Kommunalverbändezurück

(GZ-22-2020)
gz kpv

► Digitaler Kongress der Bundes-KPV:

 

Strukturwandel gestalten

 

Ein knappes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl hat die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands (KPV) auf ihrem diesjährigen Kommunal-Kongress frühzeitig die inhaltliche Debatte über das anstehende Wahlprogramm mitbestimmt. Dabei legte sie einen besonderen Schwerpunkt auf die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Mit Blick auf den Gesundheitsschutz wurde die zweitägige Veranstaltung, die heuer in Bochum stattfinden sollte, als Digitalkonferenz durchgeführt.

„Für 2021 rechnen die kommunalen Spitzenverbände mit einem Haushaltsloch in den Städten und Gemeinden von 10 Milliarden Euro. Das bringt die kommunalen Haushalte in eine gefährliche Schieflage“, machte der Kommunalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Bundesvorsitzende der KPV, Christian Haase MdB, deutlich.

Die Kommunen seien durch die Pandemie personell, organisatorisch und finanziell gefordert wie noch nie. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Krisenmanager nun selbst in Not geraten. Die Kommunen müssen in der Lage sein, notwendige Investitionen zu tätigen, um die Konjunktur anzukurbeln und ihre Aufgaben der Daseinsvorsorge zufriedenstellend zu erfüllen.

Der Bund ist mit seiner Zusage, dauerhaft einen höheren Anteil an den Kosten der Unterkunft für Sozialhilfeempfänger zu übernehmen, bereits in Vorleistung gegangen. Nun sind die Länder gefragt: Sie müssen für eine auskömmliche Finanzierung ihrer Kommunen sorgen. Hilferufe nach dem Bund wie jüngst aus Brandenburg und Rheinland-Pfalz und ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse sind keine Lösung“, stellte Haase fest.

Um die Kommunen und die kommunale Selbstverwaltung zu stärken, schlägt die KPV vor, die Gewerbesteuer als wichtige kommunale Steuer zu stärken, das Durchgriffsverbot des Bundes auf die Kommunen konsequent umzusetzen (Beispiel Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder) und das Vergaberecht zu vereinfachen.

Gewerbesteuer erhalten

Hasse zufolge muss die Gewerbesteuer in ihrer bisherigen Form erhalten werden. Reformdiskussionen führten zu einer wachsenden Verunsicherung. Um die Planungssicherheit für die Kommunen zu erhöhen, sollten Unternehmen künftig Strafzahlungen nicht mehr von der Gewerbesteuer abziehen dürfen. Die bisherige Regelung, wonach Unternehmen die Strafzahlung auf die Gewerbesteuerschuld anrechnen konnten, habe die Kommunen unverschuldet in Mithaftung gezogen.

Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts darf der Bund den Kommunen weder Aufgaben direkt übertragen noch darf er bestehende Aufgaben erheblich erweitern, ohne dass der damit verbundene Mehraufwand finanziell ausgeglichen wird. Der Bund, so Haase, sei deshalb klug beraten, das Durchgriffsverbot endlich konsequent einzuhalten. Dies gelte auch für den geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern.

Verpflichtungen für Bund und Länder

Damit die Kommunen nicht auf den Mehrausgaben sitzen bleiben, müssten sich Bund und Länder verpflichten, die Investitionskosten und die jährlichen Betriebskosten dauerhaft zu übernehmen oder auf den Rechtsanspruch verzichten.

Der bedarfsgerechte Ausbau mit finanzieller Unterstützung des Bundes laufe auch ohne Rechtsanspruch gut. Das Bundeskabinett habe nun eine Erhöhung des Sondervermögens auf den Weg gebracht, das mittlerweile 3,5 Milliarden Euro umfasst. Damit die Konjunkturprogramme zur Stärkung der kommunalen Investitionskraft ihre Wirkung entfalten können, müssen nach Haases Worten die Vergabeverfahren vereinfacht werden.

Die Praxis zeige, dass trotz europaweiter Ausschreibung die Vergaben im Inland erfolgen. Der Aufwand europaweiter Ausschreibungen sei hoch, ohne einen Wettbewerbseffekt zu erzielen. Die Schwellenwerte für freihändige Vergaben und beschränkte Ausschreibungen der öffentlichen Hand sollten heraufgesetzt werden.

Ein weiterer kommunaler Baustein auf dem Weg zum Regierungsprogramm ist die Ganztagsbetreuung im Grundschulalter. „Wer einen Rechtsanspruch will, muss ihn auch finanzieren. Zur finanziellen Umsetzung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter stellen wir sicher, dass Bund und Länder dauerhaft nicht nur die zusätzlichen Investitionskosten, sondern auch dauerhaft und vollumfänglich die zusätzlichen Betriebskosten tragen“, heißt es in dem Diskussionspapier.

Für eine Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter stünden in einem Sondervermögen des Bundes erste Finanzmittel bereit. Das Bundesverfassungsgericht habe allerdings der Ausweitung des SGB VIII einen Riegel vorgeschoben, so dass der Bund und die Länder vor Einführung eines Rechtsanspruchs sicherstellen müssen, dass dauerhaft den Kommunen die aus der Umsetzung des Rechtsanspruchs entstehenden Betriebsausgaben von Bund und Ländern vollumfänglich erstattet werden.

