Kommunalverbändezurück

(GZ-1/2-2021)
gz dstgb

► DStGB-Bilanzpressekonferenz:

 

Chance für Neustart und Zusammenhalt

 

„Die Corona-Pandemie hat uns im vergangenen Jahr mit voller Wucht auf allen Ebenen getroffen“, betonten Bürgermeister Ralph Spiegler, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, und Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg anlässlich der Bilanz-Pressekonferenz des kommunalen Spitzenverbandes in Berlin. Noch könne keine Entwarnung gegeben werden, die Einschränkungen für Wirtschaft und Menschen würden auch im neuen Jahr 2021 zumindest in der ersten Jahreshälfte andauern. Nun müsse aktiv daran gearbeitet werden, dass die Krise nicht zu einer noch stärkeren Spaltung zwischen armen und reichen Regionen in Deutschland führt.

Deutschland habe durch die Auswirkungen der Pandemie im Jahr 2020 die größte Wirtschaftskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erlebt. Die Wirtschaft sei stark eingebrochen, die Zahl der Arbeitslosen auf über 3 Millionen Menschen angestiegen, weitere 3 Millionen Menschen sind derzeit in Kurzarbeit. Sehr stark betroffen sind laut Spiegler und Landsberg besonders die kommunalen Haushalte.

Steuern brechen weg

Wegbrechende Steuereinnahmen bei gleichzeitig steigenden Ausgaben rissen tiefe Löcher in die kommunalen Kassen. Bereits ohne die Auswirkungen des zweiten Lockdowns prognostizierte die Steuerschätzung im November 2020 rund 50 Milliarden geringere Steuereinnahmen für Städte und Gemeinden bis zum Jahr 2024.

Länder und Bund stehen laut DSDtGB in der Pflicht, mindestens auch für die Jahre 2021 und 2022 einen Rettungsschirm für die Kommunalfinanzen aufzuspannen.

Die Kommunen sind gefordert

Die Kompensationszahlungen müssten dabei neben den Gewerbesteuerverlusten auch die Mindereinnahmen bei den gemeindlichen Anteilen an der Einkommen- sowie der Umsatzsteuer berücksichtigen. Gerade in der Krise benötigten Bürgerschaft und Wirtschaft starke und handlungsfähige Kommunen. Bund und Länder müssten die Kommunen über weitere Stützungsmaßnahmen in die Lage versetzen, ihre Investitionen weiter zu erhöhen, um so die Konjunktur aktiv und nachhaltig ankurbeln zu können.

Auch die Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise auf den Arbeitsmarkt werden sich in steigenden Ausgaben für soziale Leistungen niederschlagen. Gleichzeitig stehe zu befürchten, dass sich das Gesicht der Innenstädte und Ortskerne nachhaltig verändern wird. „Viele Einzelhändler, Gastronomiebetriebe und kulturelle Einrichtungen haben massiv unter den monatelangen Schließungen gelitten. Trotz staatlicher Unterstützung werden nicht alle durchhalten. Das hat massive Auswirkungen auf die Lebens- und Aufenthaltsqualität in unseren Kommunen“, heißt es in dem Bilanzbericht.

Um dem Handel und den Bürgerinnen und Bürgern ein attraktives Umfeld zu bieten, schlägt der Deutsche Städte- und Gemeindebund einen Innenstadt- und Ortskernfonds vor. Dieser Fonds sollte mehrere Milliarden Euro umfassen und mit zusätzlichen Mitteln aus einer neu zu schaffenden Abgabe für die großen Onlinehändler gespeist werden. „Sie nutzen alle die Infrastruktur der Städte, aber zahlen regelmäßig keinerlei Steuern, Beiträge und Abgaben. Soweit der stationäre Handel ebenfalls online tätig ist, was wir ja fordern und fördern, kann in diesem Bereich die entsprechende Abgabe mit der Gewerbesteuer verrechnet werden. Dieser Fonds soll neue Modelle ermöglichen und den Kommunen auch ein Mittel an die Hand geben, zum Beispiel Schlüsselimmobilien (etwa geschlossene Kaufhäuser) zu kaufen und einer neuen Nutzung zuzuführen. Nichts ist tödlicher für eine Innenstadt, als wenn Ankerimmobilien wochen-, monate- oder jahrelang leer stehen. Wir halten auch eine Schärfung der planungsrechtlichen Instrumente, insbesondere des kommunalen Vorkaufsrechts, für notwendig“, erläuterte Spiegler.

