Kommunalverbändezurück

(GZ-21-2024 - 7. No­vem­ber)
gz bayerischer gemeindetag

► Baye­ri­scher Ge­mein­de­tag in Veits­höch­heim:

 

De­re­gu­lie­rung und Bü­ro­kra­tie­ab­bau

 

Die fi­nan­zi­el­le Si­tua­ti­on der Städte und Ge­mein­den sowie die schein­bar nicht ein­zu­däm­men­de Bü­ro­kra­tie standen im Mit­tel­punkt der dies­jäh­ri­gen Lan­des­ver­samm­lung des Baye­ri­schen Ge­mein­de­tags in Veits­höch­heim. Hans-Pe­ter Mayer, Ge­schäfts­füh­ren­des Prä­si­di­al­mit­glied des Ver­ban­des, for­mu­lier­te die Sorgen und Nöte der baye­ri­schen Kom­mu­nen und for­der­te einen „neuen Ge­sell­schafts­ver­trag“. Der Staat werde sich nicht mehr alles leisten können, was sich die Be­völ­ke­rung wünscht. Darüber müsse ge­spro­chen werden.

Bayerns Finanzminister Albert Füracker gemeinsam mit Hans- Peter Mayer, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bayerischen Gemeindetags.
Bayerns Fi­nanz­mi­nis­ter Albert Füra­cker ge­mein­sam mit Hans-Pe­ter Mayer, Ge­schäfts­füh­ren­des Prä­si­di­al­mit­glied des Baye­ri­schen Ge­mein­de­tags.

Zwei Tage span­nen­der Be­geg­nun­gen und in­ten­si­ver Ge­sprä­che zeigten, dass Staat und Kom­mu­nen die großen Auf­ga­ben der Zukunft nur ge­mein­sam be­wäl­ti­gen können. Darüber waren sich die rund 120 Rat­haus­chefs sowie eine große Zahl an Eh­ren­gäs­ten aus Politik, Ver­wal­tung, Re­gie­run­gen, Mi­nis­te­ri­en, Ver­bän­den und Wirt­schaft aus ganz Bayern einig.

De­so­la­te Politik der Bun­des­re­gie­rung

Finanz- und Hei­mat­mi­nis­ter Albert Füra­cker hatte zwar wie er­war­tet keine Geld­ge­schen­ke dabei, machte aber deut­lich, dass man die kom­mu­na­len Belange ernst nehme und im Rahmen der Fi­nanz­aus­gleichs­ver­hand­lun­gen auf­ein­an­der zugehen werde. Auch wies Füra­cker darauf hin, dass die viel­fäl­ti­gen Her­aus­for­de­run­gen der Kom­mu­nen zu einem Groß­teil auf die de­so­la­te Politik der Bun­des­re­gie­rung zu­rück­zu­füh­ren seien. „Der Frei­staat ist und bleibt ein ver­läss­li­cher Partner und un­ter­stützt seine Kom­mu­nen wei­ter­hin auf höchs­tem Niveau – für ein starkes Bayern mit starken Ge­mein­den“, so der Mi­nis­ter.

Bayern muss sich auf hohe Min­der­ein­nah­men ein­stel­len

Aus der jüngst vor­ge­leg­ten ak­tu­el­len re­gio­na­li­sier­ten Steu­er­schät­zung für den Frei­staat geht hervor, dass Bayern 2025 – grob ge­schätzt – noch­mals mit rund 900 Mil­lio­nen Euro weniger aus­kom­men muss, als bislang er­war­tet. Auch für die Fol­ge­jah­re hat sich der Frei­staat auf Ein­nah­me­aus­fäl­le ge­gen­über der Mai-Steu­er­schät­zung ein­zu­stel­len – für das Jahr 2026 in Höhe von rund 1,5 Mil­li­ar­den Euro.

