Kommunalverbändezurück

(GZ-4-2023)
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► Jahrestagung von dbb beamtenbund und tarifunion:

 

Comeback des starken Staates?

 

Ukraine-Krieg, Energiekrise, Rekord-Inflation, Fachkräftemangel, Klimawandel, Cyberkriminalität: Krisen bestimmen unseren Alltag und erhöhen den Druck auf die staatlichen Institutionen. Gefragt sind neue Strategien für politisches und staatliches Handeln. Was aber ist notwendig für ein Comeback des starken Staates? Diese Frage wurde auf der dbb Jahrestagung in Köln mit Gästen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Gesellschaft diskutiert.

Ulrich Silberbach. Bild: dbb/Marco Urban
Ulrich Silberbach. Bild: dbb/Marco Urban

„Wir müssen raus aus dem Krisenmodus. Die größte Gefahr für die Demokratie, für den Zusammenhalt unseres Gemeinwesens und auch für unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand ist ein kaputt gesparter, nicht funktionsfähiger öffentlicher Dienst“, betonte dbb-Bundesvorsitzender Ulrich Silberbach. Die politisch Verantwortlichen müssten sich gegenüber den Menschen im Land endlich ehrlich machen und nichts versprechen, was nicht zu halten sei.

Bürgerinnen und Bürger wollen gut regiert werden

„Wenn wir den Personalmangel im öffentlichen Dienst nicht stoppen, den peinlichen Digitalisierungsstau nicht auflösen, dann gibt es weniger Daseinsvorsorge“, erläuterte Silberbach deutlich.

„Die Bürgerinnen und Bürger wollen nicht weichgespült, sondern einfach gut regiert, die Beschäftigten professionell geführt werden. Und dazu gehören unabdingbar eine funktionierende Daseinsvorsorge und ein zeitgemäß ausgestatteter und gestalteter öffentlicher Dienst.“

Mit Blick auf die Debatte über Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst unterstrich der Vorsitzende, dass jenen, die nicht mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Verfassung stehen, „konsequent klare Kante“ gezeigt werden müsse, denn „sie beschädigen das Vertrauen der Menschen in die öffentlichen und demokratischen Institutionen. Vor allem aber diskreditieren sie die Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die tagtäglich rechtschaffen und verlässlich ihren Job machen.“

Klare Antworten unseres Rechtsstaates

Zugleich warnte er aber davor, den gesamten öffentlichen Dienst „wegen einzelner krimineller Extremisten unter Generalverdacht“ zu stellen und bei einer gewünschten Beschleunigung des Entfernens aus dem Dienst rechtsstaatliche Verfahren zu missachten.

In Sachen Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes wünscht sich Silberbach den gleichen Lösungs- und Umsetzungseifer, den die Politik derzeit bei Änderungen des Disziplinarrechts an den Tag lege. „Hier bedarf es einer klaren Antwort unseres Rechtsstaates. Und die kann nicht lauten: Personalien aufgenommen und ‚Tschüss‘. Strafverfolgung findet nämlich wegen einer total unterbesetzten Justiz nicht immer ausreichend statt“, kritisierte der dbb-Chef.

Bessere Fachkräftegewinnung

Bundesinnenministerin Nancy Faeser würdigte die Leistungen des öffentlichen Dienstes und kündigte eine bessere Fachkräftegewinnung an. „Wir brauchen die klügsten Köpfe. Deshalb werden wir eine crossmediale Kampagne für die Bundesverwaltung starten, um für die Arbeit beim Staat zu werben.“ Die Bundesregierung wolle außerdem mehr Menschen mit Migrationshintergrund für den öffentlichen Dienst gewinnen und dafür beispielsweise Bewerbungsprozesse optimieren.

Mit Blick auf attraktive Arbeitsbedingungen versprach Faeser, zu einer tragfähigen Lösung zu gelangen. Für die verfassungskonforme Besoldung und Versorgung beim Bund wolle sie außerdem darauf drängen, dass ein entsprechendes Gesetz „sehr bald“ kommt. Auch beim langjährigen Streit um die Arbeitszeit der Bundesbeamten signalisierte sie Gesprächsbereitschaft: „Ich lasse prüfen, wie wir hier für besonders belastete Berufsgruppen Entlastung schaffen können.“

Nach den Attacken auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht erklärte die Bundesministerin, Angriffe auf Beschäftigte nicht hinzunehmen. „Der Staat muss sich vor die Beschäftigten stellen. Täter müssen schnell bestraft werden, nur das schafft Respekt vor dem Rechtsstaat.“

In der Diskussion um sogenannte Reichsbürger im öffentlichen Dienst stellte Faeser fest: „Wer für den Staat arbeitet, muss sich aktiv zu unseren Grundwerten bekennen. Wir lassen nicht zu, dass der Rechtsstaat von Extremisten sabotiert wird – sie haben im öffentlichen Dienst nichts zu suchen.“

