Kommunalverbändezurück

(GZ-19-2022)
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► Waldtag Bayern:

 

„Wer braucht den Wald?“

Multifunktionale Wälder für Mensch, Natur, Klima … und Zukunft!

Beim diesjährigen Waldtag Bayern der Vertreter der Bayerischen Forstwirtschaft (VBF) wurde die Frage „Wer braucht den Wald?“ umfassend bearbeitet und beantwortet. Zunächst durch vier Impulsreferate und in einer Podiumsdiskussion. Später am konkreten Objekt im Siebentischwald der Stadt Augsburg. Die Vortragenden zeigten an verschiedenen Beispielen, welche wertvollen Leistungen unsere Wälder für Menschen, Natur und den Klimaschutz bringen. In der Diskussion wurde aber auch von Urban Treutlein vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung Landwirtschaft und Forsten klar herausgestellt, dass der Klimawandel unsere Wälder an vielen Orten in Bayern aufs Ärgste bedroht und sehr schnell gehandelt werden muss, damit unsere Wälder auch in Zukunft überleben und ihre wertvollen Leistungen für alle bereitstellen können. Veranstalter des Waldtages Bayern sind die Vertreter der Bayerischen Forstwirtschaft, ein bundesweit einmaliger Zusammenschluss von 20 bayerischen Forstverbänden und -organisationen in Kooperation mit dem Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan.

Die Vertreter der Bayerischen Forstwirtschaft präsentieren Ihre gemeinsame Botschaft am Waldtag Bayern 2022. V.l.: Dr. Christian Wippermann, Bayer. Forstverein, Robert Bocksberger, Bayer. Staatsforsten, Jürgen Kircher, Forstverwaltung Stadt Augsburg, Urban Treutlein, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Joachim Schwarzer, Forsttechnikerverband, Bernd Lauterbach, Bund Deutscher Forstleute, Cornelia Hesse, Bayer. Gemeindetag, Prof. Dr. Manfred Schölch, Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft, Josef Ziegler, Bayer. Waldbesitzerverband, Johann Koch, Bayer. Bauernverband und Verein für forstl. Standortserkundung, Viktoria Gindele van Kempen, Familienbetriebe Land und Forst, Simon Tangerding, Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Isabelle Jarisch, Sprecherin der VBF, Dr. Peter Pröbstle, Verband der höheren Verwaltungsbeamtinnen und Verwaltungsbeamten in Bayern e.V. und Andreas Schlegel, IG Bauen-Agrar-Umwelt. Bild: C.Josten/ZWFH
Die Vertreter der Bayerischen Forstwirtschaft präsentieren Ihre gemeinsame Botschaft am Waldtag Bayern 2022. V.l.: Dr. Christian Wippermann, Bayer. Forstverein, Robert Bocksberger, Bayer. Staatsforsten, Jürgen Kircher, Forstverwaltung Stadt Augsburg, Urban Treutlein, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Joachim Schwarzer, Forsttechnikerverband, Bernd Lauterbach, Bund Deutscher Forstleute, Cornelia Hesse, Bayer. Gemeindetag, Prof. Dr. Manfred Schölch, Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft, Josef Ziegler, Bayer. Waldbesitzerverband, Johann Koch, Bayer. Bauernverband und Verein für forstl. Standortserkundung, Viktoria Gindele van Kempen, Familienbetriebe Land und Forst, Simon Tangerding, Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Isabelle Jarisch, Sprecherin der VBF, Dr. Peter Pröbstle, Verband der höheren Verwaltungsbeamtinnen und Verwaltungsbeamten in Bayern e.V. und Andreas Schlegel, IG Bauen-Agrar-Umwelt. Bild: C.Josten/ZWFH

„Multifunktionalität bedeutet viele Ansprüche auf einer Fläche zu vereinen und die Bereitstellung dieser Ökosystemleistungen nimmt eine immer wichtigere Rolle in der Waldbewirtschaftung ein. Das braucht Fachwissen, Kommunikation, Zusammenhalt und auch Kompromissbereitschaft“, so läutete Isabelle Jarisch, Sprecherin der VBF, die Veranstaltung im Kleinen Goldenen Saal in Augsburg.