Flexibel gegen Konkurrenz zum Onlinehandel

Wegen der Konkurrenz zum Onlinehandel, der 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche geöffnet ist, plädiere der DStGB auch dafür, die Ladenöffnungszeiten flexibler zu gestalten. Dazu gehören aus seiner Sicht „in einem gewissen Umfang auch zusätzliche verkaufsoffene Sonntage. Wir verstehen die Einwände der Gewerkschaften und der Kirchen, aber wenn am Ende der Einzelhandel in den Städten stirbt, ist niemandem geholfen.“

Fest stehe bereits jetzt, dass die Städte und Gemeinden nach der Krise in der Lage sein müssen, zu investieren, um dringend notwendige Konjunkturimpulse zu setzen. Dafür brauche es die Unterstützung von Bund und Ländern. Es wäre fatal, gegen die Krise ansparen zu wollen. Bereiche für dringend notwendige Zukunftsinvestitionen gebe es genug: Digitalisierung und digitale Infrastruktur, Umbau der Innenstädte und Ortskerne, Klimaschutz und Klimafolgenanpassung und weitere dringend notwendige Vorhaben, die seit vielen Jahren nicht realisiert werden konnten.

Entlastungen bei Bürokratie

„Um den Konjunkturmotor nach der Krise anwerfen zu können und die hoffentlich vorhandenen Mittel auch schnell investieren zu können, brauchen wir Entlastungen bei Bürokratie und Vergaberecht“, so Spiegler. Ein Vorbild könne das Konjunkturpaket nach der Finanzkrise im Jahr 2009 sein, bei dem eine große Zahl an bürokratischen Hürden beiseite geräumt wurde. Mit starken und handlungsfähigen Städten und Gemeinden werde es gelingen, auch die Folgen der Pandemie zu überwinden. Denn auch in dieser Krise lägen Chancen.

Spiegler und Landsberg zufolge haben die Menschen die Erfahrung gemacht, dass man eine derartige Bedrohungssituation besser durchsteht, wenn man zusammenhält. Auch habe sich gezeigt, dass der Staat insgesamt funktioniert. Er habe Hilfe nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Menschen organisiert und geleistet. Eine neue Forsa-Umfrage zeige, dass das Zutrauen der Menschen in die kommunale Familie mit über 58 Prozent deutlich gestiegen ist. „Dieses Vertrauen müssen wir ausbauen und weiter nutzen. Wenn es gelingt, mit starken Städten und Gemeinden vor Ort diesen Weg weiter zu gehen, kann daraus eine Renaissance der kommunalen Selbstverwaltung entstehen.“

Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse

In Zukunft müsse es auch verstärkt darum gehen, das gemeinsame Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland konsequent weiter voranzutreiben. Die Krise habe die Spreizung zwischen armen und reichen Regionen verstärkt. Bei allen neuen Gesetzen und Verordnungen sollte künftig geprüft werden müssen, ob dieses Vorhaben das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse fördert. Wichtig wäre zudem, dass sich der mediale und politische Scheinwerfer nicht immer wieder ausschließlich auf die wenigen Metropolen in Deutschland richtet. Die Mehrheit der Menschen lebe eben nicht in Großstädten, sondern in den weniger dicht besiedelten Regionen und ländlichen Räumen. „Ob Pop-Up-Radwege in Berlin oder Hamburg, der Ausbau des städtischen ÖPNV oder der Wohnungsmangel in Ballungsräumen – all dies wird in der Öffentlichkeit vorrangig unter dem Aspekt der Metropole gesehen. Das muss aufhören“, forderten die DStGB-Repräsentanten.

Wohnen und Arbeiten besser zusammenzuführen

Mit dem Ziel einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und einem Mehr an Dezentralisierung sei es notwendig, Wohnen und Arbeiten besser zusammenzuführen, machten Spiegler und Landsberg deutlich. Die neuen und oft mobilen Arbeitswelten böten hier große Chancen. Dies würde die oft überhitzten Ballungskerne entlasten und die Potenziale der ländlichen Räume, gerade beim Wohnen im Bestand der Ortskerne, heben. Voraussetzung sei ein Ausbau der Infrastrukturen in den Kommunen der ländlichen Räume. Eine Dezentralisierung reduziere die vielen täglichen Pendlerströme in die Metropolen und schütze damit gleichermaßen Mensch und Umwelt.

