Kommunalverbändezurück

(GZ-11-2022)
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► Bayerischer Städtetag:

 

Fesseln lockern, Verfahren vereinfachen

 

Lob für den Freistaat: Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Markus Pannermayr, dankte der Bayerischen Staatsregierung bei einer Pressekonferenz für die bisherige Unterstützung der Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine. Diese Hilfsmaßnahmen müssten auch weiterhin erfolgen, unabhängig vom angekündigten Rechtskreiswechsel vom Asylbewerberleistungsgesetz zu den Sozialgesetzbüchern.

Markus Pannermayr.
Markus Pannermayr.

„Ein Rückzug des Staates mit Verweis auf den Wohnungsmarkt und die Verantwortung der Städte und Gemeinden für die Unterbringung von Obdachlosen würde die Kommunen überfordern“, unterstrich der Straubinger Oberbürgermeister.

Bayern liegt über seinen Verpflichtungen

Nach Angaben des Verbandes seien in Bayern zuletzt rund 142.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gemeldet gewesen. Dies entspricht 17,9 Prozent aller Menschen, die vor dem russischen Angriff nach Deutschland geflohen sind. Nach einem von Bund und Ländern vereinbarten Verteilungsschlüssel müsste der Freistaat knapp 15,6 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen. Damit liege Bayern über seinen Verpflichtungen, so der Städtetag.

Die Erfahrungen aus den vergangenen Wochen seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zeigen Pannermayr zufolge, dass die Aufnahme von Ukrainerinnen und Ukrainern nur im Schulterschluss mit dem Bund und dem Freistaat weiter gut funktionieren kann. Die enorme Hilfsbereitschaft bei der Aufnahme in privaten Wohnungen habe gerade in der Anfangsphase des Zuzugs eine Linderung der ersten Nöte bei der Unterbringung gebracht. Allerdings stelle sich die Frage, inwieweit und wie lange die Unterbringung in privaten Haushalten tragfähig ist. Zwar sei die erste Hilfe der Unterbringung in privaten Anlaufstationen elementar, jedoch sei daneben Koordination nötig, um den Geflüchteten eine längerfristige Bleibe zu ermöglichen.

Die Tatsache, dass Wohnraum nicht ausreichend zur Verfügung steht, lasse sich nicht über Instrumente wie die örtliche Obdachlosenhilfe gemäß Landesstraf- und Verordnungsgesetz lösen, betonte der Städtetagschef. Der geplante Wechsel vom Asylbewerberleistungsgesetz zum Sozialgesetzbuch SGB II stelle eine Herausforderung bei der Unterbringung von Geflüchteten dar. Das SGB II gehe von Leistungen für Menschen mit Wohnung aus, solle den Lebensunterhalt für erwerbsfähige Arbeitsuchende sichern und sie in Arbeit eingliedern. Somit kenne das SGB II keine Lösung für Geflüchtete, die noch keine feste Wohnung gefunden haben.

Irritierende Überlegungen

Beim Übergang zum SGB muss aus Pannermayrs Sicht gewährleistet sein, „dass das überwiegend staatlich finanzierte Unterbringungssystem für wohnungslose Kriegsflüchtlinge, die keine Obdachlose im herkömmlichen Sinn sind, weiter erhalten bleibt. Bei steigenden Zugangszahlen müssen Gemeinschaftsunterkünfte bestehen bleiben und bei Bedarf ausgebaut werden. Dies muss für dezentrale Unterkünfte ebenso wie für Gemeinschaftsunterkünfte gelten.“

Theoretische Überlegungen, wonach Geflüchtete nach dem Übergang in das SGB aus Gemeinschaftsunterkünften eigentlich ausziehen müssten und somit von Obdachlosigkeit bedroht wären, seien irritierend. „Mutmaßungen über Obdachlosigkeit sind nicht sachgerecht, zumal bereits geklärt ist, dass der Rechtskreiswechsel keine gemeindliche Zuständigkeit für Obdachlosigkeit nach sich zieht.“ Die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen stelle keine örtliche Angelegenheit für Städte und Gemeinden dar, sondern erfolge auf der Basis internationalen Rechts, von Übereinkommen der Europäischen Union und des Bundesrechts.

