Kommunalverbändezurück

(GZ-10-2022)
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► Bayerischer Landkreistag in Prien:

 

Karmasin übernimmt Chefposten

Stabwechsel an der Spitze des Bayerischen Landkreistags: Thomas Karmasin, seit 2014 Erster Vizepräsident des Kommunalverbandes, wurde im Rahmen der Jahrestagung des Bayerischen Landkreistags in Prien a. Chiemsee mit 99 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Der Fürstenfeldbrucker Landrat folgt auf Christian Bernreiter, der im Februar zum Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr berufen wurde.

Der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Thomas Karmasin (l.), gemeinsam mit dem ebenfalls neu gewählten Ersten Vizepräsidenten, Landrat Thomas Habermann. Bild: Bayerischer Landkreistag
Der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Thomas Karmasin (l.), gemeinsam mit dem ebenfalls neu gewählten Ersten Vizepräsidenten, Landrat Thomas Habermann. Bild: Bayerischer Landkreistag

1996 erstmals zum Landkreischef bestimmt, reichen Karmasins Netzwerke weit über bayerische Grenzen hinaus. Beim Deutschen Landkreistag in Berlin ist der CSU-Politiker Vorsitzender im Verfassungs- und Europaausschuss. Auch beim Bayerischen Landkreistag blieb der ehemalige Rechtsanwalt seinem Thema treu und fungiert als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Recht und Bildung.

Habermann kommt, Bischof bleibt

Zum Ersten Vizepräsidenten des Bayerischen Landkreistags wurde Landrat Thomas Habermann (Rhön-Grabfeld) bestimmt, zweite Vizepräsidentin bleibt Kitzingens Landrätin Tamara Bischof. Bereits seit 2013 ist er Präsidiumsmitglied des Verbandes und zudem die Stimme der bayerischen Landkreise in Europa. Als einer von zwei Vertretern des Deutschen Landkreistags vertritt der CSU-Politiker im Ausschuss der Regionen (AdR) die Belange aller deutschen Landkreise. Darüber hinaus ist der Jurist und ehemalige Richter am Oberlandesgericht Mitglied im Ausschuss für Recht und Bildung des Bayerischen Landkreistags und war bisher Bezirksverbandsvorsitzender von Unterfranken.

„Der Landkreistag ist eine der stärksten Vertretungen, die wir haben. Auf Euch kann man sich verlassen. Gemeinsam finden wir gute Lösungen“, gratulierte Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder, MdL, der neuen Verbandsspitze. Er sicherte den Landrätinnen und Landräten insbesondere für die Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit den aktuellen Flüchtlingsströmen aus der Ukraine die volle Unterstützung der Bayerischen Staatsregierung zu.

Flüchtlinge ins SGB II aufnehmen

Wie Karmasin betonte, stelle der jüngste Beschluss der Bundesregierung, die Flüchtlinge künftig ins Sozialgesetzbuch II aufzunehmen, die Landkreise vor enorme Schwierigkeiten. Geflüchtete Menschen erhielten somit künftig keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern Hartz IV. „Der Wunsch, den Menschen in dieser fürchterlichen Situation zu helfen, kommt für uns alle an erster Stelle. Dazu gehört es auch, gute, praktikable und finanzierbare Lösungen für ihre Unterbringung zu finden. Mit dem Wechsel in den Sozialgesetzbüchern endet die Unterbringungspflicht der Landkreise und die Geflüchteten müssen aus den Unterkünften ausziehen. Die Obdachlosigkeit für diese Menschen kann niemand wollen. Sollen sie dennoch in den von den Landkreisen bereitgestellten Unterkünften wohnen bleiben, müssen den Landkreisen aber die Kosten der Unterkunft auch vollständig vom Staat erstattet werden“, machte der Präsident deutlich.

Bis heute ist ungeklärt, wie die durch den Vorstoß der Bundesregierung ausgelösten sozialen Belastungen gelöst werden sollen. Für Söder ist der Wechsel ins SGB II auch ein Anreiz, um alle Flüchtlingsströme nach Deutschland zu lotsen.

Einigkeit herrschte auch beim Thema Energieversorgung. Söder und Karmasin zufolge wird die Umsetzung der Klima- und Energiewende ohne Akzeptanz vor Ort nicht gelingen. Zentralistische Vorgaben aus Berlin ohne eine substanzielle Beteiligung der Betroffenen seien der falsche Ansatz - siehe starre Flächenvorgaben einzelner Energiequellen wie der Windkraft. Weiteres Beispiel: Landkreise dürfen auch dann nicht eigene Anlagen errichten und betreiben, wenn dies offensichtlich sinnvoll ist, wie etwa ein Windrad auf dem Gelände einer landkreiseigenen Müllverbrennungsanlage. Laut Karmasin sollte es den Landkreisen ermöglicht werden in die Energieerzeugung einzusteigen, sofern die zuständigen Gemeinden damit einverstanden sind. Ministerpräsident Söder sagte zu, sich dafür einzusetzen, dass sich Landkreise künftig energiewirtschaftlich betätigen dürfen.

