Kommunalverbändezurück

(GZ-24-2022)
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► Präsidiumssitzung des Deutschen Städtetags:

 

Deutschland muss krisenfester werden

 

Stabilität im Fokus: Der Deutsche Städtetag hat Bund und Länder aufgefordert, gemeinsam das Katastrophen- und Krisenmanagement voranzutreiben. Die Entlastungen mit der Strom- und Gaspreisbremse benötigten einen gesetzlichen Rahmen, unterstrich der Präsident des Deutschen Städtetags, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster, nach Sitzungen von Präsidium und Hauptausschuss des kommunalen Spitzenverbandes in Hannover. Für eine bessere Versorgungssicherheit müssten außerdem die erneuerbaren Energien viel schneller ausgebaut und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.

Die angekündigte Dezemberhilfe und die Preisdeckel für Strom und Gas seien gute Instrumente, um die Belastungen der Menschen in Grenzen zu halten, erklärte Lewe: „Die Zeit drängt ungemein. Das Versprechen der Preisbremsen für Strom und Gas muss jetzt umgehend konkret werden. Wir halten es für richtig, die Preisbremsen erst zum 1. März einzuführen, dann aber rückwirkend zum 1. Januar greifen zu lassen. Gas- und Strompreisbremse müssen dabei rechtssicher und operativ umsetzbar sein. Die Städte erwarten, dass die Gaspreisbremse auch kommunale Einrichtungen entlastet. Wo diese Entlastungen und auch die Härtefallregelung des Bundes nicht greifen, müssen die Länder zusagen, dass sie helfen. Betroffene Einrichtungen, besonders im Sozial- und Jugendbereich, aber auch Vereine, Sport und Kultur brauchen dann die Unterstützung der Länder.“

Die Städte bereiten sich auf den Ernstfall vor und spielen mit den Krisenstäben verschiedene Szenarien durch. Abläufe werden geübt, Ansprechpersonen aktualisiert, technische Voraussetzungen geprüft: Was kann abgeschaltet werden, wenn eine Überlastung des Netzes droht? Prioritäten werden gesetzt, um im Notfall sehr schnell entscheiden zu können. Viele Städte schaffen für vulnerable Gruppen Anlaufstellen, sogenannte Leuchttürme, die im Ernstfall in Betrieb genommen werden können. Inzwischen sind Lewe zufolge zwar die Gasspeicher voll, aber Risiken bleiben: „Es sieht im Moment so aus, dass wir beim Gas mit Ach und Krach durch den Winter kommen. Aber Fragen bleiben: Spielt das Wetter mit? Wie erfolgreich sparen wir Energie ein? Beim Strom müssen wir uns auf Blackouts vorbereiten – sie können wenige Minuten dauern, in schlimmen Fällen aber auch mehrere Stunden. Auch Cyberangriffe oder Sabotage auf kritische Infrastruktur sind nicht auszuschließen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Deutschland insgesamt krisenfester wird. Es geht darum, unsere Lebensgrundlagen vor langanhaltenden Krisen zu schützen.“

Resilienzstrategie

Die Resilienzstrategie des Bundes sei ein guter Anfang. Auch das geplante Dachgesetz zum Schutz der kritischen Infrastruktur ist aus Sicht der Städte sinnvoll. Sie erwarten jetzt, dass der Bund konkrete Leitlinien und Anforderungen für kritische Infrastrukturen erarbeitet und dabei die Expertise der Städte einbezieht.

Wachsende Anforderungen an den Katastrophenschutz

Die Anforderungen an den Katastrophenschutz der Städte wachsen mit den komplexen Gefahrenlagen deutlich. Benötigt würden mehr Personal für Krisenstäbe und Feuerwehren, Notstromaggregate, ein Vorrat an Treibstoffen. Kritische Infrastruktur wie Krankenhäuser und Wasserversorgung müssten aufrechterhalten werden. Aber auch der kommunale Katastrophenschutz könne an Grenzen stoßen.

Einen langanhaltenden Ausfall der Energieversorgung über viele Stunden könnten die Städte allein nicht schaffen. Deshalb müssten Bund und Länder mit den Kommunen viel stärker in ein gemeinsames Risiko- und Krisenmanagement eintreten. „Wir können aus der Corona-Pandemie lernen und Krisenstrukturen stärken. Umso unverständlicher ist es, dass der Bund laut Haushaltsentwurf das Budget für das bundesweite Sirenenprogramm kürzt, statt aufstockt“, kritisierte der Verbandspräsident.

Eigenvorsorge stärken

Auch die Eigenvorsorge der Bevölkerung und das Krisenbewusstsein müssten wachsen, erklärte Lewe: „Wir haben seit Generationen wenig Erfahrung mit existenziellen Krisen. Deshalb müssen wir wieder einüben, was wir an Vorsorge brauchen, ohne panisch zu reagieren. Das Bundesamt für Katastrophenschutz muss hier zum wichtigsten Player werden, um die Menschen zu erreichen. Das Warn- und Alarmsystem muss noch besser vor konkreten Gefahren warnen.“