Die Stadt Augsburg ist mit ihrem Waldbesitz von 7.679 ha der größte kommunale Waldbesitzer in Bayern. Oberbürgermeisterin Eva Weber ging in ihrem Grußwort direkt auf das Thema der Veranstaltung ein: „Wer braucht den Wald? – das kann ich für Augsburg klar beantworten: Die gesamte Stadt Augsburg braucht ihren Stadtwald!“ Er versorge die Augsburgerinnen und Augsburger mit frischem, sauberem Trinkwasser, böte jährlich circa drei Mio. Besucherinnen und Besuchern Ruhe und Naherholung und filtere 10.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr aus der Luft. Der innerhalb der Stadtgrenzen liegende Teil von ca. 2.000 Hektar ist Naturschutzgebiet, mache ein Viertel der Stadtfläche grün und beherberge eine unglaubliche Vielfalt an Tier und Pflanzenarten. „Wir sind stolz auf unseren Stadtwald“, so Weber.

Baubranche braucht Holz

Anne Niemann, Architektin an der Technischen Universität München (TUM), referierte über den Rohstoff Holz im Klimawandel. Ihre Botschaft ist: „Die Baubranche braucht Holz!“ Holz ist der einzige nachwachsende Baustoff. Die nachhaltige Forstwirtschaft ermöglicht, dass nachhaltig mehr Holz als bisher im Bau verwendet werden kann. Holz zu verbauen maximiert die Klimaschutzleistung der Forstwirtschaft. Der im Holz gespeicherte Kohlenstoff wird über Jahrzehnte der Atmosphäre entzogen und gleichzeitig wird der Einsatz emissionsintensiver Baustoffe wie Zement und Stahl verringert. Die naturnahe Bewirtschaftung der Wälder und der Klimawandel führen dazu, dass in der Zukunft weniger Fichtenholz und mehr Buchenholz geerntet werden kann. Verschiedene Holzarten müssen im Bau intelligent eingesetzt werden. Als Beispiel zeigte sie ein innovatives Parkhaus aus Buchenholz.

Wald und Gesundheit

Dr. Gisela Immich von der Ludwig-Maximilians-Universität München interessiert sich dafür, wie Wald und Gesundheit zusammenhängen. Zahlreiche Studien belegen die gesundheitsförderliche Wirkung von Waldaufenthalten. „Je höher der Stress desto höher die heilsame Wirkung“, betonte Immich. Während das Thema in Deutschland in den letzten Jahren zum Megathema avancierte, legte in Bayern schon vor rund 150 Jahren Sebastian Kneipp den Grundstein für „verordnete“ Walderholung. Der gesundheitsförderliche oder waldtherapeutische Waldaufenthalt wird in Bayern mittlerweile in 13 neu zertifizierten Kur- und Heilwäldern angeboten. Jede interessierte Kommune, Gesundheitseinrichtung oder jeder Waldeigentümer kann sich auf den Weg machen, einen eigenen Kur- und Heilwald ausweisen zu lassen. Für eine engere Verzahnung zwischen Erholungsnutzung und Fortwirtschaft fordert Immich eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den „grünen“ und „weißen“ Berufen, auch auf politischer Ebene.

Kleinststadtwälder und Stadtoasen

Monika Egerer, Professorin für Urbane Produktive Ökosysteme an der TUM stellte das Konzept Stadtoasen vor. Sie meint: „Miniwälder in der Größe von Tennisplätzen werden oft unterschätzt.“ Kleinststadtwälder und Grünflächen tragen zum lokalen Klimaschutz bei, indem sie Ökosystemleistungen wie Temperaturregulierung, Lärmminderung und Lebensraum für Tiere und Pflanzen erbringen. Sie verbessern auch das Wohlbefinden der Stadtbewohner, indem sie Raum für Entspannung, Erholung und soziale Kontakte bieten. Egerers Forschungsprojekt verbindet qualitative Sozialwissenschaften mit quantitativen Naturwissenschaften und untersucht 60 unterschiedlich große Gebiete in der Stadt München auf deren gesundheitsfördernde Wirkung. Das laufende Projekt möchte Informationen für die zukünftige Stadtplanung liefern.

