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(GZ-9-2018) 
gz bayerischer landkreistag

► Landkreistagspräsident Bernreiter:

 

Erfolg und Trauerspiel

Unterschiedlicher könnten die Stimmungslagen von Landrat Christian Bernreiter, Präsident des Bayerischen Landkreistags, aktuell kaum sein: Während er in der Regierungserklärung von Ministerpräsident Dr. Markus Söder eine Stärkung des ländlichen Raums sieht, kommen „Entscheidungen von Theoretikern im Bund“ die Bürger im ländlichen Raum aus seiner Sicht teuer zu stehen. Dies gelte insbesondere dann, wenn es um die medizinische Versorgung, eine Kernaufgabe der kommunalen Daseinsversorge, geht. 

GZ 09 2018 Bernreiter

Landrat Christian Bernreiter, Präsident des Bayerischen Landkreistags. RED

„Unseren Kommunen brennen viele Themen unter den Nägeln. Mit den von unserem Ministerpräsidenten gegebenen Signalen und den unter anderem angekündigten Investi ti onen in die digitale Infrastruktur und den Verkehrsbereich wird unsere Leistungs- und Wett bewerbsfähigkeit gestählt“, meinte Bernreiter.

Flächendeckende Gigabitnetze bis 2025

Der Anschluss aller Haushalte an das Glasfasernetz bis 2025, also flächendeckende Gigabitnetze bis 2025, sei eine Kernforderung des Bayerischen Landkreistags. Auch die Beseiti gung aller weißen Flecken im Mobilfunkbereich stehe schon lange ganz oben auf der kommunalen Forderungsliste. 5G sei der Standard der Zukunft . Hier müsse der Freistaat auch die Haltung der Kommunen beim Bund stärken.

Verbindliche Auflagen bei der Frequenzvergabe

Über verbindliche Auflagen zur flächendeckenden Mobilfunkversorgung des ländlichen Raumes bei der Frequenzvergabe könne man den Willen der Mobilfunkanbieter steuern. Mit 100 Mio. Euro, die der Freistaat in die Digitalisierung der Verwaltung in den Kommunen stecken wolle, käme man dem digitalen Landratsamt deutlich näher als heute. Die Bürger könnten sich somit zunehmend den Gang zum Amt sparen. Bernreiter zufolge gibt es bei der digitalen Bildung noch viel Luft nach oben. „Die digitale Bildung ist entsprechend der technischen Entwicklung eine dauerhafte Sache. Hier brauchen wir langfristige Förderprogramme und eine Änderung des Schulfinanzierungsgesetzes, so dass ÖPNV-Angebote, die eine gute Anbindung über Kreisgrenzen hinaus gewährleisten und die Stärkung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum seien zentrale Erwartungen der bayerischen Landkreise für die nächste Legislaturperiode.

Sorgen im Personalbereich

Große Sorgen bereitet dem Präsidenten des Bayerischen Landkreistags nach wie vor der Bereich Personal. Die Stärkung des Personals in der Bauverwaltung durch 250 zusätzliche Stellen im neuen Bauministerium und in den Landratsämtern sei ein richtiger Schritt, damit Genehmigungsverfahren zügig abgeschlossen werden könnten. Personal fehle aber auch an vielen Fachstellen, etwa beim Naturschutz, bei den Umweltschutzingenieuren, im Veterinärbereich, an den Gesundheitsämtern, bei der Hygieneüberwachung in den Krankenhäusern, bei der Heimaufsicht usw., aber auch beim allgemeinen Verwaltungspersonal. 

Oft seien Baugenehmigungen von der Begutachtung eines Vorhabens durch solche Fachstellen abhängig, erklärte Bernreiter. Die Landkreise seien heute vielfach gezwungen, Aufgaben des Staates mit kommunalen Mitteln zu finanzieren. Der Bayerische Landkreistag werde die Gelegenheit nutzen, dieses Thema anlässlich der Jahrestagung im Landkreis Neu-Ulm mit dem Ministerpräsidenten zu erörtern.

Fehlende finanzielle Mittel im Krankenhaussystem

Ein jahrelanges „Trauerspiel“ seien dagegen die fehlenden finanziellen Mittel im Krankenhaussystem, unterstrich der Landkreistagschef. Dabei hätten die Koalitionsverhandlungen im Bund zunächst Hoffnung gemacht. Dort sei anfangs eine vollständige Refinanzierung der Tarifsteigerungen angekündigt worden. Die wachsende Schere zwischen Erlösen und Kosten sei das Grundproblem, das damit hätte angepackt werden können. Zwischenzeitlich seien aber nicht nur diese Hoffnungen zunichte gemacht worden, es sei noch viel schlimmer gekommen. „Derzeit ist nicht klar, wer uns die Mehrkosten für den Tarifabschluss (7,5 Prozent) bezahlen wird. Allein für mein Klinikum würden die Tarifsteigerungen in der 1. Stufe 1,8 Mio. Euro Mehrausgaben nur für die Pflege bedeuten. Wohl gemerkt ohne die Ärzte“, hob Bernreiter hervor.

Doch damit nicht genug: Zeitgleich trete nun auch noch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit einer avisierten Senkung der Krankenkassenbeiträge auf den Plan. Dabei schrieben viele der kleineren Häuser bereits heute blutrote Zahlen, so der Präsident. Aus seiner Sicht würden die Ankündigungen aus Berlin den Häusern im ländlichen Raum die Geschäftsgrundlage entziehen.

Reform der Notfallstrukturen

Zu allem Überfluss kündige der Gemeinsame Bundesausschuss, das Selbstverwaltungsorgan von Kassen und Ärzten, nun auch noch eine Reform der Notfallstrukturen in den Krankenhäusern an, die die Flächenversorgung noch mehr benachteiligen würde. Rund 500 Häuser sollen aus der Notfallversorgung genommen, sprich für tatsächliche Notfallleistungen nicht mehr angemessen bezahlt werden. Darüber hinaus soll ein Stufensystem eingeführt werden, das Spezialisierungen bevorzugen würde.

„Wer soll für die Grund- und Regelversorgung unserer Häuser noch einstehen, wenn es diese nicht mehr gibt?“, fragte der Verbandschef. Nach heutigem Stand sei die Grund- und Regelversorgung ein Minusgeschäft. Bernreiter zufolge werden sich kaum Spezialisten finden, die hier einsteigen wollen. Berlin verschließe im Krankenhausbereich einfach Augen und Ohren. Der Gesundheitsbereich benötige eine Langzeittherapie, andernfalls könne es gefährlich werden, mutmaßte der Präsident. 

DK

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