Kommunalverbändezurück

(GZ-1/2-2022)
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► DStGB-Jahrespressekonferenz:

 

Zukunftsplan Deutschland

 

Zwingend notwendig ist nach Auffassung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds die Umsetzung eines Zukunftsplans für Deutschland. Wie der Präsident des DStGB, Bürgermeister Ralph Spiegler (Nieder-Olm), und Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg bei der Bilanzpressekonferenz des Kommunalverbandes in Berlin betonten, „steht unser Land vor gewaltigen Herausforderungen, die jetzt in einem konkreten Zukunftsplan angegangen und bewältigt werden müssen“.

V.l.: Ralph Spiegler und Gerd Landsberg. Bild: Alexander Handschuh, DStGB
V.l.: Ralph Spiegler und Gerd Landsberg. Bild: Alexander Handschuh, DStGB

Teil des Zukunftsplans sei zunächst eine langfristige und nachhaltige Pandemiestrategie. „Leider ist Corona noch nicht vorbei. Mit der neuen Variante Omikron droht eine fünfte Welle. Die Impfstoffhersteller haben bereits angekündigt, im Frühjahr einen angepassten Impfstoff bereitzustellen. Das bedeutet, dass nach dem Boostern auch noch eine vierte Impfung erforderlich sein wird“, erklärten Spiegler und Landsberg. Dies müsse organisatorisch vorbereitet werden.

Gegen Radikalisierung

„Wir brauchen zusätzliche Impfzentren, ausreichend Impfstoffe und müssen auch überlegen, ob die neuen Impfungen mit Blick auf Alter und Beruf priorisiert werden sollen.“

Mit Blick auf die Diskussionen um die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht erneuerte der DStGB seine Forderung nach einem zentralen Impfregister. Entschieden wandten sich die Verbandsvertreter zudem gegen die „Radikalisierung der Corona-Proteste“. Diese treffe zunehmend auch kommunale Verantwortungsträger:

„Mit großer Sorge sehen wir, dass politisch motivierte Bedrohungen, Beleidigungen und auch tätliche Übergriffe gegen Politikerinnen und Politiker, aber auch gegen Rettungskräfte und Polizei dramatisch zunehmen. Eine sehr kleine radikale Minderheit in unserem Land glaubt, den Staat vorführen zu können. Höhepunkte sind regelmäßig Fackelumzüge und Veranstaltungen auch vor privaten Häusern von Entscheidungstragenden“, so Spiegler und Landsberg. Dies dürfe nicht hingenommen werden. Der Rechtsstaat müsse hier klare Kante zeigen.

Nachhaltige Finanzierung

Ein wichtiger Baustein eines Zukunftsplans für Deutschland ist für den Deutschen Städte- und Gemeindebund auch die deutliche Erhöhung der kommunalen Investitionen, insbesondere in den Bereichen Klimaanpassung und Klimaschutz. Die Städte und Gemeinden stünden vor der Aufgabe, mehr in Hochwasserschutz und in Grün in den Kommunen zu investieren, einen Beitrag zur Verkehrswende durch Elektromobilität in ihren Fahrzeugflotten zu leisten, für bessere Schulen und mehr Kitas zu sorgen sowie eine zügige Umsetzung der Digitalisierung in den Verwaltungen anzugehen. 

Spiegler und Landsberg zufolge brauchen alle diese Ziele eine nachhaltige Finanzierung:

„Das Jahr 2021 haben die Städte und Gemeinden mit einem Defizit von über 9 Milliarden Euro abgeschlossen. Auch für 2022 müssen wir mit einem weiteren Defizit von über 10 Milliarden Euro rechnen, da durch die anhaltende Pandemie und die Störung der weltweiten Lieferketten sich die Wirtschaft nicht so schnell erholt wie erwartet. Wir fordern deshalb einen weiteren kommunalen Rettungsschirm für die Einnahmeausfälle der Kommunen, insbesondere im Bereich der Gewerbesteuer und der Einkommenssteuer.“

Finanzielle „freie Spitze“

Die Finanzausstattung der Kommunen müsse dauerhaft nicht nur die Erfüllung von Pflichtaufgaben, sondern auch freiwillige kommunale Selbstverwaltungsaufgaben ermöglichen. Dabei müsse es eine finanzielle „freie Spitze“ als wesentliche Säule des durch das Grundgesetz garantierten Rechts der kommunalen Selbstverwaltung geben. Neben der Notwendigkeit der Einrichtung verfassungskonformer und aufgabenadäquater kommunaler Finanzausgleichssysteme sei es mit Blick auf eine auch strukturell auskömmliche Finanzierung der kommunalen Ebene angezeigt, den gemeindlichen Anteil an der Umsatzsteuer zu erhöhen. Für den zusätzlichen Anteil ist es aus kommunaler Sicht angebracht, auf einen einwohnerbasierten Verteilschlüssel umzustellen.

Negative Nettoinvestitionsquote

Obwohl sich die kommunalen Ausgaben für Investitionen in den vergangenen Jahren deutlich erholt hatten, ist die Nettoinvestitionsquote seit nunmehr fast 20 Jahren negativ. Der Werteverzehr bei der kommunalen Infrastruktur ist also größer als die Investitionen. Folge ist ein entsprechend massiver kommunaler Investitionsrückstand von zuletzt 149 Milliarden Euro. Nimmt man nun noch die notwendigen zusätzlichen Zukunftsinvestitionen, unter anderem in den Bereichen Klima und Digitalisierung in den Blick, wird deutlich, dass tatsächlich die zwingende Notwendigkeit einer langfristigen kommunalen Investitionsoffensive, die von Bund und Ländern finanziell dauerhaft abgesichert werden muss, besteht.

Kommunen, aber auch die Bauwirtschaft, benötigten Planungssicherheit, um ihre Personalkapazitäten weiter auszubauen. Zumindest auf kommunaler Ebene sei schon heute zu beobachten, dass eigentlich notwendige Neueinstellungen in den Bauplanungsämtern aufgrund von finanziellen Unsicherheiten zurückgestellt werden müssen. Investitionspauschalen seien daher eine wichtige Maßnahme einer langfristigen und planbaren Förderung von Investitionen.

Überkomplexe Förderprogramme

Zunehmend wird die Verwaltungskraft der Städte und Gemeinden von der zuletzt immer häufiger zu beobachtenden „Atomisierung“ überkomplexer und komplizierter Förderprogramme überfordert, kritisiert der DStGB. Vor allem finanzschwache und kleine Kommunen würden dadurch bei der Möglichkeit Fördermittel zu akquirieren, benachteiligt. Die Stärkung der kommunalen Investitionsfähigkeit über die Förderung mit Infrastrukturpauschalen würde daher auch einen wichtigen Beitrag zur Erreichung gleichwertiger Lebensverhältnisse leisten.

Herkulesaufgabe Energiewende

Als Herkulesaufgabe, die in vergleichsweise kurzer Zeit nur mit großen Anstrengungen zu schaffen sein werde, betrachtet der DStGB die Energiewende. Dabei handle es sich um ein Projekt von immenser Bedeutung für die Zukunft des Landes. Das Gelingen der Energiewende sei der entscheidende Schlüssel, ob Deutschland tatsächlich die Klimaschutzziele erreichen wird.

Laut DStGB sind Kohle, Atomkraft und Gas trotz aller Bemühungen um eine Energiewende nach wie vor Deutschlands wichtigste Energieträger für die Stromproduktion. Im dritten Quartal des Jahres 2021 stammten nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes mehr als die Hälfte (56,9 Prozent) der gesamten erzeugten Strommenge von 118,4 Mrd. Kilowattstunden aus konventionellen Energiequellen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (2020) habe sich damit der Anteil Bundesamtes sogar um 2,7 Prozent erhöht.

„Wenn Deutschland bis 2030 tatsächlich, wie von der Ampelkoalition geplant, 80 Prozent des Stroms aus Wind, Sonne und anderen erneuerbaren Energieträgern produzieren will, brauchen wir einen gewaltigen Kraftakt“, so Spiegler und Landsberg. Jährlich müssten dann bis zu 2.500 neue Windräder ans Netz gehen.

Gesetz zur Klimaschutzbeschleunigung

Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, schlägt der Deutsche Städte- und Gemeindebund ein Klimaschutzbeschleunigungsgesetz vor. Bestandteile eines solchen Gesetzes sollen digitale Genehmigungsverfahren sein sowie der Verzicht auf naturschutzrechtliche Ausgleichsregelungen, wenn die geplante Maßnahme dem Klimaschutz oder der Klimaanpassung dient, darüber hinaus eine Verkürzung der Gerichtswege und Präklusions- und Stichtagsregelungen, um die Gerichtsverfahren zu beschleunigen. Zudem könnte auch ein 100.000-Dächer-Sofortprogramm für kommunale Liegenschaften zur Beschleunigung der Energiewende beitragen.

Kommunikationsstrategie

„Alle diese Maßnahmen müssen mit einer effektiven Kommunikationsstrategie verbunden werden. Gerade die Bereitschaft, auch persönlich beizutragen und mögliche Einschränkungen zu akzeptieren, muss erhöht werden. Das Prinzip ‚Not in my backyard‘ nach der Auffassung ‚Ich bin für Umweltschutz, möchte aber die Windenergie nicht in Sichtweite haben und den neuen Schienenverkehr nicht hören‘, darf nicht länger Bestand haben“, forderten die Verbandsvertreter.

Neue Gemeinschaftsaufgabe

Aus Sicht des DStGB muss auch die Klimaanpassung in Städten und Gemeinden von Bund und Ländern gemeinsam mit den Kommunen konsequent vorangetrieben werden. „Hitze, Dürre, Brände werden uns in Zukunft noch stärker belasten und fordern völlig neue Konzepte. Es geht um die Sicherung der Lebensgrundlage der Menschen. Die verheerende Flutkatastrophe 2021 hat auf dramatische Weise gezeigt, dass wir nicht ausreichend vorbereitet sind. Wir schlagen deshalb vor, Klimaanpassung und Klimaschutz als neue Gemeinschaftsaufgabe in Art. 91a Grundgesetz zu verankern. Zu Recht ist dort der Küstenschutz bereits vorgesehen, Klimaanpassung und Klimaschutz gehören notwendig dazu und werden die gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen stärken“, unterstrichen Spiegler und Landsberg.

In Einklang gebracht werden müssen auch die Themenfelder Wohnen, Arbeit und Verkehr. Nach Vorstellung der Ampel-Koalition sollen künftig pro Jahr 400.000 neue Wohnungen entstehen, davon 100.000 öffentlich gefördert. Dafür sollen die finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau fortgeführt und die Mittel erhöht werden. Geschlossen werden soll ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ mit allen wichtigen Akteuren. Ergänzend ist geplant, eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg zu bringen und die bestehende Mietpreisbremse zu verlängern und zu verschärfen. In „angespannten Wohnungsmärkten“ dürfen die Mieten innerhalb von drei Jahren nur noch um 11 Prozent steigen, bislang waren es 15 Prozent.

Nach Ansicht des Deutschen Städte- und Gemeindebunds wäre eine einseitige Ausrichtung auf den Wohnungsneubau falsch. In ländlichen Regionen stünden bis zu 1,8 Millionen Wohnungen leer. Dieses Potenzial sei dringend zu nutzen. In diesem Zusammenhang sei die Förderung ländlicher Räume ein wichtiger Aspekt. Allerdings werden laut Verband die bisherigen Bundesfinanzhilfen in Höhe von jährlich 1 Milliarde Euro nicht ausreichen, um eine Trendwende am Wohnungsmarkt einzuleiten. Jedes Jahr fielen in Deutschland etwa 45.000 Wohnungen zusätzlich aus der Sozialbindung. Daher müssten die Mittel für die soziale Wohnraumförderung von Bund und Ländern auf mindestens 5 Milliarden Euro pro Jahr erhöht werden.

DK

 

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