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(GZ-11-2021)
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► Jahrestagung des Bayerischen Landkreistags:

 

Landkreise zukunftsfest gestalten

 

Die Folgen der Coronapandemie für Staat und Kommunen standen im Mittelpunkt der virtuellen Jahrestagung des Bayerischen Landkreistags im Landratsamt München.

Jahrestagung des Bayerischen Landkreistags.

In seiner Grundsatzrede konzentrierte sich Präsident Christian Bernreiter dabei auf vier Megathemen: Corona, Wirtschaft, Klima und starke Landkreise bilden nach den Worten als Fundament des Staates.

„Zunächst gilt es, die Corona-Pandemie zu überwinden und die Gesellschaft zu einen. Es geht darum, in der Pandemie sicher über die Ziellinie zu kommen“, betonte Bernreiter. „Trotz vieler Herausforderungen haben wir in den vergangenen Monaten bereits erfolgreich bewiesen, dass in der Pandemie auf das überragende Engagement der Landratsämter nicht verzichtet werden kann.“

Normales Leben mit dem Virus ermöglichen

Die Langzeitstrategie ziele darauf ab, ein vertretbares normales Leben mit dem Virus zu ermöglichen. Impfstoff müsse in ausreichender Menge bereitstehen und gleichmäßig verteilt werden. Gebiete mit geringer Ärztedichte dürften nicht benachteiligt werden, weil dadurch ein Keil in die Gesellschaft getrieben würde. Der Präsident plädierte überdies für eine schnelle Stabilisierung der Wirtschaft.

Dies verlange eine kluge Öffnungsstrategie, ohne das Erreichte zu gefährden. „Nur wenn wir es schaffen, rasch zu alter wirtschaftlicher Stärke zurückzukehren, sprudeln die Steuereinnahmen und bleiben die Sozialkassen durch hohe Erwerbstätigkeit geschont. Andernfalls dürften sich die finanziellen Herausforderungen in allen Bereichen – ob Klima, Gesundheit oder Pflege – kaum schultern lassen.“

Mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz, das förmlich einen Wettlauf von Bund und Ländern über die zu erreichenden Klimaziele ausgelöst habe, verwies Bernreiter darauf, dass sich Intensität und Umsetzungsgeschwindigkeit der Vorgaben auch künftig an der praktischen Realisierbarkeit orientieren müssten. Die Mehrheit der Bevölkerung lebe im ländlichen Raum und werde einen Großteil der absehbaren Lasten zu tragen haben.

Der ländliche Raum bezahlt die Zeche

Ein prominentes Beispiel hierfür sei der Verkehr. Fahrzeuge mit alternativen Antriebsarten und ausreichender Reichweite stünden zu erschwinglichen Preisen derzeit noch nicht zur Verfügung. Ein dicht getaktetes ÖPNV-Angebot sei auf dem Land aufgrund der geringen Nutzerzahlen weder wirtschaftlich darstellbar noch ökologisch sinnvoll. Die Leidtragenden seien daher die Pendler, die über die CO2-Bepreisung deutlich stärker belastet werden und über keine Alternative verfügen.

Voraussetzung für das Gelingen der Klimawende sei aber die Akzeptanz vor Ort. Daher müssten die Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Einklang gebracht werden. Es gelte, den Wohlstand und die industrielle Wertschöpfung zu sichern. Klimaschutz müsse als Wachstumschance verstanden und sozialverträglich ausgestaltet werden. Damit Landkreise als Fundament des Staates zukunftsfest gestaltet werden können, bedarf es laut Bernreiter einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen. Bund und Land hätten dies richtig erkannt und 2020 die Gewerbesteuerausfälle im Freistaat in Höhe von 2,4 Mrd. Euro abgesichert.

Gleichwohl sei auch für 2021 ein entsprechender Ausgleich erforderlich, um die Umlagekraft in 2023 zu stabilisieren. Eine weitere wertvolle Hilfe sei zudem der ÖPNV-Rettungsschirm im Umfang von bundesweit 5 Mrd. Euro, der von einer hälftigen Kostentragung durch Bund und Länder ausgeht. Der Verbandschef bedankte sich dafür, dass der Bund für das Jahr 2021 bereits eine Aufstockung um eine weitere Milliarde Euro in Aussicht gestellt hat, damit die pandemiebedingten Verluste infolge sinkender Fahrgastzahlen und hygienebedingter Mehraufwendungen ausgeglichen werden können.

Mehr Engagement von Bund und Land

Die Länder seien nun aufgefordert, ihre finanziellen Zusagen einer hälftigen Beteiligung am ÖPNV-Rettungsschirm ebenfalls einzuhalten. Dabei sicherten diese Mittel nur den Status quo und berücksichtigten noch nicht die staatlichen Vorgaben zum Klimaschutz, weshalb Bernreiter hier mehr Engagement von Bund und Land erwartet. Noch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sah der Bund bis 2030 eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen im ÖPNV bei gleichzeitiger Reduzierung der Nutzer des motorisierten Individualverkehrs als notwendig an, um die Klimaziele zu erreichen. Mindestens ebenso schwer wie die Einnahmen wiegen die Ausgaben, die den Landkreisen von Bund und Ländern aufgebürdet werden.

Wie Bernreiter ausführte, hätten die Sozialausgaben bereits in wirtschaftlich „guten“ Jahren regelmäßig neue Rekordwerte erreicht. So seien die Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe im Jahr 2019 erstmals auf über 8 Mrd. Euro angestiegen. Dies entspreche einer Steigerung von 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr (7,3 Mrd. Euro). Daneben gebe es zahlreiche weitere Beispiele für Zusatzbelastungen der Kommunen, wie die geplante Pflegeplatzgarantie in Bayern, das Bundesteilhabegesetz, das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, das Ganztagsförderungsgesetz oder das Angehörigenentlastungsgesetz.

Angesichts der aktuellen Haushaltslage sei eine differenzierte Ausgaben- bzw. Aufgabenkritik dringend notwendig, um die künftige Kostenentwicklung gerade im Pflege- und Sozialbereich wirksam unter Kontrolle zu halten. „Der Staat kann nicht alles abnehmen. Wir müssen einer Vollkaskomentalität entgegenwirken und die Eigenverantwortung stärken, um finanzielle Ressourcen für die drängenden Zukunftsfragen im Bereich Klimaschutz, Digitalisierung und medizinische Versorgung freizuschaufeln“, stellte der Präsident klar.

Grundvoraussetzungen gleichwertiger Lebensverhältnisse

Eine flächendeckende Breitband- und Mobilfunkversorgung sowie eine adäquate ambulante und stationäre medizinische Versorgung zählen aus seiner Sicht nicht nur zu den Grundvoraussetzungen gleichwertiger Lebensverhältnisse, sondern sind zwingend erforderlich, um in pandemischen Situationen bestehen zu können. „Ohne digitale Infrastruktur ist weder Homeoffice noch digitales Lernen möglich. Ohne ausreichende Kapazitäten zur medizinischen Versorgung schwebt über uns das Damoklesschwert einer Überforderung unseres Gesundheitssystems. Wir müssen uns in diesen Zukunftsfragen gut aufstellen“, machte Bernreiter deutlich.

Kernaufgabe Krankenhausversorgung

Apropos Gesundheitssystem: Mit Blick auf die künftige Ausrichtung der Krankenhausstruktur muss nach Auffassung des Bayerischen Landkreistags die akutstationäre Krankenhausversorgung als Kernaufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge für alle Menschen gleichermaßen offenstehen – unabhängig von ihrem Wohnort. Dies gelte insbesondere für das Flächenland Bayern, in dem rund 70 Prozent der Bevölkerung im „ländlichen Raum“ leben.

Vor allem Kostendruck und Fachkräftemangel, gepaart mit einem marktliberalen Verständnis von Gesundheitsökonomie, hätten die Vergütungssysteme zugunsten der großen Kliniken beeinflusst. So ziele das DRG-Fallpauschalensystem darauf ab, Erlöseinbußen über Mengensteigerungen auszugleichen, was eine Konzentration der Krankenhausstandorte auf deutlich weniger Schwerpunkt- und Maximalversorgungshäuser begünstigt.

Dass derartige Bestrebungen nicht zielführend sind, darüber waren sich die anwesenden Landrätinnen und Landräte einig. Die aktuellen Entwicklungen stünden weder mit den vielfach geforderten gleichwertigen Lebensverhältnissen im Einklang, noch würden sie den Anforderungen im Katstrophen- oder Pandemiefall gerecht.

Insbesondere wegen der Versorgungssicherheit im gesamten Land müsse die Ausdünnung der Krankenhausstrukturen über eine zunehmende Verknappung der Erlöse ein Ende haben.
Eine Refinanzierung der Vorhaltekosten müsse künftig über die zu erzielenden Vergütungen wieder möglich sein.

Es gelte, die bestehende Schere zwischen Erlösen und Lohnkosten bei der Betriebskostenfinanzierung dauerhaft zu schließen. Darüber hinaus müsse sich auch der Freistaat zu einer auskömmlichen Investitionskostenförderung bekennen. Diese sollte in folgenden Punkten nachgebessert werden:

Die Baunebenkosten, allen voran die Kosten nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), steigen immer weiter und erreichen in Einzelfällen bereits 30 Prozent der Antragssumme. Förderfähig sind jedoch nur 15 Prozent.

Die nicht förderfähigen Kosten (Außenanlagen, Küchen, Apotheken usw.) müssen wieder in die Förderung einbezogen werden. Auch zahlreiche Kürzungen von förderfähigen Flächen im Raumprogramm (etwa im Verwaltungsbereich) müssen überprüft werden. Die 2003/04 vorgenommene Konzentration der Förderung auf „das Bett“ ist heute nicht mehr zeitgemäß.

Krankenhäuser können nur funktionieren, wenn sie auch vollständig finanziert sind. Die pauschalen Fördermittel müssen dringend weiter aufgestockt werden, um den Krankenhäusern bei kleineren Baumaßnahmen oder den Investitionen in die Informationsverarbeitung größeren Handlungsspielraum zu geben. Das Gegenargument, dass einzelne Häuser die Mittel nicht abrufen, zu lange ansparen oder nicht zielgerichtet verwenden würden, darf nicht dazu führen, dass alle Häuser abgestraft werden. Das System der Pauschalförderung müsste gegebenenfalls weiterentwickelt werden.

Um dem Fachkräftemangel Herr zu werden, bedarf es nach Ansicht der Verbandsversammlung einer wesentlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Ein wichtiger Schritt dazu wäre, den Bürokratieaufwand einzudämmen, damit den Pflegekräften wieder mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben bleibt.

Zudem ließe sich die Effizienz durch eine bessere Verzahnung der Zuständigkeiten der kassenärztlichen Vereinigungen, des Rettungsdienstes sowie der Krankenhäuser deutlich steigern. Besonderes Augenmerk müsste dabei neben der auch im Gesundheitswesen vordringlichen Digitalisierung auf die intersektorale Versorgungsplanung gelegt werden, um die Defizite im ambulanten Bereich, die meist von den Krankenhäusern aufgefangen werden müssen, auszugleichen.

DK

 

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