Neue Schät­zun­gen ver­schär­fen die an­ge­spann­te Haus­halts­la­ge

„Da neben den weiter rück­läu­fi­gen Steu­er­pro­gno­sen auch die Er­geb­nis­se des Zensus 2022 vor­läu­fi­gen Pro­gno­sen des ifo In­sti­tuts zufolge unsere fi­nan­zi­el­len Spiel­räu­me dau­er­haft in einer Grö­ßen­ord­nung von rund 300 Mil­lio­nen Euro pro Jahr weiter ein­schrän­ken, muss mitt­ler­wei­le auch dem Letzten klar sein: Zu­sätz­li­che Mehr­aus­ga­ben sind nicht fi­nan­zier­bar“, un­ter­strich Füra­cker und er­gänz­te:

„Unser Dop­pel­haus­halt 2024/2025 ist solide geplant. Aber diese neuen Schät­zun­gen ver­schär­fen die ohnehin an­ge­spann­te Haus­halts­la­ge massiv und er­schwe­ren damit die Auf­stel­lung des Nach­trags­haus­halts zu­sätz­lich.“ Aus seiner Sicht „muss der Bund die Dis­kre­panz zwi­schen Selbst­wahr­neh­mung und Tat­sa­chen endlich über­win­den und seine am­bi­ti­ons­lo­sen Mi­ni­mal­kom­pro­mis­se zur Re­vi­ta­li­sie­rung der Wirt­schaft als das Er­ken­nen, was sie sind: zu wenig, um den Her­aus­for­de­run­gen, vor denen unser Land steht, gerecht zu werden.“ Deutsch­land brauche eine mutige, um­fas­sen­de und schlag­kräf­ti­ge Agenda 2030. „Nur auf Basis von wett­be­werbs­fä­hi­gen und ver­läss­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen können wir unsere Wirt­schaft und damit auch die Steu­er­ein­nah­men wieder auf Wachs­tums­kurs bringen“, zeigte sich der Fi­nanz­mi­nis­ter über­zeugt.

Mit Blick auf das Thema Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung wiesen In­nen­staats­se­kre­tär Sandro Kirch­ner und der Be­auf­trag­te für Bü­ro­kra­tie­ab­bau Walter Nussel darauf hin, dass der Frei­staat mit ver­schie­dens­ten In­stru­men­ten ver­su­che, Bü­ro­kra­tie ein­zu­däm­men und ihren Auf­wuchs zu ver­lang­sa­men. Be­zugs­punkt war dabei auch nach­fol­gen­des 10 Punk­te-For­de­rungs­pa­pier zum Bü­ro­kra­tie­ab­bau, das vom Lan­des­aus­schuss des Baye­ri­schen Ge­mein­de­tags im Sep­tem­ber be­schlos­sen und auf der Lan­des­ver­samm­lung vor­ge­stellt wurde:

1. Eine um­fas­sen­de Auf­ga­ben­kri­tik des Frei­staats Bayern ist not­wen­dig! Im Rahmen der Ver­wal­tungs­mo­der­ni­sie­rung ist eine lau­fen­de kri­ti­sche Über­prü­fung sämt­li­cher Auf­ga­ben er­for­der­lich (Auf­ga­ben­kri­tik), um si­cher­zu­stel­len, dass deren Wahr­neh­mung not­wen­dig ist sowie ihre Er­le­di­gung ga­ran­tiert und sie zweck­mä­ßig und wirt­schaft­lich aus­ge­stal­tet werden kann.

2. Der Staat kann und darf sich nicht mehr alles leisten! Er­for­der­lich ist ein ge­mein­sa­mer Dialog zwi­schen Staat und Kom­mu­nen, um die je­wei­li­ge Rolle neu zu de­fi­nie­ren. Die Er­geb­nis­se müssen den Bür­ge­rin­nen und Bürgern trans­pa­rent und um­fas­send kom­mu­ni­ziert werden.

3. Kom­mu­na­le Pflicht­auf­ga­ben kri­tisch hin­ter­fra­gen! Frei­räu­me für die Kom­mu­nen schaf­fen! Sie müssen und sollen sich auf die wirk­lich not­wen­di­gen Pflicht­auf­ga­ben im Rahmen der Da­seins­vor­sor­ge kon­zen­trie­ren können.

4. Nicht immer noch eins drauf­sat­teln! Strik­ter Ver­zicht auf höhere (Gold-)Stan­dards bei der Um­set­zung von Ge­set­zen!

5. För­der­we­sen stark ver­ein­fa­chen! Um der För­der­kom­ple­xi­tät und dem hohen Voll­zugs­auf­wand im Zu­sam­men­hang mit För­der­pro­gram­men bei­zu­kom­men, bedarf es eines ganz­heit­li­chen und nach­hal­ti­gen Lö­sungs­an­sat­zes. Ver­ga­be­recht­li­che Spiel­räu­me un­ter­halb der EU-Schwel­len­wer­te sind massiv zu erhöhen.

6. Stan­dards, Sta­tis­tik- und Do­ku­men­ta­ti­ons­pflich­ten abbauen! In zahl­rei­chen Be­rei­chen, ins­be­son­de­re im Bau- und Um­welt­sek­tor, ist eine über­mä­ßi­ge Re­gle­men­tie­rung zu be­ob­ach­ten, welche die An­wen­dung be­stimm­ter Stan­dards und die Ein­hal­tung be­stimm­ter Ver­fah­rens­schrit­te de­tail­liert vor­schreibt. Stan­dards, Sta­tis­tik- und Do­ku­men­ta­ti­ons­pflich­ten müssen auf das not­wen­di­ge Maß be­schränkt werden.

7. Bü­ro­kra­tie­ab­bau durch ziel­ge­rich­te­te Di­gi­ta­li­sie­rung er­rei­chen! Die Di­gi­ta­li­sie­rung von Ver­wal­tungs­vor­gän­gen muss mit Nach­druck vor­an­ge­trie­ben werden. Dadurch kann ein Abbau bü­ro­kra­ti­scher Hin­der­nis­se er­reicht werden. Gesetze müssen auch einer Prüfung un­ter­zo­gen werden, ob sie den An­for­de­run­gen der Di­gi­ta­li­sie­rung genügen.

8. Bü­ro­kra­tie­ab­bau durch Stär­kung kom­mu­na­ler Selbst­ver­wal­tung! Eine Re­gu­lie­rung bis ins letzte Detail ist nicht er­for­der­lich. Die Ent­schei­dung, ob Re­ge­lun­gen als sinn­voll er­ach­tet werden oder nicht, sollte den Kom­mu­nen vor Ort in eigener kom­mu­na­ler Selbst­ver­wal­tung über­las­sen werden.

9. Qua­li­ta­ti­ve Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung statt quan­ti­ta­ti­vem Bü­ro­kra­tie­ab­bau! Gesetze müssen wieder leich­ter ver­ständ­lich, kürzer und les­ba­rer sein und den An­for­de­run­gen an sog. „gute Ge­setz­ge­bung“ genügen. Un­nö­ti­ge Re­ge­lun­gen sind auf­zu­he­ben.

10. EU-Recht und Bun­des­recht soll nicht mehr Hürde und Be­las­tung sein! Der Frei­staat Bayern muss sich über den Bun­des­rat für eine massive Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung auf EU- und Bun­des­ebe­ne ein­set­zen.

Laut In­nen­staats­se­kre­tär Kirch­ner stärkt eine ef­fi­zi­en­te und schlan­ke Ver­wal­tung das Ver­trau­en in einen fähigen Staat. Europa, Deutsch­land und Bayern litten jedoch unter der Last un­zäh­li­ger Vor­schrif­ten und Ver­wal­tungs­ver­fah­ren. „Am 13. Juni 2024 haben wir mit dem ‚Mo­der­ni­sie­rungs- und Be­schleu­ni­gungs­pro­gramm Bayern 2030‘ ein klares Signal gesetzt: Bayern packt es an!“, betonte Kirch­ner.

Mo­der­ni­sie­rungs­pro­gramm

Das Mo­der­ni­sie­rungs­pro­gramm ent­hal­te Maß­nah­men für den Bü­ro­kra­tie­ab­bau wie die Strei­chung von min­des­tens 10 Prozent aller Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten oder die Ver­schär­fung der ‚Pa­ra­gra­fen­brem­se‘. „Für jedes neue Gesetz müssen künftig zwei alte Gesetze ent­fal­len“, er­klär­te der Staats­se­kre­tär. Dabei bedeute De­re­gu­lie­rung nicht die Abgabe der Kon­trol­le, sondern eine Kon­zen­tra­ti­on auf die wirk­lich wich­ti­gen Re­ge­lun­gen, ohne eine Ge­fähr­dung der Bürger: „Das heißt: zu­künf­tig größere Hand­lungs-, Be­ur­tei­lungs- und Er­mes­sens­spiel­räu­me für die Be­hör­den und Kom­mu­nen.“

