Kommunalverbändezurück

(GZ-5-2020)
gz bayerischer staedtetag

► Bayerischer Städtetag:

 

Wachsende Bedrohung für Kommunalpolitiker

 

Als „alarmierend“ hat der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Augsburgs Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl, die wachsende Zahl an Straftaten gegen Mandatsträger und Mitarbeiter in Verwaltungen charakterisiert. Gefragt seien nunmehr wirksame Hemmschwellen gegen extreme Auswüchse im Netz sowie gegen direkte Bedrohung, unterstrich Gribl bei einer Pressekonferenz in München.

v.l.: Bernd Buckenhofer, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Städtetagsvorsitzender, OB Dr. Kurt Gribl.	Bild: DK
v.l.: Bernd Buckenhofer, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Städtetagsvorsitzender, OB Dr. Kurt Gribl.Bild: DK

Konstruktive Ansätze bieten auf bayerischer Ebene aus seiner Sicht die angestrebten vereinfachten Online-Verfahren zur Meldung von Online-Straftaten; hilfreich sei darüber hinaus die Einrichtung von festen Ansprechpartnern für Kommunalpolitiker bei den Staatsanwaltschaften. Auf Bundesebene helfe die jüngst beschlossene Verschärfung des Strafrechts (siehe Kasten). Dies öffne eine Basis für konsequentes Vorgehen.

Eine nicht-repräsentative Online-Umfrage des Bayerischen Städtetags, an der sich rund ein Viertel der knapp 300 Mitglieder beteiligte, hat gezeigt, wie wichtig es den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern ist, dass Ermittlungsbehörden Vorfälle verfolgen. Zahlreiche Mandatsträger heben lobend hervor, dass Ermittlungsbehörden Beleidigungen und Übergriffe inzwischen ernster nehmen.

Allerdings gibt es laut Gribl vereinzelt immer noch Erfahrungen mit Ermittlungsbehörden, die verständnislos reagieren und signalisieren, dass Mandatsträger eben Beleidigungen oder Schmähungen aushalten müssten. Einige Bürgermeister berichten von Erfahrungen mit Polizei-Inspektionen, die kaum ermitteln. Und laut den Praxisberichten aus der Umfrage wurden die meisten Verfahren bislang von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Konkrete Berichte

Konkret berichten 80 Prozent der Bürgermeister von Beleidigungen per Brief, E-Mail und in Sozialen Medien. Beleidigungen bzw. Bedrohungen im persönlichen Kontakt erfuhren 65 bzw. 33 Prozent. Anonymen Bedrohungen waren 44 Prozent auf Papier oder per E-Mail und 28 Prozent in Sozialen Medien ausgesetzt.

Gewaltandrohungen erfuhren

32 Prozent, körperliche Übergriffe zwölf Prozent und 19 Prozent wurden sogar mit dem Tode bedroht. 14 Prozent der Bürgermeister meldeten die Beschädigung von Eigentum (Auto, Privathaus). 64 Prozent der bayerischen Bürgermeister gaben zudem an, dass auch Beschäftigte in ihrer Verwaltung Opfer von Beleidigungen oder Angriffen geworden seien.

Aus Sicht des Städtetags zeigt die Umfrage, was sich im Netz unter dem Deckmantel der Anonymität entwickelt hat. Bislang aber seien nach Hassbotschaften die Ermittlungen nur zu oft im Sande verlaufen. Nach Gribls Überzeugung „ist dies kein Problem der Polizei, sondern ein Problem der Masse“.

Kommunalpolitiker, so der Verbandschef, erwarteten ein konsequentes Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaften, weshalb die Ermittlungsbehörden wirkungsvolle Instrumente benötigten. Gribls Appell an die Kommunalpolitik: „Beleidigungen und Übergriffe dürfen nicht einfach hingenommen werden, sondern müssen konsequent zur Anzeige kommen.“ Laut Umfrage hat nur rund die Hälfte der Befragten im Falle von Beleidigungen, Bedrohungen und Gewaltandrohungen Anzeige erstattet. Nur, wenn alle Vorfälle registriert seien, könnten Kommunalpolitiker und Mitarbeiter in Verwaltungen besser geschützt werden.