Als „gut und richtig“ wird in diesem Zusammenhang die Weiterentwicklung der Elektromobilität erachtet. Gleichwohl dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass hunderttausende Menschen auf ihr Auto angewiesen sind, weil sie als Pendler aus den ländlichen Räumen über hunderte von Kilometern täglich in die Städte gelangen müssen. „Wir müssen bei allen Verkehrskonzepten im Blick haben, dass Stadt und Land voneinander profitieren“, so die Verbandsvertreter.

Baulandmobilisierung

Apropos Wohnen: Ein zentrales Problem bleibt die Baulandmobilisierung. Diese muss nach Auffassung des DStGB getreu dem Grundgesetz-Postulat „Eigentum verpflichtet“ stärker an einer kommunalen und an Allgemeinwohlbelangen ausgerichteten Steuerung orientiert sein. Wichtig sei, die geplanten Neuerungen im Baulandmobilisierungsgesetz schnell umzusetzen. Speziell die Stärkung kommunaler Vorkaufsrechte, die Einführung eines sektoralen Bebauungsplans zur Festsetzung von Flächen für den sozialen Wohnungsbau, aber auch die bis Ende des Jahres 2022 geplante Verlängerung des § 13 b BauGB zur Einbeziehung von kleinen Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren, trügen zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums bei. Bei den Vorkaufsrechten müssten Städte und Gemeinden auch deren Ausübung zum Verkehrswert festlegen können.

Um den Wohnungsbau anzukurbeln, sei auch die Musterbauordnung derart weiter zu entwickeln, dass die Potenziale der Digitalisierung genutzt und Verfahren beschleunigt werden. Die Einführung der Typengenehmigung in die Musterbauordnung müsse von den Ländern zeitnah in ihre Landesbauordnungen übernommen werden. So könnten kostensparende Verfahren wie das serielle und modulare Bauen forciert werden.

Vollkasko-Mentalität und Staatsgläubigkeit eindämmen

Insgesamt gilt es aus Sicht des DStGB aber auch, die zunehmende Vollkasko-Mentalität und Staatsgläubigkeit einzudämmen. Die richtigen und umfangreichen Hilfsmaßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen hätten oftmals den Eindruck vermittelt, der Staat könne alles und überall leisten. So würden immer neue und differenzierte Rechtsansprüche in der Politik diskutiert und vorangetrieben. Beispiele: der Rechtsanspruch auf kostenlose Ganztagsbetreuung in der Schule, der Rechtsanspruch auf ein bedingungsloses Grundeinkommen oder ein Anspruch auf Homeoffice. Dabei werde regelmäßig verkannt, dass der Staat nur das verteilen kann, was er vorher über Steuern eingenommen hat.

„Hier brauchen wir eine Trendwende und das ehrliche Eingeständnis, dass die Corona-Krise uns finanziell dauerhaft und nachhaltig fordern wird. Vieles, was wünschenswert ist, ist nicht finanzierbar. Wir warnen ausdrücklich davor, gerade in den Wahlkämpfen 2021 immer neue und kostenintensivere Versprechungen zu formulieren und zu fordern“, unterstrichen Spiegler und Landsberg und ergänzten: „Wir müssen alles dafür tun, dass unser bewährter Sozialstaat leistungsfähig und finanzierbar bleibt. Dazu gehört aber auch Mut, Eigeninitiativen zu fördern und zu fordern. Wir dürfen die Leistungsbereitschaft als wesentliches Element einer Sozialen Marktwirtschaft nicht kleinreden. Wir müssen deutlich machen, dass ohne eine erfolgreiche deutsche Wirtschaft auch der Sozialstaat in Gefahr gerät.“

„Der starke Zusammenhalt und das Bekenntnis zu einem gemeinsamen Europa und gemeinsamen Werten waren und sind die besten Begleiter, um die Krise zu überwinden und eine krisenfeste, lebenswerte Zukunft zu gestalten“, stellten die DStGB-Repräsentanten abschließend fest.

DK

 

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