Ziel des Forschungsprojekts war es, Erkenntnisse über Motive junger Menschen zum Bleibe- und Rückkehrverhalten in ländlichen Kommunen Bayerns zu gewinnen und dabei das Verhältnis von harten und weichen Standortfaktoren zu berücksichtigen. Darauf aufbauend sollen Handlungsempfehlungen für kommunale Akteure und die Jugendarbeit am Land zur Verbesserung der Bleibebereitschaft erarbeitet werden.
Drei Untersuchungsräume
Von Mitte 2017 bis Ende 2019 wurden rund 600 junge Menschen im Alter zwischen 16 und 27 Jahren befragt. Sie kamen in Workshops, persönlichen und Onlinebefragungen sowie Einzelinterviews zu Wort. Folgende drei Untersuchungsräume wurden definiert: Bayerischer Wald“ in der Kategorie „Teilraum mit besonderem Handlungsbedarf“, die Region „Deggendorf-Plattling“ als „ländlicher Raum mit Verdichtungsansätzen“ und die Region „Regensburg Umland“ mit den Merkmalen eines Verdichtungsraumes“.
Untersuchungskommunen waren 15 Orte, davon fünf im Landkreis Regensburg (Barbing, Laaber, Mintraching, Obertraubling, Sinzing), fünf im Landkreis Deggendorf (Aholming, Hengersberg, Metten, Moos, Niederalteich) sowie fünf im Bayerischen Wald (Schönthal und Chamerau im Landkreis Cham, Arnbruck im Landkreis Regen sowie Röhrnbach und St. Oswald-Riedlhütte im Landkreis Freyung-Grafenau).
Zukunftspläne für die Heimatregionen
Wie die Untersuchung zeigt, stellt ein Großteil der Befragten die Raumkategorien „Stadt“ und „Land“ in unterschiedlichen Zusammenhängen konträr gegenüber und gibt an, deutlich die Verschiedenheit der räumlichen Einheiten wahrzunehmen. Die jungen Erwachsenen sehen in ihrem Heimatraum/Heimatort genügend Handlungsoptionen und es besteht die Bereitschaft, Zukunftspläne zu entwickeln.
Keine Rede von Landflucht
Von „Landflucht“ im Sinne eines Ausweichens vor einer repressiven ländlichen Situation kann keine Rede sein. Die große Mehrheit der Onlinebefragten lebt gerne am ländlichen Wohnort und ist im Allgemeinen nicht unzufrieden mit den Lebensbedingungen. Gleichwohl wird in der Bewertung der Daseinsvorsorge unter anderem ein Mangel an bedarfsgerechtem Wohnangebot deutlich und auch die Unzufriedenheit mit der politischen Einflussnahme tritt deutlich zutage. Viele Befragte fühlen sich nicht gehört.
Grundlage für die insgesamt positive Einstellung ist unter anderem eine enge Familien- und damit Ortsverbundenheit sowie eine Verbundenheit zu örtlichen Vereinen und Freundes- und Jugendszenen. Die Befragten sind zum Großteil in Vereinen und Organisationen aktiv. Insgesamt ist unverkennbar, dass Bleiben oder Wegzug von vielfältigen Faktoren abhängig ist, die durch biografische (Heimatort/Heimatgefühl, Zugehörigkeit, Alter, Bildung) sowie soziale Faktoren (Eltern, Freunde/Partner, Vereinsaktivitäten) geprägt sind. Hier besteht eine starke räumliche Identität, die von infrastrukturellen Faktoren unterstützt wird.
Wie wichtig jungen Erwachsenen in ländlichen Räumen diese Aspekte sind, zeigt sich auch bei den studentischen Befragten, für die der Herkunftsort ein fester Bezugspunkt bleibt, den man nicht aufgeben möchte – selbst wenn man ihn aufgrund des eingeschlagenen Bildungs- und Berufswegs verlassen hat. Die Möglichkeit, später zurückzukehren, bleibt hierdurch erhalten.
Für junge Erwachsene in ländlichen Räumen besteht ein Nebeneinander von globalen Weltanschauungen und Veränderungsprozessen, vermittelt unter anderem über das Internet, und Traditionen bzw. stabilen sozialen Verhältnissen im Heimatraum. Die große grundsätzliche Zustimmung und die positive Bewertung für den überschaubaren, eng vernetzten Heimatraum – nicht generell für den ländlichen Raum – stellt die jungen Erwachsenen vor die Herausforderung, Strategien zu entwickeln, um mit der Ressourcen- und Chancenknappheit ihrer regionalen Lebenswelt erfolgreich umgehen zu können.
Wertbezogene Einstellung
Die Lebensplanung geht dabei einher mit einer wertbezogenen Einstellung, die auf Zuverlässigkeit und Bestand ausgerichtet ist. Diese Orientierung benötigt eine allgemeinverbindliche Unterstützung bzw. Absicherung, die durch ein gesellschaftliches oder kommunales Ordnungs-, Regelungs- oder Maßnahmengerüst unterstützt wird. Gelingt dieser Prozess, bestehen die besten Voraussetzungen, die Abwanderung aus den ländlichen Räumen einzuschränken. Dies kann jedoch nicht ausschließlich Aufgabe des Einzelnen sein, sondern muss im Miteinander kommunaler bzw. interkommunaler Aktivitäten und der Jugendarbeit auf dem Land gesehen werden. Für die kommunalen Akteure bedeutet das auch, Jugendpolitik auf dem Land zum Grundsatzthema in der ländlichen Gemeinde zu erheben.
Wie die Untersuchung zeigt, benötigen die jungen Erwachsenen in den untersuchten ländlichen Räumen sowohl vielseitige Unterstützung durch Informationen und Maßnahmen, die sie in der Frage der Berufsorientierung begleiten, als auch Beschäftigungsmöglichkeiten und Bleibeperspektiven. Im Kern geht es darum, für und mit jungen Menschen einen attraktiven ländlichen Lebensraum zu gestalten, um der insgesamt hohen Bleibe- und Rückkehrbereitschaft unter den Befragten eine ernsthafte Perspektive aufzuzeigen.
Mehr Beteiligung gewünscht
„Wir sind überrascht: Die emotionale und persönliche Bindung an das eigene Heimatdorf mit starken sozialen Strukturen ist für junge Leute bis heute die größte Stärke beim Leben auf dem Land und damit ihr Grund, auch in peripheren Regionen zu bleiben oder zurückzukehren. Eine der größten Schwächen ist für sie dagegen die mangelnde Beteiligung an für sie wichtigen Zukunftsfragen vor Ort. Hier muss die Politik ansetzen, wenn sie die Jugend nicht verlieren will!“, bilanzierte KLJB Bayern-Landesgeschäftsführerin Maria Stöckl die Forschungsergebnisse.
Die Resultate zeigten, dass die Kategorien Land und Stadt bis heute starke Identitäten bilden und für das eigene Leben junger Leute sehr wichtig sind. Gerade in peripheren Regionen gebe es eine starke Abgrenzung zur Stadt, die mit dem Hervorheben der starken Bindung an den Heimatort zusammen geht. Stöckl zufolge leben die meisten jungen Leute einfach sehr gerne in ihrem Dorf auf dem Land und wollen hier ihre Zukunft selbst gestalten und erleben.
„Wichtig ist auch, dass es nicht abstrakt um Leben irgendwo auf dem Land geht, sondern fast ausschließlich die eigene ländliche Heimatumgebung als weiteres Wohn- und Lebensumfeld gewünscht ist.
‚Da Woid, der is mei Himmelreich‘, fasste ein junger Workshopteilnehmer das passend zusammen.“
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