Schwieriges Management von Ökosystemleistungen

Ökosystemleistungen (ÖSL) sind als direkte und indirekte Beiträge von Ökosystemen zum menschlichen Wohlergehen definiert. In seindem Forschungsprojekt wendet Christoph Schulz von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft das Konzept der ÖSL auf den Augsburger Kommunalwald an. Bis zu 13 ÖSL stellt der zentrumsnahe Wald gleichzeitig vielen Menschen bereit. Für den gesamten Augsburger Kommunalwald quantifizierte und lokalisierte das Projekt insgesamt 15 ÖSL. Seine Hypothese ist jedoch: „Das Management wird schwieriger.“ Sowohl Umweltänderungen wie der Klimawandel als auch gesellschaftliche Veränderungen erhöhen die Anforderungen an Waldbesitzer und Forstleute zur optimalen Bereitstellung der ÖSL.

Gemeinsame Botschaft

Die vielfältigen Leistungen des Waldes werden in Zeiten globaler Krisen und mit dem fortschreitenden Klimawandel immer wichtiger. Gleichzeitig greifen die Folgen des Klimawandels unsere Wälder an und machen sie immer fragiler. Als Zusammenschluss forstlicher Verbände und Organisationen liegen den Vertretern der Bayerischen Forstwirtschaft Erhalt und nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder am Herzen, gerade auch um die Ökosystemleistungen langfristig zu sichern.

Sie fordern:

  • langfristige Strategien zur Sicherung des Nachwuchses an Fachkräften
  • eine holzbasierte Bioökonomie, vor allem Bauen mit heimischem Holz
  • aktive Klimaanpassung der Wälder durch Mischwald und klimatolerante Baumarten
  • eine gegenseitige Akzeptanz verschiedener Ansprüche an den Wald
  • mehr qualifizierte Fachleute mit Ortskenntnis
  • sowie politische, finanzielle und gesellschaftliche Unterstützung des Forstsektors
  • Ausführliche Positionen und Forderungen sind in der „Gemeinsamen Botschaft“ zum Waldtag Bayern 2022 nachzulesen.
  • Honorierung von Ökosystemleistungen

Ein wichtiges Thema der Podiumsdiskussion war die Honorierung der Ökosystemleistungen. Es wird allgemein anerkannt, dass der Wald viele wertvolle Leistungen erbringt. Waldbesitzerpräsident Josef Ziegler stellte fest, dass dies durchaus eine gute Nachricht für Waldbesitzende sei. Problematisch findet er jedoch, dass davon nur eine Leistung – die Holzernte – finanziell honoriert würde. Dem Kämmerer Roland Barth war es wichtig zu betonen, dass die vielfältigen Ökosystemleistungen im Augsburger Auwald nicht zum Nulltarif zu haben sind. Es bedeutet viel Arbeit, diese zu erreichen und zu erhalten. Rund eine halbe Mio. Euro ist der Stadt Augsburg ihr Auwald jedes Jahr Wert. Damit neben der Holznutzung weitere Ökosystemleistungen finanziell in Wert gesetzt werden können, arbeitet die Bundesregierung derzeit an einem Förderprogramm.

Urban Treutlein meinte, dass es eine echte Wertschätzung für Waldbesitzende bedeute, wenn sie in der Bewirtschaftung ihrer Waldflächen durch ein zusätzliches Förderprogramm honoriert würden. Allerdings könnten Flächenprämien allein den Wald nicht retten, die Förderung der Anpassung der Wälder an den Klimawandel sei noch wichtiger. Ziegler hob in diesem Zusammenhang hervor, dass der Klimawandel insbesondere durch die Nutzung fossiler Energiequellen entstanden ist und der Wald und die Waldbesitzenden nun darunter leiden müssen. Wichtig für ihn sei die Verursacher des Klimawandels, also alle Emittenten, an den Kosten der Maßnahmen zur Schadensbehebung zu beteiligen.

Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt für den Klimaschutz ist das klimafreundliche Verhalten sowohl jedes Einzelnen als auch der politisch Verantwortlichen. Entscheidungen für mehr Klimaschutz hängen häufig direkt von emotionaler Betroffenheit ab. Darin waren sich Gisela Immich und Monika Egerer einig – und dies fange beim Walderlebnis an. Um hier weiterzukommen sei der Schulterschluss mit den Waldbesitzenden wichtig. Anne Niemann betonte außerdem, dass von Seiten der Architekten und Planer seit langem pro Holz argumentiert würde, Kommunen und Auftraggeber aber auch in der Pflicht seien, sich zu informieren und Klimaschutz umzusetzen.

 

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