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(GZ-5-2022)
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Im Dickicht der Förderprogramme

 

Mit dem bestehenden Dschungel an Vorschriften und Gesetzen sowie der Umsetzung der Impfpflicht in Pflegeheimen und Krankenhäusern befasste sich der Bayerische Städtetag bei einer digitalen Pressekonferenz in Straubing. Der Vorstand sprach sich dabei für eine Vereinfachung der vielen staatlichen Förderprogramme für kommunale Vorhaben aus.

OB Markus Pannermayr. Bild: Bayerischer Städtetag
OB Markus Pannermayr. Bild: Bayerischer Städtetag

Nach Auffassung des Städtetagsvorsitzenden und Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannermayr werden staatliche Förderprogramme für einzelne kommunale Aufgabenbereiche immer kleinteiliger und komplizierter. Um ein Förderprogramm zu nutzen, müssten Kommunen vielfältige Auflagen erfüllen und dicke Anforderungskataloge bearbeiten – oft begleitet von Gutachten, komplizierten Planungsschritten und einer Fülle von prüfenden Stellen. Komplexe Vorgaben des Vergaberechts erschwerten ebenfalls eine zügige Abwicklung.

Pannermayr zufolge müssen Förderprogramme jedoch gut umsetzbar sein und in praxisgerechten Fristen erfüllt werden können. Unabhängig von der Größe einer Stadt und Gemeinde kämen inzwischen kommunale Bauämter, Kämmereien, Jugendämter und Schulreferate in Anbetracht der Fülle an Förderprogrammen an ihre Grenzen. Oft fehle in Rathäusern Personal, um etwa Planungen für Städtebau oder Verkehrsplanung für Radwege-Bau voranzutreiben. Dies erschwere die Bewerbung für Förderprogramme und behindere die rasche Abwicklung komplexer Bauvorhaben.

Kontinuität und Verlässlichkeit für bestehende Programme

Kommunen wünschten mehr Kontinuität und Verlässlichkeit bestehender Programme, weil einzelne Fachprogramme zu kurz laufen oder nur oder einen Anschub geben, so der Städtetagschef. Hilfreich wäre es, die kommunale Investitionskraft grundlegend mit höheren Pauschalen oder höheren Fördersätzen im kommunalen Finanzausgleich zu stärken, um Schulen, Kindergärten, Kindertagesbetreuung, Radwegebau und Nahverkehr als Daueraufgaben auszubauen.

Kapazitätsgrenzen bei den Genehmigungsbehörden

Vonseiten der Bezirksregierungen sei zu hören, dass auch die Genehmigungsbehörden bei der weiter steigenden Zahl unterschiedlicher Förderprogramme bei der Bearbeitung an Kapazitätsgrenzen stoßen. Das enge Zeitkorsett und häufig wechselnde Anforderungen erschwerten die Umsetzung von Programmen.

Die Handlungsfelder von Förderprogrammen sind laut Pannermayr breit gefächert. Aus Sicht der Bundes- und Landespolitik sollen Programme, oft an einem Koalitionsvertrag orientiert, zielgenau und zeitnah einen bestimmten Effekt erfüllen. Daher seien Fördervoraussetzungen meist bis ins Detail geregelt. Differenzierte Regeln sollen gewährleisten, dass Mittel für den gewünschten eng definierten Zweck eingesetzt werden. Knappe Fristen sollen sicherstellen, dass Programme schnell, möglichst in der laufenden Legislaturperiode, in die Umsetzung kommen.

Ein Beispiel: Das auf Bundes- und Länderebene formulierte Ziel der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab 2026 soll mit Hilfe eines Investitionsprogramms vorangetrieben werden. Der Bund stellt den Ländern zum Infrastrukturausbau im ersten Schritt 750 Millionen Euro zur Verfügung – auf Bayern fallen 116,7 Millionen Euro. Anfang Juni 2020 hat sich der Bundestag verständigt. Es folgte ein Abstimmungsprozess des Bundes mit den Ländern, die Verwaltungsvereinbarung ist Ende Dezember 2020 geschlossen worden. Mitte März 2021 hat der Freistaat die Förderrichtlinie veröffentlicht, auf deren Basis bayerische Städte und Gemeinden Anträge stellen können.

Erwartungshaltung der Eltern

Zwischen dem Beschluss der Bundesregierung am 3. Juni 2020 und der Veröffentlichung der Förderrichtlinie im Freistaat am 10. März 2021 sind neun Monate verstrichen. Die Erwartungshaltung der Eltern auf eine verlässliche Ganztagsbetreuung ist bereits weit vor der Weichenstellung des Bundestags im Sommer 2020 geweckt worden. Die Vorlaufzeiten für Neubau- und Ausbauprojekte sind lang – mit Planung, Genehmigung und Ausschreibung bis zur Abwicklung des Baus und Abrechnung der einzelnen Gewerke. Beantragte Fördermittel aus dem Bundesprogramm für Ganztagsbetreuung hätten ursprünglich bereits bis 31. Dezember 2021 vollständig verausgabt sein müssen: Damit sind Baumaßnahmen in der Praxis von der Förderung faktisch ausgeschlossen, denn binnen eines halben Jahres lässt sich ein Bau von der Planung bis zur Endabrechnung nicht realisieren. Um das Förderprogramm bedarfsgerecht abwickeln zu können, hätten die Fristen von vornherein gut zwei Jahre länger sein müssen.

Dass nur noch Spezialisten in den großen Kommunen die Förderprogramme der EU, des Bundes und des Landes ganz durchschauen können, erläuterte Pannermayr am Beispiel der Förderung von Luftreinigungsgeräten in den Schulen. Deren Anschaffung habe sich verzögert, da die Kommunen gezwungen seien, die Geräte europaweit auszuschreiben. Solche Regelungen sollten nach Ansicht des Vorsitzenden zumindest in dramatischen Situationen wie der Corona-Pandemie ausgesetzt werden.

Mehr Tempo sei auch in Sachen Impfpflicht gefragt, so der Verbandschef. Konkret erachtet er die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitsbereich und deren ordnungsgemäßen Vollzug als erforderlich.

Impfpflicht: Enormer zusätzlicher Arbeitsaufwand

Wie Pannermayr darlegte, führe die Verankerung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Infektionsschutzgesetz zu einem enormen zusätzlichen Arbeitsaufwand bei den ohnehin über Gebühr belasteten Gesundheitsbehörden vor Ort.

„Wir stehen vor zahlreichen Einzelverfahren. Noch gravierender ist aber, dass wenige Wochen vor der Einführung entscheidende Fragen immer noch nicht geklärt sind: Für wen genau soll die Impfpflicht gelten? Welche Einrichtungen fallen tatsächlich unter die Impfpflicht? Was gilt für die Abwägung, ob der Betrieb einer Einrichtung, etwa in Krankenhäusern und Pflegeheimen, durch Beschäftigungsverbote gefährdet ist?

Deshalb fordern wir Bund und Länder auf, die offenen Fragen schnellstmöglich zu klären und den Gesundheitsämtern Handlungsleitlinien zu geben.“

Die Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder, für den Vollzug der einrichtungsbezogenen Impfpflicht Übergangsfristen vorsehen zu wollen, könne zunächst eine Atempause verschaffen, bis Bund und Freistaat zügig einheitliche Vollzugsregelungen finden, betonte Pannermayr. Denn über all die Diskussionen hinweg sollte ein Kernanliegen nicht aus dem Blick geraten:

„Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist einmütig auf Bundesebene beschlossen worden, um besonders gefährdete und gesundheitlich geschwächte Menschen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu schützen.“

Atempause dank Söder

So, wie sich die Situation jetzt darstellt, drohen nach Auffassung des Städtetagschefs deutliche Verzögerungen bei der Umsetzung. Ohne klare Regeln und Leitplanken werde es auch keinen einheitlichen Vollzug geben. Damit seien Enttäuschungen vorprogrammiert.

„Wir brauchen Rechtsklarheit. Außerdem müssen die Verfahren einfach gestaltet werden, damit sie von den Gesundheitsämtern überhaupt umgesetzt werden können“, forderte Pannermayr.

Insgesamt halte der Vorstand des Bayerischen Städtetags die schnelle Einführung einer allgemeinen Impfpflicht für wünschenswert. Ein einheitlicher und effizienter Vollzug müsse dabei gewährleistet sein. Dazu erscheine es sinnvoll, dass die dabei anfallenden administrativen Aufgaben durch eine Bundesbehörde geleistet werden.

DK

 

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