Kommunalverbändezurück

(GZ-5-2023)
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► DStGB-Positionspapier zur Migrationspolitik:

 

Ruf nach Masterplan

 

Zahlreiche Städte und Gemeinden sind an ihrer Belastungsgrenze. Die bewussten russischen Angriffe auf die Energie-Infrastruktur führen zu dramatischen Verhältnissen. Laut Deutschem Städte- und Gemeindebund muss eine EU-weite Verteilung der Flüchtlinge sichergestellt werden.

Zudem sind Bund und Länder aufgefordert, Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen sowie die Finanzausstattung und Integration zu verbessern. Insgesamt fordert der Kommunalverband eine Neuausrichtung mit einem Masterplan Migrationspolitik.

Deutlicher Anstieg der Bewerberzahler

Nach Angaben des DStGB sind derzeit rund eine Million ukrainische Flüchtlinge registriert. Nach der Aufhebung der durch Corona bedingten Reisebeschränkungen steigt auch die Zahl der Asylbewerber aus Drittstaaten wieder deutlich an. 2022 wurden rund 220.000 Asylerstanträge in Deutschland gestellt, rund 45 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Damit werden wieder die Zahlen von 2014 und 2017 erreicht. Deutschland ist weiter innerhalb der EU das Hauptzielland von irregulärer Sekundärmigration aus Griechenland, aber auch aus Italien und Spanien. Hier kommen vor allem anerkannte, aber noch nicht integrierte Geflüchtete nach Deutschland. Darüber hinaus ist ein verstärkter Zustrom aus der und über die Türkei zu beobachten, zudem ein signifikanter Aufwuchs von Migranten aus Ländern aus dem Balkan, die nicht zuletzt aufgrund der neuen Visumsfreiheit in Serbien den Weg nach Deutschland suchen.

Professionelle Unterbringungsstrukturen

Die Folgen dieses Ankunftsgeschehens zeigen sich laut DStGB in den Städten und Gemeinden mittlerweile sehr deutlich. Trotz professionell entwickelter Unterbringungsstrukturen sei die Mehrzahl der staatlichen und kommunalen Unterkünfte mit Asylbewerbern, Flüchtlingen, Migranten aus dem Resettlement-Programm und afghanischen Ortskräften belegt. Hinzu kämen die aus der Ukraine geflohenen Menschen.

Personal an der Belastungsgrenze

Im Vergleich zu den Jahren 2015/2016 seien in der aktuellen Situation die Rahmenbedingungen deutlich angespannter. Die Beschäftigten in den Kommunen seien nach mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie erschöpft und teilweise an der Belastungsgrenze. Außerdem führe die Energie- und Wirtschaftskrise dazu, dass die finanziellen Mittel der Kommunen ohnehin eingeschränkt sind und für die Unterbringung geflüchteter Menschen weniger Mittel bereitstehen. „Insofern werden wir auch die Asylstandards in Deutschland hinterfragen müssen“, heißt es in dem Papier.

3,3 Millionen Schutzsuchende

Ende 2022 lebten einschließlich der Kriegsvertriebenen aus der Ukraine rund 3,3 Millionen Schutzsuchende in Deutschland, darunter über 300.000 abgelehnte Asylbewerber. Auch um die Solidarität zu erhalten, würden schnelle Entscheidungen im Asylverfahren und dann im Falle einer Ablehnung eine gezielte Rückführungsoffensive, wie sie auch im Koalitionsvertrag angelegt ist, benötigt, betont DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg.

Schnelle Verfahren und Rückführungen wirkten auch der oftmals kritisierten Tatsache entgegen, dass gut integrierte Personen, die Arbeit gefunden haben, abgeschoben werden sollen. In diesem Zusammenhang sei das Chancen-Aufenthaltsrecht kritisch zu betrachten. Bereits jetzt biete das Aufenthaltsgesetz vielfältige Möglichkeiten für den Wechsel aus einem erfolglosen Asylverfahren in einen legalen Aufenthalt. Bei der Langzeitduldung handle es sich häufig um Personen, die kein starkes Interesse gezeigt haben, ihre gesetzlichen Mitwirkungspflichten zu erfüllen oder kaum ernstgemeinte Bestrebungen unternommen haben, sich in Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu integrieren. „Die Bleiberechtsregelung darf nicht als Anreiz wirken, einen Asylantrag zu stellen, der von vornherein keine Aussicht auf Anerkennung hat. Eine Vermischung von Asylrecht und dem Recht der Fachkräfteeinwanderung sollte vermieden werden“, fordert Landsberg.

Deutlich mehr Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen

Für eine Neuausrichtung in der Migrationspolitik hält es der DStGB überdies für erforderlich, deutlich mehr Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder zu schaffen. Auch müsse der Bund in seinen Liegenschaften für Unterbringungsmöglichkeiten sorgen.