Probleme bei 9-Euro-Ticket

Als wenig hilfreich für den ÖPNV bezeichnete der Bayerische Landkreistag das „9 für 90“-Ticket. Es sei davon auszugehen, dass die Kapazitäten in der Stadt zusätzlich belastet werden und in dünn besiedelten Gebieten, wo Angebote fehlen, das Ticket nicht angenommen wird. Aus Söders Sicht wäre es besser gewesen, die angesetzten 2,5 Milliarden Euro des Bundes in die ÖPNV-Infrastruktur zu investieren. ÖPNV-Ausbau funktioniere über flexible Angebote. Trotzdem sei der ländliche Raum ohne Auto auf Dauer schwer benachteiligt. „Die Bundesregierung hat 140 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Dabei brauchen wir langfristige Strukturmaßnahmen.“

Seit geraumer Zeit prägt die Digitalisierung die Agenda der bayerischen Landkreise. Vor allem durch das Engagement des Bayerischen Innovationsrings, der digitalen Ideenschmiede des Bayerischen Landkreistags, wurden entscheidende Schritte gemacht. Verschiedenste Projekte wie der „Digitale Werkzeugkasten“ prägen seine Handschrift. Trotzdem ist der große Wurf in Zusammenarbeit mit Freistaat und Bund bis heute nicht erfolgt.

Zwar hat der Koalitionsvertrag der Ampel Kernforderungen der bayerischen Landkreise aufgegriffen, gleichwohl stehen konkrete Ziele und Maßnahmen vielfach noch aus. Deshalb nahmen die bayerischen Landräte die Digitalisierung unter dem Motto „too critical to fail #landkreise 4.0“ ins Visier.

Endlich mehr Digitalisierung

„Corona hat einmal mehr gezeigt, was wir alle seit langem wissen: Wir brauchen endlich mehr Digitalisierung. Wir müssen die Digitalisierung als gemeinsame Aufgabe von Staat und Kommunen begreifen, die gemeinsam finanziert und angepackt werden muss“, stellte der Landrat des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen und Leiter des Innovationsrings beim Bayerischen Landkreistag, Josef Niedermaier, fest. Wichtig seien einfach nutzbare Experimentierräume, um neue digitale Lösungen ausprobieren und dafür auch von rechtlichen Vorgaben abweichen zu dürfen. Hier sei auch der Gesetzgeber gefordert, unterstrich Niedermaier.

Der Fürther Landrat Matthias Dießl, Leiter der Projektgruppe „Organisation/eGovernment“ beim Bayerischen Innovationsring, stellte ein im März 2022 gestartetes Projekt zur vollständigen Digitalisierung der internen Prozesse vom „Antrag bis zum Bescheid“ vor, ehe Franz-Reinhard Habbel, früherer Beigeordneter beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, über die gemeinsame Digitalisierungsstrategie für die Landratsämter berichtete, die bis Ende 2022 fertiggestellt wird. Über den BayernFunk, eine datensichere Social-Media-Plattform exklusiv für bayerische Gemeinden und Landkreise, informierte Johannes Wagner von der Versicherungskammer Bayern. Bürger, Kommunen, Vereine, Feuerwehren und andere ehrenamtlich Engagierte können gebündelte Informationen zu Nachbarschaftshilfe, Vereinsleben und Veranstaltungen kommunizieren und koordinieren.

Dies fördert das Miteinander und stärkt die örtliche Gemeinschaft. In der Kommunikationsplattform „BayernFunk“ kooperieren Versicherungskammer Bayern, Fraunhofer IESE, Bayerisches Rotes Kreuz und Landesfeuerwehrverband Bayern.

Gefahr durch professionelle internationale Attacken

Wie Verwaltungen heute angegriffen werden und wie sich die Landratsämter dagegen schützen können, vermittelte schließlich Mark Semmler, Diplom-Informatiker und Experte für Informationssicherheit. Für Präsident Karmasin liegt auf der Hand, dass man professionellen internationalen Attacken aktuell wenig entgegensetzen kann. Um Cyberangriffe möglichst abwehren zu können, brauche es die nötige Technik und ausreichend geschultes, sensibilisiertes Personal. „Digitalisierung bedeutet mehr, als nur Online-Anträge zu stellen“, so der Verbandschef. Nötig seien durchgängige, medienbruchfreie Bearbeitungsprozesse. Zahlreiche Dokumente müssten noch ausgedruckt und unterschrieben werden.

„Die Landkreise müssen stärker zusammenarbeiten und ihre gemeinsamen Ressourcen intensiver nutzen“, forderte Karmasin. Für ihn ist aber auch klar, dass Doppelstrukturen bis auf Weiteres beibehalten werden müssen, um jene Bürger, die nicht über digitale Möglichkeiten und Fähigkeiten verfügen, nicht auszuschließen.

Glückwünsche des Kommunalministers

„Thomas Karmasin ist einer der dienstältesten und erfahrensten Landräte in Bayern. Er verfügt nicht zuletzt aufgrund seiner jahrzehntelangen kommunalpolitischen Erfahrung über die besten Voraussetzungen für das verantwortungsvolle Amt des Landkreistagspräsidenten”, gratulierte Innen- und Kommunalminister Joachim Herrmann dem neuen Präsidenten zur Wahl. Lobende Worte fand Herrmann auch für Christian Bernreiter, der in seiner achtjährigen Amtszeit ein kompetenter und verlässlicher Streiter für die Belange der bayerischen Landkreise gewesen sei.

Beim Festabend der Landkreisversammlung sicherte Herrmann den Landkreisen die tatkräftige Unterstützung des Freistaats zu: „Die Staatsregierung lässt die Kommunen bei den künftigen Herausforderungen nicht allein und ist auch in schwierigen Zeiten ein verlässlicher Partner.” So habe die Bayerische Staatsregierung den Kommunen bereits frühzeitig zugesagt, die Unterbringungskosten für Ukraine-Flüchtlinge in Asylunterkünften voll zu erstatten.

DK

 

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