Wir brauchen Menschen mit Empathie

„Wir bleiben wachsam, besonders mit Blick auf die Kommunalwahl 2020“, betonte der Städtetagschef. Kandidaten für kommunale Mandate dürften nicht zur Zielscheibe für Beleidigungen oder Übergriffe werden. „Wer engagiert sich noch für das Gemeinwesen, wenn man Gefahrläuft, beleidigt oder bedroht zu werden?“, fragte Gribl. Zum Amt des Bürgermeisters gehöre es nicht, Beleidigungen und Hetze aushalten zu müssen. „Oft hört man, dass ein Bürgermeister sich ein dickes Fell wachsen lassen soll.

Wir brauchen keine dickfelligen Mandatsträger, sondern Menschen mit Empathie, die offen für andere sind und die Belange eines Gemeinwesens erfassen. Bürgermeister begegnen den Menschen auf Augenhöhe, zeigen Respekt und wollen mit Respekt behandelt werden“, so der Verbandsvorsitzende.

Themenwechsel. Als „soliden Schritt“ bezeichnete Gribl die Klimaschutzoffensive des Freistaats. Nun müsse sie mit realistischen Zielen und finanziellen Mitteln in die Umsetzung kommen. Der Entwurf zum bayerischen Klimaschutzgesetz biete eine Grundlage, auf der alle Beteiligten gemeinsam weiterarbeiten können.

Als nicht genügend bewertete der Städtetagsvorstand freilich die im Entwurf zum Klimaschutzgesetz vorgesehenen „Empfehlungen“ und die in Aussicht gestellten Förderprogramme. Städte und Gemeinden benötigten langfristige Förderung, nachhaltige Anreize und tragfähige Handlungsleitfäden für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, wie etwa Praxisratgeber für klimagerechtes Bauen und Siedlungsentwicklung.

Die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen müsse vom Freistaat nach dem Konnexitätsprinzip unterstützt werden. Praktische Ansätze in Städten und Gemeinden seien die klimafreundliche Siedlungsentwicklung mit Grünzügen und Bäumen, die energetische Sanierung von Gebäuden, die Steigerung der Energieeffizienz, eine klimafreundliche Energieversorgung, die CO2-arme Energiegewinnung und eine energiesparende Gebäudeklimatisierung und abgasarme Mobilität.

Wie Gribl darlegte, können bei Stadtentwicklung und Bauleitplanung wirkungsvolle Hebel zum Klimaschutz ansetzen. Das Leitmotiv für eine klimafreundliche Siedlungsentwicklung laute: Innenentwicklung vor Außenentwicklung. Die vorhandenen Siedlungsstrukturen böten die Möglichkeit, eine kompakte Stadt weiter zu entwickeln, indem Baulücken und Brachflächen genutzt werden.

Grünzüge und Freiräume müssen verbessert werden, um in Hitzephasen für ein kühleres Stadtklima zu sorgen. In Städten könnten Dach- und Fassadenbegrünung, Entsiegelung, Baumpflanzungen und Wasserbaumaßnahmen helfen. Parkanlagen, Grünflächen und die Verknüpfung von Frischluftsystemen verbesserten die Belüftung der Innenstädte mit Kaltluftschneisen: „Hier helfen Baumkataster zur Pflanzung Hitzerobuster Baumarten.“

Ein wichtiger Bereich sei die Verkehrsplanung und die Förderung des ÖPNV. Gribl zufolge leistet die kompakte Stadt der kurzen Wege einen Beitrag zum Klimaschutz. Eine gute Mischung aus Wohnen, Freizeit und Arbeit hilft, Verkehr zu vermeiden. Sobald Geschäfte zu Fuß oder mit Fahrrad zu erreichen sind, kann das Auto stehen bleiben. Wenn Innenstädte funktionstüchtig sind und der städtische Einzelhandel keine Konkurrenz vor den Toren der Stadt bekommt, lässt sich Verkehr vermeiden und damit ein Beitrag zum täglichen Klimaschutz leisten.“

DK

GemeindeZeitung

Kommunalverbände

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung