Nach Auffassung des dbb Bundesvorsitzenden Ulrich Silberbach befindet sich „der öffentliche Dienst, personell auf Kante genäht und technisch oft im Vorgestern stecken geblieben, seit Jahren quasi im Dauer-Stresstest“. Die Beschäftigten warteten vergeblich auf spürbare Wertschätzung und die Erkenntnis von Arbeitgebern und Dienstherrn, „dass es allerhöchste Zeit ist, nachhaltig in Personal zu investieren und es mit attraktiven Arbeitsbedingungen auch zum Bleiben zu motivieren“, kritisierte der dbb Chef.
Politische Saumseligkeit
Silberbach wies darauf hin, dass es nicht an den Beschäftigten liege, wenn der Staat in vielen Belangen nicht mehr so funktioniere, wie die Bürgerinnen und Bürger es zu Recht erwarteten. „Wenn man es aus politischer Saumseligkeit und Begeisterung für schwarze Nullen über Jahre versäumt, die Behörden und Verwaltungen krisenfest aufzustellen, darf man sich im Katastrophenfall nicht verwundert den Schlaf aus den Augen reiben.“
So dürfe es nicht weitergehen. „Ein Staat, dem die Menschen immer weniger vertrauen und der ihnen nicht so dient, wie sie es von ihm erwarten – solch ein Staat hat umgekehrt auch immer weniger von den Menschen zu erwarten. Wenn mit dem öffentlichen Dienst der Kitt unseres Staatsgefüges bröckelt, wenn sich das System langsam, aber sicher in seine Einzelteile zerlegt, dann kommen uns der gesellschaftliche Zusammenhalt, die Achtung von Recht und Gesetz, Solidarität und Respekt abhanden“, unterstrich der Vorsitzende. Auch bei den Beschäftigten sei die Frustration groß über „Personalmangel, ständig mehr Aufgaben, uralte Technik und ein Wust an Bürokratie, der jede Innovation und Agilität im Keim erstickt.“
Nachhaltige Modernisierung ist gefordert
Der dbb Chef skizzierte einen klaren Fahrplan für eine nachhaltige Modernisierung des öffentlichen Dienstes und mahnte zur Eile. Neben einer aufgabengerechten Personalausstattung und attraktiven Arbeitsbedingungen gelte es, die Digitalisierung der Verwaltung endlich tatsächlich umzusetzen. „Aktuell fehlen uns im öffentlichen Dienst insgesamt mehr als 330.000 Beschäftigte für die Erledigung der Aufgaben. Damit nicht genug: Fast 1,3 Millionen Kolleginnen und Kollegen sind über 55 Jahre und werden in den kommenden Jahren ausscheiden. Wie Bund, Länder und Kommunen diesen Verlust an Know-how und Arbeitskraft kompensieren wollen, ist bis heute schleierhaft“, stellte Silberbach fest.
Die ohnehin nur schleppend anlaufende Digitalisierung allein werde das Problem nicht lösen. Ohne Menschen sei auch in Zukunft kein Staat zu machen, und die Politik solle endlich aufhören, „das Personal immer nur als Kostenfaktor mit zwei Ohren zu betrachten. Investitionen in den öffentlichen Dienst sind Investitionen in Stabilität, Konjunktur, Bildung, Sicherheit und Wohlstand.“
Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser „wollen wir den Wettbewerb um die besten Köpfe gewinnen. Da gibt es viel zu tun: von den Arbeitsbedingungen über die Ausstattung bis hin zum Respekt. Wir sind uns einig, dass wir es nicht beim Applaus belassen dürfen.“ Zwar sei die Bezahlung im öffentlichen Dienst längst nicht alles, „aber eine gute Bezahlung ist Ausdruck von Wertschätzung“.
Für das Gelingen der Digitalisierung in Staat und Verwaltung will die Bundesministerin, deren Haus weiterhin für die digitale Transformation zuständig ist, neue Kräfte freisetzen. Ein Digital-Check soll Gesetze darauf abklopfen, ob sie das Leben einfacher und digitaler machen. Die Digitalisierung müsse noch stärker in der Kultur der Verwaltung, in Aus- und Fortbildung verankert werden.
Große Reformvorhaben
Faeser betonte, dass ihr Ministerium mit der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), dem Registermodernisierungsgesetz, der Digitalisierung des Personalausweises und der IT-Konsolidierung des Bundes große Reformvorhaben stemme, wobei die Föderale IT-Kooperation (FITKO) eine wichtige Rolle spiele und personell sowie finanziell gestärkt werde. „Aber bitte kein aufwändiger Umbau oder eine neue Behörde“, erklärte die Ministerin mit Blick auf die Forderung des dbb, die FITKO zu einer vollwertigen Digitalisierungsagentur mit entsprechenden Umsetzungs- und Durchgriffsrechten auszubauen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hob in punkto Modernisierung des öffentlichen Dienstes die Digitalisierung und die Diversität heraus. „Arbeitsplätze sollen kein Museum sein“, stellte er klar und wies darauf hin, dass mit Hilfe bestehender Kreditermächtigungen des Bundes in Höhe von 60 Milliarden Euro unter anderem aufgrund der Pandemie nicht erfolgte Investitionen in die technologische Transformation und Modernisierung des Staates vorgenommen werden sollen. Die geplante Reform der Ampel-Regierung für qualifizierte Einwanderung nach Deutschland stelle außerdem für den Staatsdienst eine Chance zur besseren Nachwuchsgewinnung bei gleichzeitiger Stärkung der Vielfalt dar.
Da die Bundesregierung ab 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten wolle, müssten von der Politik eindeutige Schwerpunkte gesetzt werden, so Lindner. Im Bereich des öffentlichen Dienstes nannte er als „prioritär“ Sicherheitsbehörden wie Polizei, Bundeswehr und Zoll sowie die Digitalisierung der Bildung.
Nötig sind personelle und sachliche Ressourcen
Um die zahlreichen Aufgaben des Staats und der öffentlichen Verwaltung bewerkstelligen zu können, bedarf es neben angemessener personeller und sachlicher Ressourcen auch der richtigen Prozesse. Nach Ansicht von Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, ist die Meinung der Bürgerinnen und Bürger über die Veraltung „gar nicht so schlecht“. Die derzeitige zentrale Herausforderung sei, alle Verwaltungsdienstleistungen bis Ende des Jahres wie im Onlinezugangsgesetz (OZG) vorgeschrieben, abzubilden. „Schaffen werden wir das sicher nicht. Wir versuchen es, konzentrieren uns dabei aber erst einmal auf die wesentlichen Dienste.“
Dabei sei die Erwartungshaltung der Bürger enorm hoch, konstatierte Landsberg. Leider sei „die Verwaltung aber noch weit entfernt vom Amazon-Prinzip ‚heute bestellt, morgen geliefert‘, denn wir machen immer noch analoge Gesetze, die in den Kommunen digital umgesetzt werden sollen. Da müssen wir noch besser werden.“ Ausdrücklich betonte der Hauptgeschäftsführer, dass sich das „Amazon-Prinzip“ aber nicht auf die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst beziehen dürfe.
„Im Gegenteil ist ein weiterer wesentlicher Faktor bei der Verwaltungsdigitalisierung die Fachkräftegewinnung. Wir werden gerade im IT-Bereich zwar niemals das zahlen können, was die Wirtschaft zahlt. Dafür können wir junge Leute mit weichen Faktoren wie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sicheren Arbeitsbedingungen und fairen Karrierechancen binden und sollten offensiver damit werben.“
Die Bürger wollten vor allem schnelle Alltagsdienstleistungen, die sie bei ihrer Kommune niedrigschwellig abrufen können. Dabei müsse es auch Angebote für Menschen geben, die mit dem Digitalen nicht so gut zurechtkommen. „Allerdings führt hier die deutsche Sehnsucht nach der Einzelfallgerechtigkeit zu einem zu großen Wust an Einzelvorschriften. Wenn die sich dann auch noch alle drei Wochen ändern, können wir nur verlieren“, machte Landsberg deutlich.
Grundsätzlich sprach er sich für mehr Einheitlichkeit aus. Beispielsweise wurde die Software „Sormas“ zur Kontaktverfolgung bei Corona-Infektionen bundesweit eingeführt – „ein Modell, aus dem wir lernen können, denn letztlich kann nicht jede Kommune in allen Bereichen ihr eigenes Ding machen, wenn Digitalisierung funktionieren soll.“
Pandemie-Herausforderungen
„Als ich das Amt des Oberbürgermeisters von Wuppertal übernahm, fehlte mir die Innensicht auf die Arbeit einer Verwaltung. Inzwischen kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass die Stadtverwaltungen, gerade auch unter den Herausforderungen der Corona-Pandemie, in vielen Bereichen sehr viel besser und agiler aufgestellt, als man von außen wahrnimmt“, hob der Wuppertaler OB Prof. Dr. Uwe Schneidewind hervor.
In einer kommunalen Verwaltung könne man viele Jobs ausüben, ohne den Arbeitgeber zu wechseln. Doch leider sei das nicht genügend bekannt, bedauerte Schneidewind: „Wir müssen junge Leute stärker begeistern und überzeugen, dass sie sich als Beschäftigte der kommunalen Verwaltung gut und kreativ verwirklichen können. Was wir brauchen, sind Menschen, die vor Ort Bürgernähe zeigen und sich zugleich aktiv auf veränderliche Prozesse einstellen können.“ Eine „gut gemachte Image-Kampagne“, die zeige, wie spannend Jobs in der kommunalen Verwaltung sind, könne hier hilfreich sein.
DK
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