Kommunalverbändezurück

(GZ-12-2022)
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► Virtuelles KPV-Spitzengespräch mit Innenstaatssekretär Sandro Kirchner:

 

Effekte des Ukraine-Kriegs

 

„Die Kommunen haben viel aus der Flüchtlingskrise in Deutschland 2015/2016 gelernt“, unterstrich Bayerns Innenstaatssekretär Sandro Kirchner, MdL, bei einem virtuellen KPV-Spitzengespräch unter der Leitung des KPV-Vorsitzenden, Landrat Stefan Rößle. Kirchner zeigte sich beeindruckt vom großen Engagement von Staat und Zivilgesellschaft, die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bestmöglich zu unterstützen. Gleichwohl stünden noch weitere Herausforderungen wie etwa die Integration, Bereitstellung von Kita- und Schulplätzen sowie die Sicherstellung von medizinischer und psychosozialer Betreuung bevor.

Sandro Kirchner. Bild: stmi
Sandro Kirchner. Bild: stmi

Bis Ende Mai 2022 waren laut Schätzungen des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) rund 6,8 Millionen Menschen aus der Ukraine in Folge des Krieges und aufgrund der Angriffe des russischen Militärs im Lande geflohen. In Deutschland waren bis Mitte Mai im bundesweiten Verteilungssystem „Free“ mehr als 830.000 Kriegsflüchtlinge registriert, davon in Bayern allein 148.000. Damit hat der Freistaat deutlich mehr Flüchtlinge aufgenommen als nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel vorgesehen. Da die Ukrainer visumsfrei einreisen können, dürfte die tatsächliche Zahl der Schutzsuchenden höher liegen. Wie Kirchner betonte, „gehört zur Humanität Ordnung und zur Ordnung Registrierung, damit eine gerechte Verteilung innerhalb Deutschlands bewerkstelligt werden kann“. Dies müsse im Übrigen auch für Bayern gelten, mahnte der Minister an.

Ungeheure Bürokratie

Mit einem „ungeheuren Bürokratieaufwand“ verbunden sieht Kirchner den Systemwechsel bei Leistungen für Kriegsflüchtlinge am 1. Juni 2022 vom Asylbewerberleistungsgesetz ins Sozialgesetzbuch SGB II (für Arbeitsfähige), ins SGB XII (für Nichterwerbsfähige) und ins SGB IX (für Menschen mit Behinderung). Das SGB II sieht – organisiert über die Jobcenter – Leistungen für Menschen mit Wohnraum vor und ersetzt die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU). Zu zwei Dritteln trägt der Bund, zu einem Drittel tragen kreisfreie Städte und Landkreise die KdU. Aufgrund praktischer Probleme und hoher Kosten, die über die Bezirke und Kommunen abgedeckt werden müssen, werde sich hier schnell Ernüchterung breitmachen, befürchtet der CSU-Politiker.

Die ungeheure Fluchtbewegung wirkt sich auch auf Bayerns Schulen aus, fuhr Kirchner fort. Die Integration tausender ukrainischer Kinder stelle für die Kommunen eine enorme Herausforderung dar. Allein für die rund 23.000 Schülerinnen und Schüler (Stand: 10. Mai) bräuchte es mehr Klassen und weit mehr als tausend neue Lehrer. Grundsätzlich fokussieren sich die Willkommensgruppen auf den Spracherwerb und Sozialkontakte. Zudem gibt es die Möglichkeit, die ukrainischen Schüler in Regelklassen zu integrieren und drittens in besonderen Klassen, die auch bereits im Zuge der Flüchtlingskrise 2015/2016 eingerichtet wurden.

Oberbayerns Bezirkstagspräsident Josef Mederer verwies darauf, dass die ukrainischen Flüchtlinge ab 1. Juni auch Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege erhalten. Bund und Freistaat dürften die Kommunen hier hinsichtlich der Kostenerstattung für diese Aufwendungen nicht im Regen stehen lassen. Zwar kämen die Bezirke ihrem Versorgungsauftrag selbstverständlich nach, dennoch müssten ihre Mehraufwendungen durch den Bund bzw. den Freistaat Bayern vollständig refinanziert werden, stellte Mederer klar.

Rößle: „Sozialer Friede ist geboten“

KPV-Landesvorsitzender Stefan Rößle plädierte dafür, nicht nur Geldleistungen in den Blick zu nehmen, sondern das Augenmerk auch auf den Personalaufwand zu legen. „Da die Mütter schließlich arbeiten und Deutsch lernen wollen“, wäre ihnen mit Betreuungsangeboten für die Kinder sehr geholfen, wobei diese auch „niederschwelliger“ ausfallen könnten. Vorsicht ist laut Rößle beim Thema „Sozialer Friede“ geboten: Es bestehe die Gefahr, dass so mancher Asylbewerber, egal ob aus Syrien, Afghanistan oder Afrika, die Ungleichbehandlung im Vergleich zu ukrainischen Flüchtlingen als Ungerechtigkeit empfindet. Oberbürgermeisterin Eva Weber machte darauf aufmerksam, dass in Augsburg „nicht wenige Flüchtlinge schon jetzt mit den Hufen scharren, weil sie eine eigene Wohnung wollen“. Auch aus diesem Grund sieht sie den Rechtskreiswechsel „sehr kritisch“.

DK

 

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