Kommunalverbändezurück

(GZ-14-2022)
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► Deutscher Kommunalkongress in Berlin:

 

Neuausrichtung von Staat und Gesellschaft

 

Unter dem Titel „Stadt.Land.Nachhaltig – Zukunft vor Ort gestalten“ kamen in Berlin rund 800 Vertreter aus Kommunen in ganz Deutschland zusammen. Bei der Veranstaltung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes referierten knapp 100 Experten zu verschiedenen Aspekten von Nachhaltigkeit in Kommunen. Außerdem wählte der DStGB eine neue Führungsspitze: Der Erste Bürgermeister der Stadt Abensberg, Dr. Uwe Brandl, wird ab dem 1. Januar 2023 für zwei Jahre erneut das Amt des DStGB-Präsidenten bekleiden. Seit 2002 ist Brandl zugleich Präsident des Bayerischen Gemeindetags.

Von links: Steffen Jäger, Dr. Gerd Landsberg, Ralph Spiegler, Dr. Uwe Brandl, Bernward Küper, Uwe Zimmermann. Bild: Henning Angerer
Von links: Steffen Jäger, Dr. Gerd Landsberg, Ralph Spiegler, Dr. Uwe Brandl, Bernward Küper, Uwe Zimmermann. Bild: Henning Angerer

Wie der designierte Präsident betonte, „ist uns vor allem wichtig, nicht nur auf Defizite hinzuweisen, sondern gemeinsam mit dem Bund um konstruktive Lösungen zu ringen. Auch wenn wir uns mit der Bundesebene natürlich nicht immer einig sind, bleibt es das Ziel, gemeinsam an nachhaltigen kommunalen Strukturen zu arbeiten. Die aktuellen Herausforderungen sind zu groß, um uns im Klein-Klein zu verlieren.“

Der aktuelle Präsident des DStGB, Ralph Spiegler, übernimmt zum 1.1.2023 das Amt des Ersten Vizepräsidenten beim kommunalen Spitzenverband. Er wird dabei von drei weiteren Vizepräsidenten unterstützt: Steffen Jäger, Präsident und Hauptgeschäftsführer des Gemeindetages Baden-Württemberg, Bernward Küper, Landesgeschäftsführer Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt sowie Prof. Dr. Christoph Landscheidt, Bürgermeister der Stadt Kamp-Lintfort, wurden in Ihren Ämtern bestätigt.

Zukunftsprojekte

Auch wenn sich inhaltlich viel um Zukunftsprojekte in großen und kleinen Kommunen drehte, blieben die aktuellen tagespolitischen Herausforderungen beim Deutschen Kommunalkongress nicht unberücksichtigt. „Mehr als zwei Jahre Pandemie haben die Städte und Gemeinden in Deutschland immens gefordert und geprägt. Insgesamt haben wir die Aufgabe zwar gut gemeistert, aber viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiters sind bis an die Belastungsgrenze gegangen“, stellten Ralph Spiegler und DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg fest.

Weitere schwere Krise

Mit dem Krieg in der Ukraine folge auf die Pandemie nun eine weitere schwere Krise, die auch in den Kommunen in Deutschland zu spüren ist. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die vielen Geflüchteten aus dem Kriegsgebiet in den Kommunen eine Unterkunft zu bieten und mit der Integration zu beginnen. Aber besonders die Schaffung von Betreuungs- und Bildungsangeboten für die vielen geflüchteten Kinder ist eine gewaltige Aufgabe.“

Trotz der aktuellen Krisensituation mit Pandemiefolgen und Krieg in Europa sind laut Spiegler und Landsberg Städte und Gemeinden gefordert, auch die zentralen Zukunftsprojekte nicht aus dem Blick zu verlieren:

„Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und Energiewende sind wichtiger denn je. Wir müssen trotz der aktuellen Lage in die Zukunft denken und als kommunale Ebene auch eine Vorbildfunktion einnehmen. Dazu wollten wir mit dem Deutschen Kommunalkongress einen Beitrag leisten.“

Die verschiedenen Dimensionen nachhaltigen Handelns in Städten und Gemeinden wurden im Rahmen zahlreicher Symposien und Fachforen dargestellt. Dabei reichte die Themenpalette von Klimaschutz und Klimaanpassung, Ausbau der Elektromobilität, nachhaltigen Logistikkonzepten, sowie nachhaltigen kommunalen Finanzen über Cybersecurity bis hin zu Innenstädten und Ortskernen, Transformation der Mobilität und digitale Bildung.

