Kommunalverbändezurück

(GZ-11-2023)
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► KPV-Landesvorstand und Hauptausschuss:

 

Mehr Spielraum für Kommunen!

 

Den Umständen entsprechend gut gerüstet sieht Ulrike Scharf, MdL, Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, die bayerischen Kitas. Der Freistaat leiste in punkto Kinderbetreuung einen erheblichen Kraftakt, betonte die digital zugeschaltete Politikerin im Rahmen der jüngsten Sitzung des KPV-Landesvorstands und Hauptausschusses in München, zu der Landesvorsitzender Landrat Stefan Rößle auch den bildungspolitischen Sprecher der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Prof. Dr. Gerhard Waschler, digital willkommen hieß.

Online zugeschaltet: Staatsministerin Ulrike Scharf; live dabei (v.l.): Sebastian Franz, Stefan Rößle, Thomas Karmasin und Carmen Pepiuk.
Online zugeschaltet: Staatsministerin Ulrike Scharf; live dabei (v.l.): Sebastian Franz, Stefan Rößle, Thomas Karmasin und Carmen Pepiuk.

Der Nachfragebedarf der Eltern an Kinderbetreuung ist hoch. Während vor zehn Jahren die durchschnittliche Betreuungszeit bayernweit fünf Stunden am Tag betrug, sind es mittlerweile sieben Stunden. „In meiner Regierungserklärung am 5. Juli 2022 habe ich ein Förderversprechen abgegeben: Für jeden Ganztagsplatz für Grundschulkinder, den die Kommunen bis zum Jahr 2029 schaffen, garantiert der Freistaat eine finanzielle Unterstützung bei den Investitionskosten“, betonte Staatsministerin Scharf. Dieses Versprechen werde nunmehr mit dem „Landesförderprogramm Ganztagsausbau“ in die Tat umgesetzt. Die Förderung wird unbürokratisch als Pauschale gewährt: So gibt es etwa 6.000 Euro pro Platz in Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe, vor allem in Horten.

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung

Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder tritt stufenweise ab dem Schuljahr 2026/2027 in Kraft. Zu Beginn umfasst dieser die Kinder der ersten Klasse. Bis 2029 kommt jedes Jahr ein weiterer Jahrgang hinzu. Damit haben ab dem Schuljahr 2029/2030 alle Kinder im Grundschulalter einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung. Das Betreuungsangebot muss hierfür inklusive der Unterrichtszeit acht Stunden täglich umfassen. „Damit werden die Kommunen über die Leistungen des Kommunalen Finanzausgleichs hinaus verlässlich unterstützt und erhalten Planungssicherheit“, erklärte Scharf. Gleiches gelte für die Familien.

Aktuell werden in Bayern rund 55 Prozent der Grundschulkinder auch am Nachmittag betreut. „Wir gehen davon aus, dass der Bedarf bis 2029 auf bis zu 80 Prozent steigen wird“, so die Ministerin. Vor diesem Hintergrund sind 130.000 zusätzliche Betreuungsplätze für Grundschulkinder das Ausbauziel bis zum Jahr 2028. Zudem müssen die bestehenden Angebote den neuen Anforderungen angepasst werden.

Der Bund stellt den Ländern insgesamt bis zu 3,5 Mrd. Euro Bundesmittel für Investitionen mit dem Ziel des raschen Ganztagsausbaus zur Verfügung. 750 Mio. Euro wurden an die Länder bereits im Rahmen der sogenannten Beschleunigungsmittel ausgereicht. Von den verbleibenden Mitteln entfallen 428 Mio. Euro auf Bayern. Diese werden in vollem Umfang an die bayerischen Kommunen weitergegeben.

Mehr Personal und viele Umbauten

„Eines ist aber auch klar: Je nachdem, wie gut eine Kommune bislang ausgestattet ist, bedeutet das für sie: mehr Personal und kleine oder größere Umbauten an den Gebäuden. Schließlich müssen oft auch neue Räume für die Nachmittagsbetreuung geschaffen werden“, stellte Scharf fest. „Ich nehme war, dass die bereits gewachsenen und in Anspruch genommenen Strukturen sehr unterschiedlich sind. Nicht jede Nachfrage der Familien kann auch tatsächlich abgedeckt werden.“

Mit Blick auf das Thema Fachkräftegewinnung verwies die Ministerin zunächst darauf, dass aktuell über 114.000 Fach- und Ergänzungskräfte in über 10.600 Kitas tätig sind. Von 2011 bis 2022 sei hier ein satter Zuwachs um 78,7 Prozent zu verzeichnen. Im Rahmen der Weiterbildung hätten sich seit 2017 rund 3.500 Ergänzungskräfte zu Fachkräften qualifiziert. Bis 2024 seien in Kitas zusätzlich ca. 1.200 Assistenzkräfte geplant.

Zudem sei die Zahl der Fachakademien für Sozialpädagogik zwischen 2011 und 2023 um 50 Prozent auf nun 73 gestiegen. Auch die Nachfrage nach Plätzen in Kinderpflegeschulen ist hoch. Zum neuen Schuljahr startet in Rosenheim eine Staatliche Berufsfachschule für Kinderpflege. Darüber hinaus werden in diesem Jahr 400 zusätzliche Studienplätze für Soziale Arbeit und Kindheitspädagogik bereitgestellt.