Kommunen dürfen nicht im Stich gelassen werden

Bei den Kosten für die Unterkunft von Kriegsflüchtlingen dürften Städte und Landkreise nicht im Stich gelassen werden. Der Bayerische Städtetag fordert, dass die Kosten der Unterkunft KdU wieder in vollem Umfang vom Bund übernommen werden, wie dies bis 31.12.2021 der Fall war. Ansonsten müsse der Freistaat die offenen Kostenanteile übernehmen. „Die Kosten der Unterkunft dürfen am Schluss nicht auf kommunaler Ebene hängen bleiben“, machte Pannermayr deutlich.

Hoch seien die Anforderungen an die Integrationsfähigkeit der Kommunen, dies erfordere Kraft, Ausdauer und Geld. „Gute Lösungen gelingen dann, wenn die kommunale Ebene frühzeitig auf Augenhöhe in staatliche Entscheidungen eingebunden ist und im praktischen Vollzug von Lösungen mitgenommen wird“, so der Vorsitzende.

Als eine zentrale Frage nannte er den Zugang zum Arbeitsmarkt, der möglichst unkompliziert erfolgen müsse: „Viele Ukrainerinnen, die mit ihren Kindern zu uns kommen, wollen ihren Lebensunterhalt selbst stemmen, um nicht auf fremde Hilfe angewiesen zu sein: Das bedeutet, dass Mütter Betreuung für ihre Kinder brauchen. Personal- und Raumstandards in Kitas müssen für eine Übergangszeit zügig gelockert und Richtlinien praktikabel gestaltet werden, damit unkompliziert und schnell in der aktuellen Notlage Kinder betreut werden können.“

Herausforderungen stellten sich an Kitas und Schulen: „Die Kinderbetreuung steht bereits unter hohem Druck. Erziehungspersonal fehlt, die Kapazitäten bei Räumlichkeiten sind schon jetzt erschöpft. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder bis sechs Jahren lässt sich in der Praxis bereits jetzt nur schwer erfüllen. Ähnliche, vor allem personelle und räumliche Engpässe zeichnen sich für den geplanten Ganztagsanspruch für Grundschulkinder ab.“

In Anbetracht der Notsituation sollten laut Pannermayr die Gruppenzahlen für die Betreuung vorübergehend angepasst werden, um mehr Kinder unterbringen zu können. Zu überlegen sei, inwieweit ukrainische Kräfte für Betreuung oder Unterricht eingesetzt werden können. „Hier wäre mehr Flexibilität hilfreich. Insgesamt sollten staatliche Regelungen mehr Spielraum für Improvisation ermöglichen.“

Überbordendes Förderwesen

Vor diesem Hintergrund forderte der Städtetagschef grundsätzlich, „die Fesseln eines überbordenden Förderwesens mit komplexen Regelwerken zu lockern“. Die Fülle an differenzierten Förderprogrammen müsse reduziert, die Verfahren sollten standardisiert und vereinfacht werden. Allein schon der Antrag auf ein Förderprogramm binde Personal und ziehe Kosten nach sich, die oft in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen.

In Anbetracht der Vielfalt spezialisierter Förderprogramme stießen kommunale Bauämter, Kämmereien, Jugendämter und Schulreferate an ihre Grenzen. Ein enges Zeitkorsett, differenzierte Auflagen und häufig wechselnde Anforderungen hemmten die Umsetzung. Da Kommunen Kontinuität und Verlässlichkeit von Programmen benötigten, sollte die kommunale Investitionskraft Pannermayr zufolge grundlegend mit höheren Pauschalen oder Fördersätzen im kommunalen Finanzausgleich gestärkt werden. Damit könnten Schulen, Kindergärten, Kindertagesbetreuung, Radwegebau und Nahverkehr als Daueraufgaben ausgebaut werden. „Das sorgt für Planungssicherheit und reduziert Bürokratie.“

DK

 

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