Resolution zur „Zeitenwende“

Der anhaltende Krisenmodus, getrieben durch Pandemie, Kriegssituation und Versorgungsengpässe, veranlasste die Repräsentanten der kommunalen Ebene, mittels einer Resolution zur „Zeitenwende“ für eine Neuausrichtung von Staat und Gesellschaft zu werben. Deutschland müsse resilienter werden, wenn es gelingen soll, aus den derzeitigen Krisen gestärkt hervorzugehen.

Drohende Überforderung

Die Resolution ist von der Sorge getragen, dass dem Staat eine Überforderung drohen könnte. Gerade die Kommunen leben seit vielen Jahren von der Substanz. Der Investitionsrückstand ist mit fast 160 Milliarden Euro auf einem besorgniserregenden Rekordniveau. Die Corona-Pandemie ist noch lange nicht überwunden.

Bereits jetzt zeigen sich aber ihre kurz- und langfristigen Folgen: Die starke Belastung von Arbeitskapazitäten und Personal in den Verwaltungen, die Überlastung der Gesundheitsbehörden und nicht zuletzt das Ausbluten der Innenstädte. Zu dieser tiefen Krise tritt nun noch das bisher unvorstellbare Kriegsszenario in Europa hinzu, Es birgt nicht absehbare Folgen nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Deutschland und für ganz Europa. Die kommunale Ebene ist nicht nur mit den Aufgaben der Aufnahme und Integration der vielen nach Deutschland geflüchteten Menschen gefordert. Auch die derzeitigen Lieferengpässe beeinträchtigen dringend notwendige Bauvorhaben und treiben die Kosten in die Höhe.

Zugleich gilt es, die kommunalen Strukturen und vor allem die Bevölkerung für weitere Katastrophen- und Krisensituationen zu sensibilisieren und entsprechend auszustatten. „Der Aufbau von Resilienzstrategien darf nicht zur Worthülse verkommen. Wir müssen vor Ort anpacken, investieren, sensibilisieren, um uns auf Szenarien wie Energiemangel, Klimafolgen oder auch Cyberangriffe vorzubereiten. Das erfordert Arbeitskraft, das erfordert Engagement von Haupt- und Ehrenamt und nützt alles dennoch wenig, wenn keine finanziellen Mittel vorhanden sind“, erklärten Spiegler und Landsberg.

Nach ihren Worten haben die aktuellen Krisen und Katastrophen einen enormen Reformbedarf offengelegt. „Vieles, was gestern noch selbstverständlich war, wird morgen vielleicht nicht mehr gelten können. Den Krisenmodus werden wir nicht unbeschadet verlassen, wenn wir nicht die Handlungsfähigkeit der kommunalen Ebene absichern. Denn nur so kann es gelingen, Deutschland resilient aufzustellen. Städte und Gemeinden müssen dauerhaft in der Lage sein, alle ihre Aufgaben vor Ort lösen und auch finanzieren zu können.“ Das Abschaffen oder Aussetzen von Standards und Bürokratie dürfe daher in der jetzigen Situation kein Tabu darstellen, sondern es müssten vor Ort flexible Lösungen möglich sein.

Rückhalt in der Bürgerschaft

Dafür unerlässlich sei für die Kommunen der Rückhalt in der Bürgerschaft. „Nur wenn die Menschen bereit sind, notwendige Schritte – etwa beim Ausbau erneuerbarer Energien, beim Energiesparen, beim klimaangepassten Planen und Bauen oder auch bei der Eigenvorsorge in Katastrophensituationen – mitzugehen, werden wir zukünftige Krisensituationen bewältigen können“, unterstrichen Spiegler und Landsberg.

Fahrt aufgenommen haben die deutschen Städte und Gemeinden bei der Digitalisierung. Dennoch reichen die erzielten Ergebnisse derzeit noch nicht aus, um mit den wachsenden Anforderungen aus Gesellschaft und Wirtschaft Schritt halten zu können. Dies ist ein zentrales Ergebnis des „Zukunftsradar Digitale Kommune 2022“, an dem sich mehr als 900 Städte und Gemeinden beteiligten. „Die Digitalisierung in Städten und Gemeinden macht zwar Fortschritte.

Insbesondere der Wille, digitale Instrumente zu nutzen ist heute viel ausgeprägter. Allerdings bleiben noch große Hürden bei der Bereitstellung, Anwendung und Finanzierung digitaler Lösungen, “, hob Landsberg hervor.

Fortschritte bei der Digitalisierung

Mehr als 60 Prozent der Kommunen geben in der Studie an, im vergangenen Jahr Fortschritte bei der Digitalisierung gemacht zu haben. Gleichzeitig schätzen nur rund ein Fünftel der Städte und Gemeinden den Stand der Digitalisierung als „gut“ oder „sehr gut“ ein.  Den größten Handlungsbedarf sehen 75 Prozent der Städte und Gemeinden weiterhin bei der Digitalisierung der eigenen Verwaltung. „Dies macht deutlich, dass gerade die digitale Verwaltung eine Dauerbaustelle ist“, machte Landsberg deutlich.

„Klar ist, dass es sich dabei um eine komplexe Herausforderung handelt, die deutlich über die Ideen des Onlinezugangsgesetzes hinaus geht. Echte Verwaltungsdigitalisierung bedeute, Abläufe und Prozesse mit digitaler Technik neu aufzustellen und auch in den Köpfen der Mitarbeitenden und Nutzer ein entsprechendes Mindset zu etablieren. Das ist alles andere als einfach“, so der Hauptgeschäftsführer.

Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung in den Kommunen einen Schub verliehen. In 8 von 10 Städten und Gemeinden hatte die Situation deutliche Auswirkungen auf die Arbeitsweise, rund drei Viertel bestätigten, dass die Veränderungsbereitschaft und die Akzeptanz gegenüber digitalen Lösungen deutlich gestiegen sind.

„Jetzt muss es darum gehen, diesen Schwung mitzunehmen und funktionierende Digitalstrategien flächendeckend in den Kommunen zu etablieren“, betonte Prof. Dr. Volker Wittpahl, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Innovation und Technik (iit). „Derzeit haben knapp die Hälfte der Städte und Gemeinden immer noch keine umfassende Strategie, wie sie dieses Thema angehen wollen.“

Dringender Handlungsbedarf beim Personal

Während 9 von 10 Kommunen den Nutzen der Digitalisierung als hoch oder sehr hoch einschätzen, fühlt sich nach den Ergebnissen des „Zukunftsradar Digitale Kommune“ nur jede zweite Kommune ausreichend auf die damit verbundenen Aufgaben vorbereitet. Dringenden Handlungsbedarf sehen die Städte und Gemeinden vor allem beim Personal. Knapp die Hälfte schätzt die Situation als schlecht oder sehr schlecht ein. Gleichzeitig sehen 80 Prozent der befragten Kommunen einen hohen oder sehr hohen Finanzierungsbedarf für den digitalen Umbau.

„Durch die rasch fortschreitende Digitalisierung wachsen auch die Anforderungen der Bevölkerung und der Wirtschaft kontinuierlich. Damit steigen auch die Bedarfe in den Kommunen und es ist klar, dass wir kontinuierlich wachsende Ressourcen brauchen, um bei der Digitalisierung wirklich voranzukommen“, stellt Landsberg heraus.

Mehr interkommunaler Austausch

Eine wesentliche Erkenntnis des Radars ist zudem der Wunsch, sich stärker interkommunal auszutauschen und auch zusammen zu arbeiten. Der Know-how-Transfer sollte aus Sicht der Befragten in Zukunft eine stärkere Rolle bei der Konzeption einer beschleunigten digitalen Transformation einnehmen. „Sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht haben wir da deutlichen Nachholbedarf und brauchen Unterstützung von Bund und Ländern“, forderten Landsberg und Wittpahl.