Qualifizierungsmöglichkeiten

Begleitet von reichlich Kritik hatte Scharf vergangenen Sommer ein „Gesamtkonzept für die berufliche Weiterbildung“ auf den Weg gebracht. Dieses bietet weitere Qualifikationswege für den Quer- und Neueinstieg, ergänzend zur klassischen Erzieher- und Kinderpflegeausbildung. Aufeinander aufbauende Module ermöglichen Qualifizierungsmöglichkeiten als Assistenz-, Ergänzungs- oder Fachkraft. Wie die Ministerin ausführte, „sind beim Block A, das heißt der untersten Konzeptstufe, über 700 Assistenzkräfte bald einsatzbereit und zusätzlich auf dem Markt“. Aktuell werden 42 Kurse durchgeführt, die nächsten 40 sind in Vorbereitung. Scharf sprach von „guten Nachrichten“, sie freue sich über die hohe Nachfrage.

Ergänzend wies sie darauf hin, dass es bei der Anerkennung ausländischer Fachkräfte in den sozialen Berufen Sozialpädagogik und Kindheitspädagogik eine sog. Fastlane gebe. Dies bedeutet, dass die Anerkennung im Einzelfall sehr viel schneller geschehen kann als im normalen Verfahren. Die Koordinierungs- und Beratungsstelle Berufsanerkennung (KuBB), angesiedelt bei der Regierung von Mittelfranken, stehe hier beratend zur Seite.

Einstiegsgruppen

Mit Blick auf die Berufsanerkennung von Geflüchteten wurden laut Scharf vor einem Jahr Einstiegsgruppen für die Kinderbetreuung geschaffen. In einer Einstiegsgruppe kann die Zeit bis zur Aufnahme in eine reguläre Einrichtung überbrückt und die Kinder an den Kita-Besuch herangeführt werden. Durch den Wegfall der Anforderungen an die Bildung in deutscher Sprache wird insbesondere im Zuge der Fluchtbewegung aus der Ukraine die Möglichkeit geschaffen, Angebote, bei denen ukrainische Kinder von ukrainischem pädagogischem Personal gebildet, erzogen und betreut werden, staatlich zu fördern. Ein mutmachendes Beispiel für die Absenkung von Standards.

Familienpolitik ist von zentraler Bedeutung und betrifft alle Lebensbereiche. Da Familien selbst über die Gestaltung ihres Lebensalltags entscheiden sollen, werden sie vom Freistaat in allen Lebensbereichen unterstützt. Nach Angaben der Ministerin wurden seit Einführung des Familiengeldes 2018 fast 3,5 Milliarden Euro ausbezahlt. Davon hätten bereits rund 824.000 Kinder profitiert.

Anpassung an Baukosten

Stefan Schelle, Bürgermeister von Oberhaching und Vorsitzender des Regionalen Planungsverbands München, forderte in der anschließenden Diskussion beim Thema Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung eine pauschalierte Förderung pro Platz, die ohne große Administration abläuft. Vor allem aber sei eine schnelle Anpassung an die Baukosten vonnöten. „Wir haben 35 bis 40 Prozent Baukostensteigerung und die ganzen Förderthematiken richten sich an irgendwelche gemittelten Baukosten der vergangenen fünf Jahre. Das ist mittlerweile komplett aus dem Ruder gelaufen. Hier müssen in der Fördertechnik pragmatische Wege gefunden werden“, stellte Schelle fest.

Nachjustierung beim Vergaberecht

Darüber hinaus forderte er eine Nachjustierung beim Vergaberecht. Bei Standards und Vorgaben müsse man „die Kirche im Dorf lassen“. Baunebenkosten und Architektenleistungen seien mittlerweile „absurd hoch“. Für die Ausschreibung, zum Beispiel eines Schulbaus, benötige man gesonderte IngenieurIeistungen. „Wenn nicht alles extra ausgeschrieben wird, läufst du Gefahr, keine Fördermittel zu bekommen“, monierte Schelle.

Auf die Personalproblematik zu sprechen kommend, betonte der Rathauschef: „Wir befinden uns gerade beim Mietspiegel in einer Spirale, die nach oben explodiert. Wir machen uns das Leben schwer.“ Auch die Tatsache, dass eine Erzieherin ab dem ersten Tag ihrer Schwangerschaft nicht mehr zur Arbeit erscheinen darf, sollte überdacht werden: „Wir müssen beim Personal flexibler werden. Natürlich muss Qualität in der Kinderbetreuung an oberster Stelle stehen. Aber wir sind in punkto Fortbildung, Ausbildung, Anerkennung manchmal zu pingelig, gerade dann, wenn es um ukrainische Bürger geht. Die Prozesse dauern schlichtweg zu lange.“

In einem kurzen Impulsreferat ging der bildungspolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, Prof. Dr. Gerhard Waschler, zunächst auf das Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) ein, in dessen Verflechtung von Schule und Kinderbetreuung der „Teufel im Detail“ stecke. Eine Ganztagspflicht besteht laut Waschler hierbei nicht, genauso wenig ein Anspruch auf einen kostenfreien Ganztagsplatz bzw. auf einen Ganztagsschulplatz.

Des Weiteren verwies der Bildungspolitiker unter anderem auf die von der Staatsregierung beschlossene Erhöhung des Meisterbonus rückwirkend zum 1. Januar auf 3.000 Euro. Bayern wolle die Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung voranbringen, „Master und Meister sollen gleichgesetzt werden.“ Ein wichtiger und richtiger Schritt sei auch die sukzessive Erhöhung der Besoldung von Grund- und Mittelschullehrkräften auf A13 ab Juni dieses Jahres, wobei auch die Privatschulen nicht außer Acht gelassen werden sollten.

Als erfreulich wertete Waschler zudem den Umstand, dass Bayern in punkto Bildungsgerechtigkeit mit seinem differenzierten und durchlässigen Bildungswesen deutschlandweit an der Spitze liegt. Folgerichtig weise der Freistaat mit 5,1 Prozent die niedrigste Quote an Schulabgängern deutschlandweit auf. Zum Vergleich: In Bremen sind es mit zehn Prozent anteilig fast doppelt so viele.

DK

 

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