Die aktuelle Krise zeige, wie abhängig Deutschland immer noch von fossiler Energie sei. Deshalb müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien noch schneller gehen. Die Städte wollen entscheidende Schritte hin zu Klimaneutralität gehen können. Nach Lewes Auffassung „müssen wir den Turbo für den Ausbau von erneuerbaren Energien einlegen und schneller umsteigen. Sonst werden wir weder die Energiekrise noch die Klimakrise bewältigen. Die Menschen klimaneutral, sicher und bezahlbar mit Energie zu versorgen, steht im Zentrum aller Anstrengungen. Aber der Ausbau erneuerbarer Energien kommt aktuell nur schleppend voran. Bis ein Windpark oder große Solaranlagen tatsächlich Strom liefern, verstreichen mehrere Jahre mit Planung, Genehmigung und Klageverfahren. Wir verlieren Zeit! Der Bund hat zwar inzwischen den gesetzlichen Rahmen verbessert. Aber das reicht noch nicht weit genug. Wir befürchten, dass gerade der Aufbau von Windkraftanlagen und Photovoltaik auf Freiflächen nicht schnell genug Fahrt aufnimmt.“

Erneuerbare Energien schneller ausbauen

Die Städte diskutierten deshalb weitere Hebel, damit die erneuerbaren Energien schneller ausgebaut werden können. Die Debatte bei Bund und Ländern müsse fortgeführt werden. In Frage kämen zum Beispiel eine Personaloffensive für alle Planungs- und Genehmigungsbehörden bei Ländern und Kommunen sowie ein beschleunigtes Verfahren für LNG-Terminals (Flüssiggas) als Blaupause auch für erneuerbare Energien, da diese Anlagen ebenfalls im besonderen öffentlichen Interesse liegen.

Mit Blick auf die humanitäre Verantwortung der Städte wiesen Präsidium und Hauptausschuss darauf hin, dass Bund und Länder etwa durch eine bessere Verteilung der Geflüchteten sowie den deutlichen Ausbau der Kapazitäten für die Erstaufnahme für Entlastung sorgen müssten. Die Städte verurteilen jegliche Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und fordern alle gesellschaftlichen Akteure auf, fremdenfeindlichen Tendenzen entschieden Paroli zu bieten.

Offene Türen für Kriegsflüchtlinge

Laut dem Vizepräsidenten des Deutschen Städtetags, Oberbürgermeister Burkhard Jung aus Leipzig, benötigen die Menschen, die vor dem Elend des brutalen russischen Angriffskrieges in ihrer Heimat fliehen müssen, offene Türen. „Wir brauchen den Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen für die Versorgung von Geflüchteten. Das gilt gleichermaßen für Asylsuchende aus anderen Herkunftsländern.“ Mit Sorge blicke man auf den kommenden Winter. Die Aufnahmekapazitäten seien vielerorts erschöpft, Zeltunterkünfte und Turnhallen müssten bereits genutzt werden. Der Krieg in der Ukraine tobe weiter und aufgrund sinkender Temperaturen und angesichts zerstörter Versorgungsleitungen und Kraftwerke sei zu erwarten, dass weitere Ukrainer ihr Land verlassen müssen.

Bundesregierung steht vielfach in der Pflicht

Wie Jung betonte, „müssen wir erstens wissen, auf welche Szenarien wir uns einstellen müssen. Die Bundesregierung muss ihr Lagebild mit den Kommunen teilen und alle Ebenen frühzeitig über Fluchtbewegungen informieren. Deutschland sollte zweitens die Ukraine verstärkt beim Wiederaufbau von zerstörten Infrastrukturen unterstützen. Mehr Städte in der Ukraine müssen wieder winterfest werden.“ Dies helfe der ukrainischen Regierung bei ihrem Bemühen, Fluchtbewegungen innerhalb der Ukraine in sichere Gebiete zu ermöglichen und den Menschen ihre Heimat zu erhalten. Zudem sei es erforderlich, dass der Bund die Verteilung verbessert und die Länder die Plätze in ihren eigenen Erstaufnahmeeinrichtungen deutlich aufstocken und dauerhafte bezugsfertige Kapazitäten errichten, die die Kommunen gegebenenfalls betreiben könnten.

Die Zusage von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, über 60 weitere Bundesimmobilien für die Unterbringung von Geflüchteten bereitzustellen, sei zwar gut, müsse aber nun schnell und praxistauglich umgesetzt werden. Viele Objekte müssten zunächst auf Eignung geprüft und eingerichtet werden.

Städte müssen massiv investieren können

Auch bei der Finanzierung der Leistungen für Geflüchtete sei nun Tempo gefragt, unterstrich der Verbandsvize: „Der Bund hat weitere 1,5 Milliarden Euro für die Versorgung und Unterbringung Geflüchteter für dieses Jahr zugesagt. Wichtig ist zunächst, dass das Geld schnell und vollständig bei den Städten ankommt. Dafür haben die Länder Sorge zu tragen. Im kommenden Jahr sind 1,5 Milliarden Euro für die ukrainischen Geflüchteten vorgesehen und die allgemeine flüchtlingsbezogene Pauschale soll auf 1,25 Milliarden Euro verstetigt werden. Wir müssen uns aber ehrlich machen: Das Geld, das auf den Tisch kommen soll, wird nicht ausreichen. Spätestens Ostern müssen wir über weitere Mittel reden. Und wenn die Bundesmittel nicht reichen, dann sind auch die Länder in der Pflicht, nachzulegen.“

Finanzierung völlig offen

Noch sei völlig offen, wie die langfristige Integration finanziert werden soll. Der Bund habe bislang keine Perspektive für die zusätzlich notwendigen Investitionen in den Städten aufgezeigt. Jung mahnte: „Die Städte müssen massiv investieren können. Wir brauchen mehr Kitaplätze. Wir brauchen mehr Schulen. Wir brauchen mehr Wohnraum. Die Bewältigung dieser Herausforderungen können wir nicht einfach in die nächsten Jahre vertagen. Die Planungen müssen unmittelbar beginnen, damit wir rasch die notwendige Infrastruktur aufbauen können.“

DK

 

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