KfW Award Leben

Um nachhaltige und zukunftsweisende Projekte in Städten und Gemeinden ins Rampenlicht zu stellen, hat die KfW Bankengruppe den nun erstmals verliehenen KfW Award Leben ausgerufen. Prämiert wurden 10 Projekte in den Kategorien „Energetische Stadtsanierung“, „Digitale Bildung“ sowie „Soziales und bezahlbares Wohnen“ mit einem Preisgeld von insgesamt 50.000 Euro. Die Erfolgsbeispiele sollen Impulse für die Städte von morgen liefern und andere zum Nachahmen motivieren.

Aus Bayern wurden in der Kategorie „Soziales und bezahlbares Wohnen“ die Projekte „Ersatzneubau ‚Oberschätzlhaus‘ am historischen Marktplatz“ (Gars am Inn) und „Schülerwohnheim für das Bayernkolleg (Augsburg) ausgezeichnet.

Ziel des Projekts in Gars am Inn ist es, im strukturschwachen, ländlichen Gebiet den alten Ortskern zu beleben und bezahlbaren sowie barrierefreien Wohnraum zu bieten. Die Vergabe der insgesamt sechs Wohnungen erfolgte an einkommensschwache, bedürftige und/oder eingeschränkte Personen. Gestalterisch überzeugt das Objekt auf ganzer Linie durch seine typischen Lichthöfe und die giebelständische Fassade.

Das originale „Oberschätzlhaus“ am Marktplatz musste wegen fehlerhaften Baumaßnahmen abgebrochen werden und hinterließ viele Jahre eine schwer bebaubare Lücke. Nachdem schließlich die Gemeinde das Grundstück erwarb, realisierte sie mit Unterstützung eines örtlichen Architekturbüros den Ersatzneubau in ortstypischer Bauweise, der sich harmonisch in die Silhouette der Kleinstadt einfügt.

Ökologisch setzen die Preisträger auf Nachhaltigkeit wie mit dem Anschluss des Gebäudes ans örtliche Nahwärmenetz (Hackschnitzel) und der Dämmung mit recyceltem Material. Modernes, Individuelles Wohnen mit kurzen Wegen zur Stärkung des gemeinschaftlichen Lebens wird so möglich.

Die Stadt Augsburg widmet das neue, gestalterisch gelungene Wohnheim für Schüler und Studenten einem in den vergangenen Jahren oftmals vernachlässigten Wohnungssegment. In unmittelbarer Nähe zur denkmalgeschützten ehemaligen Pädagogischen Hochschule gelegen, greift das Gebäude den Bezug zum ehemaligen Campuskonzept aus den 1950er Jahren mit seinen charakteristischen Stilelementen auf.

Die Preisträger tragen somit einem besonderen Lebensabschnitt Rechnung: Fantasievolle Räume der Gemeinsamkeit, wie die von außen sichtbaren Sitzerker, und Rückzugsorte in Gestalt der 51 Einzel- und 5 Mutter-Kind und barrierefreien Appartements statt überteuertem, vereinzeltem Leben in der Stadt.

Man handelte ökologisch weise durch eine nachhaltige Bauweise im Passivhausstandard, der alte Baumbestand wurde weitgehend erhalten. Der langgestreckte, zweifach abgewinkelte Baukörper fügt sich harmonisch in die gesamte Hochschulanlage ein und liefert damit einen städtebaulichen Mehrwert für Augsburg.

Starkes Signal und Mahnung

Nach Spieglers und Landsbergs Einschätzung ging vom Kommunalkongress ein starkes Signal, aber auch eine deutliche Mahnung aus: Die Kommunen sind bereit, eine tragende Rolle bei der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz einzunehmen, um Alltag und Lebensqualität ihrer Bürgerinnen und Bürger langfristig zu wahren. Die Perspektiven der nächsten Generationen nehmen die Städte und Gemeinden fest in den Blick. Allerdings kann diese Aufgabe nicht aus der Portokasse finanziert werden.

„Für die Umsetzung einer realistischen Nachhaltigkeitsstrategie muss von Seiten des Bundes und der Länder mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Denn nur mit finanziellem Spielraum können die auf die individuelle Situation angepassten, nachhaltigen Akzente gesetzt werden“, urteilten die Verbandsvertreter.

DK

 

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