Betriebskosten für die Ganztagsbetreuung

Zielführend wäre es aus Sicht der Bundes-KPV, wenn sich Bund und Länder in einem Staatsvertrag verpflichten, dauerhaft die Betriebskosten für die Ganztagsbetreuung zu übernehmen. Den Kommunen würde dann die organisatorische Umsetzung im Rahmen des SGB VIII obliegen, was auch ohne finanzielle Zusatzbelastung eine nicht unerhebliche organisatorische und personelle Herausforderung sein würde.

Eine weitere Komponente sind gleichwertige Lebensverhältnisse: „Wir halten am Ziel der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse fest und werden mit Bund, Ländern und Kommunen eine umfassende Dezentralisierungsstrategie entwickeln, um strukturschwache Regionen und Städte zu unterstützen. Wir wollen in der nächsten Bundesregierung eine aktive Strukturpolitik zur Stärkung der ländlichen Regionen etablieren, eine fachliche Gesetzesfolgenabschätzung und die begonnenen Maßnahmen auf ihre Wirkung hin überprüfen.“

Agrarstruktur und Küstenschutz

Darüber hinaus soll die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) weiterentwickelt werden, indem man sie um die Komponente „ländliche Entwicklung“ ergänzt. Im Dreiklang der Förderung der Agrarstruktur, des Hochwasser- und Küstenschutzes und der Förderung der ländlichen Entwicklung könne den aktuellen Herausforderungen im Land begegnet werden.

Breitbandausbau

Ein weiteres Ziel ist, „dass jedes Gebäude in Deutschland mittels Glasfaserkabel erreicht und an schnelles Internet angeschlossen werden kann. Dazu werden wir den Kommunen unabhängig von Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Sinne eines Universaldienstes die Möglichkeit eröffnen, den Breitbandausbau auch unter Einbeziehung alternativer unterirdischer wie oberirdischer Verlegemöglichkeiten in Eigenregie voranzutreiben. Wir werden die ab 2025 zur Verfügung stehenden 5G-tauglichen Frequenzen für den flächendeckenden Mobilfunkausbau nutzen.“

Weiter ausbauen will die Bundes-KPV auch die digitale Verwaltung. Außerdem soll der elektronische Personalausweis bzw. Identitätsnachweis (Aufenthaltstitel) als modernes und mobil einsetzbares Authentifizierungsmedium flächendeckend für alle Leistungen der öffentlichen Hand zum Einsatz gebracht und auch Unternehmen angeboten werden. Für Kommunen ist die Entwicklung einer Angebotsplattform, ein „kommunaler App-Store“, angedacht, in dem alle zertifizierten, zugelassenen, einsatzfähigen Fachanwendungen für die Kommunen vergabe- und kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

Bis 2022 sollen Bund, Länder und die Kommunen alle Verwaltungsleistungen in Deutschland über Verwaltungsportale auch digital anbieten und diese Portale zu einem Verbund verknüpfen. Dabei werden ca. 70 % der Verwaltungsvorgänge in den Kommunen abgewickelt. „Durch den Staatsvertrag zur Errichtung des IT-Planungsrates wurde ohne Aufweichen des Bundesdurchgriffs auf die Kommunen sichergestellt, dass die Länder gegenüber ihren Kommunen verantwortlich bleiben und Digitalisierung unter strengster Konnexität umsetzen müssen.“

Das standardisierte Bewertungsverfahren für über das GVFG geförderte Infrastrukturprojekte soll zudem dahingehend weiterentwickelt werden, dass bestimmte Kriterien im Bewertungsverfahren wie Klima- und Umweltschutz, Verkehrsverlagerung oder Aspekte der Daseinsvorsorge stärker gewichtet werden können. „Beim Kosten-Nutzen-Faktor erhalten dünn besiedelte ländliche Räume einen Bonus, um aus geringerer Einwohnerzahl zwangsläufig resultierende höhere Grundkosten besser berücksichtigen zu können.“

Werbung für das Ehrenamt

Mit einem eindringlichen Appell warb der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ralph Brinkhaus schließlich für kommunalpolitische Ehrenämter: „Auch in der Kommunalpolitik benötigen wir ein zeitgemäßes Zeitmanagement und attraktive Strukturen.“ Um für die „Schule der Demokratie“ auch in Zukunft genügend engagierte Mitstreiter zu finden, dürfe das Ehrenamt nicht überstrapaziert werden.

Es sei nicht ausreichend, allein auf die Digitalisierung der Arbeitsabläufe zu setzen: „Wenn die Vorlagen mehrere hundert Seiten stark sind, bringt es mir nicht viel, sie auf dem IPad zu lesen.“ An schlankeren Arbeitsabläufen in den Rathäusern gehe daher kein Weg vorbei.

Eine Auffassung, die auch Bundes-KPV-Vorsitzender Haase ausdrücklich unterstrich. Gleichwohl sei es ein gutes Signal, dass die Kommunalpolitiker in Deutschland derzeit kräftigen Rückenwind erhielten, fuhr Brinkhaus fort: Um die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern, greife der Bund den Kommunen in diesem Jahr kräftig unter die Arme. Angefangen vom Ausgleich für entfallene Gewerbesteuern bis hin zu den Zuschüssen für die Kosten der Unterkunft (KdU) erführen die Städte und Gemeinden vom Bund eine breite Unterstützung.

Für Brinkhaus steht fest: Um die Attraktivität der Kommunen zu erhalten, müssen ihre Interessen in einer etwaigen neuen Föderalismuskommission sehr genau austariert werden. „Unsere Städte und Gemeinden dürfen nicht nur am Katzentisch der Bundesländer sitzen.“

DK

 

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