Kommunalverbändezurück

(GZ-7-2019)
gz bayerischer landkreistag

► Geplante Neuregelung der Integrationskosten:

 

Schlag ins Gesicht von Ländern und Kommunen

 

Auf heftigen Widerstand stoßen bei Ländern und Kommunen die Pläne von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, den Bundeszuschuss zu den Flüchtlingskosten drastisch zu kürzen. Bayerns Innen- und Integrationsminister Joachim Herrmann bezeichnete dieses mögliche Vorgehen als „völlig indiskutabel“:  Sollte der Bund sich hier seiner Verantwortung entziehen und diese massiven Kürzungen tatsächlich umsetzen, wäre dies aus seiner Sicht „ein verheerendes Signal, vor allem an die Kommunen“.

Herrmann fürchtet einen deutlichen Rückschritt bei der Integration, die maßgeblich von den Ländern und Kommunen gestemmt wird: „Diese radikalen Kürzungen wären ein Schlag ins Gesicht derer, die sich darum bemühen, die Integration von Flüchtlingen voranzutreiben.“ Die Bayerische Staatsregierung warne davor, dass nach dem Haushaltsentwurf des Bundesfinanzministers eine Halbierung der Flüchtlingsfinanzierung und am Ende dann sogar eine annähernde Dreiviertel-Kürzung der Mittel droht. 

Anstelle der bisherigen Finanzmittel für Bund und Länder in Höhe von rund 4,7 Milliarden Euro pro Jahr soll künftig eine gestaffelte Flüchtlingspauschale treten. In der Folge sinken die Integrationsmittel in den kommenden Jahren sehr deutlich ab. Ab dem Jahr 2022 werden die Leistungen nach Berechnungen nur noch rund 1,2 Milliarden Euro und damit etwa 25 Prozent der derzeitigen Summe betragen. Die pauschalen Zahlungen für Asylbewerber, die Entlastung bei den Kosten der Unterkunft und die Integrationspauschale sollen zukünftig wegfallen.

Wie der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Christian Bernreiter (Deggendorf) betonte, sei die Kostenbelastung der Landkreise und kreisfreien Städte durch die Flüchtlingskrise bis heute enorm. In den zurückliegenden Jahren konnten sich die Kommunen aber wenigstens größtenteils auf die Unterstützung ihrer übergeordneten Ebenen bei der Bewältigung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe verlassen. Das soll sich nun ändern: „Die bisherigen Leistungen werden damit im großen Stil gestrichen und die Kommunen stehen vor einem Milliardenberg, den sie dann mit kommunalen Mitteln schultern sollen.“

In keinem Verhältnis zur Realität

Für Bernreiter ist nicht nur der Sachverhalt als solcher ein Unding: „Die von Bundesfinanzminister Scholz geplante Pauschale steht in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Realitäten. Zudem ist es mir völlig unverständlich, wieso ausgerechnet die flüchtlingsbedingten Mehrkosten nicht mehr bezahlt werden sollen. Bundeskanzlerin Merkel selbst hat 2017 versprochen, dass man solche Selbstverständlichkeiten nicht in den Koalitionsvertrag schreiben müsse. Wir hoffen natürlich, dass unsere Bundeskanzlerin hier einschreitet. Zudem werden wir uns die Rückendeckung unseres Ministerpräsidenten und unseres Bundesinnenministers holen, um für eine Beibehaltung der bisherigen Finanzierung zu kämpfen. Politische Zusagen müssen gelten.“

Auch der Bayerische Gemeindetag hat die Bundesregierung nachdrücklich davor gewarnt, die Beiträge des Bundes zu den Integrationskosten – wie geplant – drastisch zu reduzieren. „Wer hier den Rotstift ansetzt, gefährdet den Zusammenhalt der Gesellschaft und produziert langfristig zwangsläufig deutlich höhere Kosten“, hob der Präsident des Deutschen Städte und Gemeindebunds und Präsident des Bayerischen Gemeindetags, Dr. Uwe Brandl, hervor. „Integration ist ein Marathonlauf. Wer auf halber Strecke aus kurzfristigen Sparerwägungen heraus aus diesem gesamtgesellschaftlichen Projekt aussteigt, gefährdet sehenden Auges den Erfolg. Das muss der Bundesregierung bewusst sein.“

Gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Wer solche Überlegungen anstellt, kenne offenbar die Situation vor Ort nicht, fuhr Brandl fort. Hunderttausende von Flüchtlingen seien derzeit von einer echten Integration noch meilenweit entfernt. „Daran müssen wir arbeiten. Das können die Städte und Gemeinden aber nur, wenn die ausreichende Finanzausstattung gewährleistet ist. Integration findet immer vor Ort statt, die Finanzierung ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese Herausforderung für unser Gemeinwesen kann nicht nach Kassenlage gestaltet werden. Was wir heute einsparen, werden wir morgen in vielfacher Höhe ausgeben müssen. Durch misslungene Integration, wenig Sprachkenntnisse und Entstehung von Parallelgesellschaften. Das kann niemand ernsthaft wollen“, erklärte der Präsident.

Es sei zwar richtig, dass die Zahl der Asylbewerber derzeit zurückgeht. Pro Jahr kommen aber immer noch etwa 160.000 Personen nach Deutschland. Brandl zufolge entspricht dies der Bevölkerung einer Großstadt. „Sie müssen untergebracht und versorgt werden, es müssen Kitaplätze und Schulstandorte geschaffen und die Menschen müssen integriert werden. Auch die Zahl der Abschiebungen von Menschen, die eigentlich kein Bleiberecht haben, steigt nicht an, sondern nimmt ab. Außerdem steigt die Zahl der Geduldeten an. Dies verursacht erhebliche Kosten bei den Kommunen.“

Langfristige, verlässliche Übernahme der Kosten 

„Wir erwarten nicht weniger Mittel, sondern eine langfristige, verlässliche Übernahme der Kosten, auch für die Geduldeten. Gerade im Bereich Integration muss die Politik zeigen, dass sie zu verantwortlichem und verlässlichem Handeln in der Lage ist. Dies tut sie nicht, indem sie die Kommunen mit dieser Herkulesaufgabe praktisch alleine lässt“, stellte Brandl fest.

„Die derzeit vorliegenden Pläne des Bundes für eine Flüchtlingspauschale können die Städte nicht akzeptieren“, machte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur deutlich. Der Bund würde damit seine Mittel deutlich reduzieren. Die Städte erwarten vom Bund, dass er sich auch in Zukunft maßgeblich an den Kosten der Länder und Kommunen beteiligt. Bei den derzeitigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zur Flüchtlingsfinanzierung müssten außerdem die Aufwendungen für abgelehnte, aber geduldete Flüchtlinge berücksichtigt werden, die in den Städten leben.

„Wir brauchen ab 2020 eine verlässliche, auf Dauer angelegte Finanzierungsregelung für die Unterbringung und Verpflegung sowie die Integration von Flüchtlingen“, unterstrich Dedy. Denn in den Städten, in denen die Flüchtlinge leben, entscheide sich, wie schnell und gut die Integration gelingt. Ein gutes Beispiel für gelungene Finanzierung sei die vollständige Übernahme der Kosten der Unterkunft für anerkannte Flüchtlinge durch den Bund. „So kommen die Entlastungen bei den Kommunen an, wo die Belastungen entstehen. Deshalb sollte diese Regelung beibehalten werden.“ Für alle anderen Elemente der Finanzierung gelte: „Bund und Länder müssen einen Weg finden, der den realen Aufwendungen der Kommunen für Flüchtlinge gerecht wird und die Ausgaben für Geduldete einbezieht.“

In gleicher Weise empört äußerten sich auch der Bezirksvorsitzende des niederbayerischen Landkreistags, Passaus Landrat Franz Meyer sowie der Vorsitzende des Finanzausschusses im Bayerischen Städtetag, Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Die kommunalen Integrationskonzepte hätten das Ziel, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund die gleichen Chanchen zu ermöglichen.

DK

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