Mit Blick auf die in Deutschland lebenden Kriegsvertriebenen aus der Ukraine fordert der Kommunalverband mehr Unterstützung von Bund und Ländern bei der Integration. Die überwiegende Mehrheit der erwachsenen Geflüchteten sind Frauen (80 Prozent), 48 Prozent mit minderjährigen Kindern. Nach einer aktuellen Umfrage wollen rund 40 Prozent länger oder dauerhaft in Deutschland bleiben. Umso wichtiger sei es, ihnen durch ausreichende Deutschkurse und die Anerkennung der Berufsabschlüsse den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, zumal viele von ihnen ein hohes Bildungsniveau aufwiesen. Immerhin verfügten 72 Prozent über einen Hochschulabschluss.

Über 200.000 ukrainische Schüler besuchen besuchen aktuell die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen – Tendenz steigend. Zunehmend werden diese in Regelklassen unterrichtet, was besondere Anforderungen an die Lehrkräfte stellt. Die zusätzlichen Schüler treffen auf einen Lehrermangel. „Von daher wäre es wichtig, die berufliche Anerkennung von Lehrkräften unter den Kriegsvertriebenen aus der Ukraine zu beschleunigen“, lautet ein weiterer Appell.

Bessere Möglichkeiten der Arbeitsmarktintegration

„Es scheint wesentlich bessere Möglichkeiten der Arbeitsmarktintegration als bei den Flüchtlingen aus den Jahren 2015/2016 zu geben“, heißt es im Positionspapier. Nur etwa ein Drittel der rund 800.000 Syrer und Afghanen im erwerbsfähigen Alter gehe einer steuerpflichtigen Beschäftigung nach. Mit Blick auf die Ukrainer sei es wichtig, ausreichend Sprachkurse anzubieten und die Anerkennung der Berufsabschlüsse zu beschleunigen. Der Bund sei aufgerufen, die Sprachkurse auszuweiten. Gleichzeitig müsse das BAMF den bürokratischen Aufwand für die Kursträger reduzieren und die Qualifikationsanforderungen an die Dozenten flexibler handhaben. Für die Kitabetreuung würden darüber hinaus weiter u.a. bundesfinanzierte Brückenangebote benötigt. Vor diesem Hintergrund erachtet der DStGB die Einstellung des bundesfinanzierten Programms der Sprachkita als „vollkommen inakzeptabel“.

Nach Landsbergs Auffassung werde der Masterplan nur erfolgreich sein, wenn eine dauerhafte und nachhaltige Finanzierung gesichert wird. „Bisher gibt es Finanzzusagen des Bundes nur bis zum Jahr 2023, nämlich 1,5 Milliarden Euro für die Ukraine-Vertriebenen und 1,25 Milliarden Euro für Asylbewerber. Das ist zwar anzuerkennen, reicht aber nicht aus, um insbesondere die großen Vorhaltekosten der Kommunen, zum Beispiel im Bereich Kita und Schule, abzudecken. Gleichzeitig brauchen wir klare Finanzzusagen von Bund und Ländern, insbesondere für das Jahr 2024, da die Planungen und deren Umsetzung in den Städten und Gemeinden jetzt laufen.“

Gerechtere Verteilung

Ein wichtiger Baustein eines Masterplans müsse auch eine bessere und gerechtere Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU sein, kommentiert Landsberg. „Das ist zwar immer wieder angekündigt worden, aber bislang nicht umgesetzt.“

Die Kommunen benötigten bei der Aufnahme von Flüchtlingen eine „Atempause“. Eine ungesteuerte Sekundärmigration von Flüchtlingen aus der Ukraine, die bereits in anderen Ländern der EU Schutz erhalten haben, gelte es zu unterbinden. Die Bundesregierung müsse sich hier für eine zielgenauere Verteilung einsetzen. Zudem sei illegalen Grenzübertritten in die EU zu begegnen. Dort sollte dies „auf der Basis des unter der deutschen Ratspräsidentschaft vorangetriebenen EU-Asyl- und Migrationspakts der EU-Kommission geschehen. Dies betrifft vor allem die erhoffte Grundsatzeinigung der EU-Staaten auf ein neues Dublin-Verfahren mit individuellen Beiträgen für die Aufnahme und Verteilung von Geflüchteten in der EU.“ „Die Blockadehaltung, die mittlerweile von einer Vielzahl von EU-Staaten ausgeht, muss zwingend aufgegeben werden“, fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Dabei müsse sichergestellt werden, dass nicht einige wenige Staaten die Hauptlast tragen.

„Der Bund muss das aktuelle und zu erwartende Ankunftsgeschehen von Flüchtlingen mit den Kommunen teilen und alle föderalen Ebenen frühzeitig über Fluchtbewegungen informieren“, macht Landsberg abschließend deutlich. „Wir brauchen ein Frühwarnsystem des Bundes zur Vorbereitung aus kommunaler Ebene. Bei der Zuweisung von Asylbewerbern muss auch die Zahl der aufgenommenen Ukraineflüchtlinge berücksichtigt werden.“

DK

 


TV-Beitrag von TV-Bayern.

 

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