Kirch­ner zufolge fördert be­son­ders das Eh­ren­amt den Zu­sam­men­halt in Staat und Ge­sell­schaft, weshalb es wichtig sei, Bü­ro­kra­tie im eh­ren­amt­li­chen En­ga­ge­ment ab­zu­bau­en: „Bü­ro­kra­ti­sche Hürden er­schwe­ren oftmals die groß­ar­ti­ge Arbeit der Eh­ren­amt­li­chen. Auch deshalb wollen wir hier Ver­ein­fa­chun­gen schaf­fen. So sollen bei­spiels­wei­se eh­ren­amt­li­che Ver­an­stal­tun­gen ge­neh­mi­gungs­frei werden.“

Bü­ro­kra­tie­ab­bau

Auch die En­de-zu-En­de-Di­gi­ta­li­sie­rung von Ver­wal­tungs­ver­fah­ren leiste einen er­heb­li­chen Beitrag zum Abbau von un­nö­ti­ger Bü­ro­kra­tie. „Die Ge­mein­den ver­rich­ten hier bereits her­aus­ra­gen­de Arbeit, aber der di­gi­ta­le Wandel be­schleu­nigt sich immer weiter. Hinzu kommen Kos­ten­druck und Fach­kräf­te­man­gel. Bayern hat deshalb die Zu­kunfts­kom­mis­si­on #’Di­gi­ta­les Bayern 5.0 ge­grün­det, um ge­mein­sam mit den Kom­mu­nen die Arbeit der di­gi­ta­len Ver­wal­tung schnel­ler, ein­heit­li­cher und trans­pa­ren­ter zu ge­stal­ten“, er­läu­ter­te der Staats­se­kre­tär. Wich­ti­ge Ziele der Zu­kunfts­kom­mis­si­on seien unter anderem Stan­dar­di­sie­rung, Bün­de­lung von IT-Auf­ga­ben und Zu­sam­men­ar­beit im Bereich künst­li­cher In­tel­li­genz.

Eine zum Ab­schluss von Hans-Pe­ter Mayer mo­de­rier­te Po­di­ums­dis­kus­si­on, an der neben Nussel und Kirch­ner DStGB-Haupt­ge­schäfts­füh­rer André Berg­heg­ger, die 2. Vi­ze­prä­si­den­tin des Baye­ri­schen Ge­mein­de­tags, Bür­ger­meis­te­rin Dr. Birgit Kreß (Markt Erlbach) sowie der Lan­des­schatz­meis­ter des Baye­ri­schen Ge­mein­de­tags, Bür­ger­meis­ter Markus Reich­art (Hei­men­kirch) teil­nah­men, zeigte auf, dass Bü­ro­kra­tie­ab­bau und De­re­gu­lie­rung im rechts­staat­lich ver­fass­ten Meh­re­be­nen­sys­tem eine Her­aus­for­de­rung dar­stellt. So zi­tier­te Hans-Pe­ter Mayer einen seinen Vor­gän­ger, der schon im Jahr 1965 beklagt hatte, mit ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen wahr­lich nicht un­ter­ver­sorgt zu sein.

Ge­tra­gen war die Dis­kus­si­on auch von der Ein­sicht, dass die kom­mu­na­le Familie ge­mein­sam mit der Staats­re­gie­rung an einem Strang ziehen muss. Es gelte, die hohen Stan­dards ab­zu­bau­en und das För­der­we­sen zu ver­ein­fa­chen. Bei Ge­set­zen dürfe nicht immer noch „drauf­ge­sat­telt“ werden, die Kom­mu­nen be­nö­tig­ten Frei­räu­me und dürften nicht mehr mit Zu­satz­auf­ga­ben be­las­tet werden. Über­dies seien eine ziel­ge­rich­te­te Di­gi­ta­li­sie­rung und der Einsatz von KI das Gebot der Stunde. Al­ler­dings müssten auch die Bürger wieder mehr in die Pflicht ge­nom­men und zu mehr Ei­gen­ver­ant­wor­tung her­an­ge­zo­gen werden, so der Tenor.

DK 

 

 

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