Bei der Digitalisierung der Verwaltung muss der Staat besser und schneller werden

In punkto Digitalisierung der Verwaltung – insbesondere beim Onlinezugangsgesetz – räumte Faeser ein: „Hier muss der Staat auf allen Ebenen besser und schneller werden.“ Prozesse dürften allerdings nicht einfach digitalisiert, sondern müssten zuvor grundlegend verbessert werden. „Angesichts von 40.000 Behörden im Land und allein 11.000 Städten und Gemeinden ist das allerdings weiter eine Mammutaufgabe.“

Ein Plädoyer für den öffentlichen Dienst als Stabilisator für den gesellschaftlichen Zusammenhalt hielt Prof. Dr. Udo Di Fabio, Bundesverfassungsrichter a.D. Insgesamt, so Di Fabio, habe sich die Bundesrepublik zu sehr an das „tragende Fundament öffentlicher Dienst“ gewöhnt, ohne von Zeit zu Zeit auf Bruchstellen zu achten. „Wir haben zu viel Vertrauen in eine scheinbar ewig funktionierende Infrastruktur entwickelt, zu wenig investiert und sich verändernde Rahmenbedingungen ignoriert.“ Eine Diagnose, die auch Verwaltungsdienstleistungen und Verfahren umfasse. Soll am Ende nicht aus vielen kleinen Krisen eine große Staatskrise werden, müsse die Politik wieder stärker in den Fokus nehmen, „dass der öffentliche Dienst die verfassungsrechtliche Grundlage für das öffentliche Gemeinwesen bildet und gleichzeitig eine Garantie für entsprechende Infrastrukturen und Dienstleistungen gewährt.“

Enormer Investitionsstau in den Kommunen

Politik und Wissenschaft waren sich einig, dass insbesondere in Krisenzeiten Geld für einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst vorhanden sein muss. Katja Dörner, Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn, verwies auf den enormen Investitionsstau in den Kommunen, der laut Deutschem Städtetag bei über 150 Milliarden Euro liege. „Auf Dauer führt das dazu, dass etwa in manchen Turnhallen keine Reparaturen mehr möglich sind. Da sind die Kommunen mittlerweile an einem Kipppunkt.“ Diesen Investitionsstau aufzulösen sei aber nicht nur eine Frage der Finanzen, sondern auch der verfügbaren Fachkräfte, um die durchaus vorhandenen Mittel auch auszugeben. Hier mache sich auch der demografische Wandel bemerkbar: „30 Prozent unserer Fachkräfte in Bonn verlassen uns in den nächsten Jahren altersbedingt.“

Gerade die vergangenen Jahre hätten gezeigt, wie wichtig eine starke Kommunalverwaltung sei, stellte Dörner fest und plädierte daher auch für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen durch Bund und Länder. „Wir brauchen grundsätzlich mehr Geld, nicht immer neue Förderprogramme.“ Sonst würden in den Haushalten der Städte und Gemeinden immer wieder alles „hinten runterfallen, was keine kommunale Pflichtaufgabe ist“. Dies gelte aktuell beispielsweise für den Klimaschutz. Die Bonner Rathauschefin appellierte insbesondere an den Bund, keine Gesetze zu Lasten der Kommunen zu erlassen und nannte die Wohngeld-Reform als aktuelles Beispiel: „Inhaltlich finde ich das gut, hier erhalten Menschen gezielt Unterstützung. Aber alleine in Bonn müssen wir für die Umsetzung dieser Neuerungen 32 zusätzliche Stellen schaffen.“

Dem Fachkräftemangel begegnen durch mehr Ausbildungskapazitäten

Dr. Uda Bastians, Beigeordnete und Leiterin des Dezernats Recht und Verwaltung beim Deutschen Städtetag, will dem Fachkräftemangel, der insbesondere im Ingenieurswesen und der IT sowie Pflege und Betreuung eklatant sei, unter anderem durch mehr Ausbildungskapazitäten im öffentlichen Dienst begegnen. „Wir wollen zum Beispiel den Studiengang Verwaltungsinformatik aufstocken, denn an der Ausbildung darf es nicht scheitern; damit wir die Leute, die das machen wollen, auch in die Berufe bekommen.“ In diesem Zusammenhang sei auch die Zuwanderung von Fachkräften unabdingbar. Junge Menschen für den öffentlichen Dienst zu begeistern, indem man Sinnhaftigkeit, Vielfalt und Perspektiven der Berufe herausstelle und dafür werbe, sei ebenfalls ein gangbarer Weg zu mehr Bewerbern: „Wir müssen das viel mehr in die Gesellschaft tragen und dem Beamtenbashing entschieden begegnen.“

DK

 

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