibt es in den Städten verschiedene Überlegungen, wie ein Blick auf Straubing und München zeigt. So will die Gäubodenstadt etwa die Öffnungszeiten städtischer Einrichtungen um ca. 15 Prozent reduzieren (Museum, Touristinfo, Bibliothek), bei freiwilligen Aufgaben freiwerdende Personalstellen nicht nachbesetzen, und Gebühren in der Kinderbetreuung und bei kulturellen Veranstaltungen erhöhen. Zudem müssen investive Maßnahmen gestrichen oder auf mehrere Jahre gestreckt werden. So kann zum Beispiel die Sanierung des Zentrums für Feuerwehr und Einsatzdienste nicht im vorgesehenen Zeitraum umgesetzt werden.
Landeshauptstadt München streicht Investitionen

Bereits im vergangenen Jahr musste die Landeshauptstadt München ihre Maßnahmen verschärfen, um einen genehmigungsfähigen Haushalt sicherzustellen. Der Stadtrat hat 2024 beschlossen, dass zur Abflachung der Schuldenentwicklung jedes Jahr ein Volumen von einer Milliarde Euro aus dem geplanten Investitionshaushalt gestrichen wird. Dies wird sich deutlich auf die Investitionsschwerpunkte ÖPNV, Wohnungsbau und Schulbau auswirken, wenn es nicht stärkere Unterstützungsleistungen von Bund und Land gibt. Trotz aller Anstrengungen liegt die geplante Nettoneuverschuldung im Jahr 2025 bei 2,1 Milliarden Euro. München rechnet mit einem Anstieg der Verschuldung auf rund 7,5 Milliarden Euro zum Jahresende.

Finanznot wächst

„Wenn sich nichts ändert, wird die Finanznot der Städte weiter anwachsen“, unterstrich Lewe. Dabei gehe es auch um die Zukunft der Demokratie. Vor Ort in den Städten erlebten die Menschen den Staat konkret. Wenn sie ihn dort nur noch als Mangelverwalter und nicht mehr als Gestalter und Problemlöser wahrnähmen, leide das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates.

Ein Aspekt, der für die prekäre Finanzsituation der Städte sorgt, sind die Sozialausgaben der Städte: Jahr für Jahr wachsen sie deutlich stärker als die Einnahmen. Nach Angaben von Katja Dörner, Städtetagsvizepräsidentin und Bonner Oberbürgermeisterin, seien die kommunalen Sozialausgaben in den vergangenen zehn Jahren in fast allen Bereichen um mindestens ein Drittel, teilweise um mehr als 100 Prozent gestiegen. Bei der Kinder- und Jugendhilfe hätten sich die Ausgaben in zehn Jahren beispielsweise mehr als verdoppelt – von 32,8 Milliarden Euro auf 67,6 Milliarden Euro bundesweit, vor allem durch den massiven Ausbau der Kinderbetreuung. „Das ist gesellschaftlich notwendig und von Bund und Ländern gewollt. Und wir unterstützen das als Städte eindeutig. Aber das muss dann auch gesamtgesellschaftlich finanziert werden und nicht zum allergrößten Teil bei den Kommunen hängen bleiben“, forderte Dörner.

Kostentreiber sind immer neue Aufgaben

Auch der Zuzug von geflüchteten Menschen spiele in der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch im Bürgergeld und bei den Sozialhilfeleistungen eine Rolle. „Kostentreiber sind aber vor allem auch immer neue Aufgaben, auf die uns Bund und Länder verpflichten und die von den Bürgerinnen und Bürgern auch intensiv nachgefragt werden, etwa der Rechtsanspruch auf ganztägige Kinderbetreuung. Voll gegenfinanziert sind solche neuen Aufgaben fast nie. Dadurch verschärft sich die strukturelle Unterfinanzierung und schränkt die kommunalen Handlungsspielräume weiter ein“, erläuterte die Vizepräsidentin.

Immer mehr Aufgaben mit weniger Personal

Nach den Worten von Städtetagsvizepräsident Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, machen dem Deutschen Städtetag perspektivisch vor allem zwei Punkte große Sorgen: „Zum einen: Etliche Städte werden sich vermutlich gezwungen sehen, in den kommenden Jahren Personal abzubauen. Immer mehr Aufgaben für die Städte, die wir dann aber mit weniger Personal bewältigen müssen – diese Rechnung kann nicht aufgehen. Das können auch Bund und Länder nicht wollen, sie müssen uns deutlich finanziell stärken. Zum anderen: Wir stehen mit Transformationsaufgaben wie der Verkehrswende, der Energiewende oder der Wärmewende vor Mammutaufgaben. Wie diese massiven Investitionen finanziert werden sollen, ist ohnehin noch kaum geklärt. Und jetzt sorgt die prekäre Finanzlage der Kommunen dafür, dass Städte sogar Bus- und Bahnlinien streichen, statt neue zu schaffen. Statt einer Verkehrswende droht eine Rolle rückwärts. Das gefährdet die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.“

Viele neue Gesetze

Jung wies auch darauf hin, dass es für die strukturellen Defizite der kommunalen Haushalte mehr brauche als Geld: „Wir brauchen ein anderes Miteinander von Bund, Ländern und Kommunen, auch bei neuen Gesetzen. Es gibt für viele neue Gesetze gute Gründe. Aber warum sind sie oft so praxisfern und kompliziert ausgestaltet, dass wir eigentlich immer neues Personal dafür einstellen müssten und angesichts des Fachkräftemangels nicht finden? Das weckt große Erwartungen bei den Menschen und endet im Frust, wenn Verfahren zu lange dauern. Hier muss sich grundlegend etwas ändern. Wir brauchen praxisnahe Gesetze mit durchgehend digitalisierten und vereinfachten Verfahren.“

Für eine echte Trendwende bei den Kommunalfinanzen verlangen die Städte einen höheren Anteil der Städte an den Gemeinschaftssteuern, zum Beispiel der Umsatzsteuer: „Bei den Kommunen liegt etwa ein Viertel der gesamtstaatlichen Aufgaben, sie haben aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen. Das passt nicht zusammen.“ Zudem darf es von Bund und Ländern keine zusätzlichen Aufgaben mehr für die Städte geben, die nicht ausfinanziert sind: „Mittel für Aufgaben, bei denen die Kosten absehbar steigen, müssen dynamisiert sein – damit die Städte ihrem Geld bei Kostensteigerungen nicht hinterherlaufen müssen.“ Auch darf es von Bund und Ländern keine steuerpolitischen Entscheidungen geben, die zu Einnahmeausfällen bei den Kommunen führen: „Wenn die Steuerpolitik von Bund und Ländern zu Einnahmeausfällen bei den Kommunen führt, müssen diese Ausfälle 1:1 ausgeglichen werden.“

„Häufiger feste Budgets statt komplizierter Förderprogramme“, lautet eine weitere Forderung: „Wir brauchen mehr Vertrauen in die Städte durch Bund und Länder. Das heißt: Feste Budgets für geförderte Aufgaben, über die die Städte frei verfügen können, statt komplizierter Förderprogramme, die den Städten Zeit und Geld kosten.“ Darüber hinaus müsse die Schuldenbremse auf den Prüfstand: „Wenn die Schuldenbremse Zukunftsinvestitionen verhindert, muss sie reformiert werden.“

DK

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