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(GZ-3-2017)
Kommunale Praxis
► Publikation des Deutschen Städtetags:
 
Integration von Geflüchteten vor Ort  
 

Praxisbeispiele aus bayerischen Städten – Teil 1

Die Städte widmen sich nach der Erstaufnahme von Flüchtlingen inzwischen intensiv der Integration der Menschen in die Gesellschaft. Integration kostet Zeit und braucht ausreichende Ressourcen, betonte der Deutsche Städtetag in Berlin bei der Präsentation der Broschüre „Flüchtlinge vor Ort in die Gesellschaft integrieren – Anforderungen für Kommunen und Lösungsansätze“. Begleitend zur Broschüre, die auch Empfehlungen für die Städte enthält, hat der Kommunalverband eine Reihe von Beispielen, darunter eine Vielzahl aus Bayern, zusammengetragen. Teil 2 erscheint in der nächsten Ausgabe der Bayerischen GemeindeZeitung.

Beispiel Augsburg: Das EU-geförderte Projekt Willkommens- und Anerkennungskultur in Augsburg (WAKA) bündelt Bewährtes und schafft Neues, um bessere Strukturen für das Zusammenleben von Ansässigen und Zuwanderern zu etablieren. Zudem hat die Industrie- und Handelskammer Schwaben im Dezember 2014 ein Pilotprojekt gestartet, um Flüchtlinge in Praktika und Ausbildung zu vermitteln und so noch offene Lehrstellen zu besetzen. Auch die Begleitung der Auszubildenden ist ein zentraler Bestandteil des Projektes.

Netzwerktreffen

Die Wirtschaftsförderung Augsburg wiederum veranstaltet regelmäßig Netzwerktreffen für Unternehmer. Diese richten sich gezielt an Unternehmen mit Migrationshintergrund oder informieren regionale Unternehmen über bestehende Integrationsmaßnahmen. Sensibilisierung erfolgt auch nach innen durch entsprechende Veranstaltungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Fachreferaten. 

Als die Stadt Augsburg im Dezember 2014 von der Regierung von Schwaben aufgefordert wurde, selber dezentrale Unterkünfte für Asylbewerber in der Stadt anzumieten, setzte die Stadt auf kleine Unterkünfte in allen Stadtteilen. Es entstanden viele wertvolle Netzwerke zwischen bürgerschaftlichem Engagement, Wohlfahrtsverbänden, Akteuren in den Stadtteilen, Kommunalpolitik und Verwaltung. Erste wichtige Erfolge in der Integration lassen vermuten, dass dieser Weg richtig war.

Das erfolgreiche Projekt MUSA wiederum steht für Muslimische Seelsorge in Augsburg. Es reagiert auf die seelischen Nöte von Zugewanderten mit einem neuen Angebot.

Beispiel Nürnberg: Die Agentur für Arbeit, das Jobcenter Nürnberg-Stadt und die Stadt Nürnberg haben mit dem Projekt „BONVENA“ eine Maßnahme der Beschäftigungsförderung für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive entwickelt. Zielgruppe sind insbesondere junge Erwachsene, die in der Regel zwischen 21 bis 25 Jahre alt sind, eine Aufenthaltsgestattung besitzen, aber derzeit keine Erwerbstätigkeit ausüben dürfen.

Kultursensibles Coaching

Kernelemente sind ein kultursensibles Coaching mit Gesundheitsförderung, migrationssensible Kompetenzerfassung, eine arbeitsweltbezogene Sprachförderung und Qualifizierung vor allem in den Berufsfeldern gewerblich-technischer Berufe, des Hotel- und Gaststättenbereichs, im Lager und Logistik, Verkauf und Handel und in der Pflege. Auch ein Bewerbungsmanagement und praktische Hilfen bei Ämtergängen und bei der Wohnungssuche gehören zum Programm.

Die Sprachintegrationsklassen der Berufsvorbereitung an den beruflichen Schulen, die in Nürnberg in kommunaler Trägerschaft stehen, stellen ein unverzichtbares Einstiegsangebot für neu zugewanderte Jugendliche und junge Erwachsene dar: Sie fallen unter die Vollzeit-Berufsschulpflicht und können so zwei Jahre in Vollzeit die Schule besuchen, Deutsch lernen, einen Schulabschluss erwerben und sich beruflich orientieren. Zum Schuljahr 2016/17 sind in Nürnberg über 60 Klassen der Berufsvorbereitung gestartet. Das Nürnberger Modell ist seit einigen Jahren bayernweit übernommen worden. Seit dem Schuljahr 2015/16 wird ein drittes Jahr der Berufsvorbereitung angeboten. Es richtet sich an Jugendliche, die überwiegend außerhalb Deutschlands ihre Schullaufbahn absolviert haben, nicht über die für eine Berufsausbildung erforderlichen Deutschkenntnisse verfügen, aber eine betriebliche Ausbildung anstreben und sich im betrieblichen Alltag in deutscher Sprache verständigen können.

Berufsbildungszentrum

Beispiel Ingolstadt: Das Berufsbildungszentrum Gesundheit am Klinikum Ingolstadt ermöglicht Asylbewerbern, Flüchtlingen und Personen mit schwachen Deutschkenntnissen seit September 2016 eine berufliche Zukunft im Krankenpflegebereich.

Das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst unterstützt erstmals seit Beginn des Schuljahres 2016/2017 einen Schulversuch an Berufsfachschulen für Pflegehelferberufe. Im Rahmen einer einjährigen Maßnahme können dabei Asylbewerber und Flüchtlinge, aber auch andere Personen die noch große Defizite in der Beherrschung der deutschen Sprache aufweisen an der Berufsfachschule für Krankenpflege in Ingolstadt aufgenommen werden. Zur Vorbereitung auf die eigentliche Pflegehelferausbildung umfasst der Unterricht neben einer intensiven Sprachförderung grundlegende allgemeinbildende Inhalte und Themen zur gesellschaftlichen Integration und Wertevermittlung sowie eine intensive Vorbereitung auf die Ausbildung im Krankenpflegehelferberuf.

Beispiel Rosenheim: Die „Asylothek“ soll Asylbewerbern den Zugang zur deutschen Sprache und Kultur eröffnen und ehrenamtliche Flüchtlingsinitiativen unterstützen. Die Stadtbibliothek ist ein Lern- und Wohlfühlort mit offener Atmosphäre und attraktiven Angeboten.

Hausaufgaben- und Lernbetreuung

Ferner findet im neuen Nordtreff eine regelmäßige Hausaufgaben- und Lernbetreuung für Schüler, vor allem junge Flüchtlinge statt, die ein Berufsintegrationsjahr (BIJ) absolvieren. Die Hausaufgabenhilfe ist ein Leuchtturmprojekt zum Start des Stadtteiltreffs: Im Rahmen eines Projektseminars bieten Schüler des Rosenheimer Ignaz-Günther-Gymnasiums an vier Wochentagen eine Hausaufgabenhilfe für junge Migranten an. Die Gymnasiasten geben Nachhilfe und Tipps für die Hausaufgaben. Neben der Wissensvermittlung steht auch ein Stück gelebte soziale Integration dabei auf dem Stundenplan. Über die ehrenamtliche Initiative „Bytes and more“ wurden darüber hinaus drei PC-Arbeitsplätze mit Internet-Anbindung eingerichtet, die kostenfrei von den Besuchern des Treffs in Anspruch genommen werden können.

Ein breites Aktionsbündnis namens „Bikes for Friends“ hat sich außerdem zum Ziel gesetzt, Mobilität für Migranten zu sichern und zugleich das Thema Verkehrssicherheit zu unterstützen. Der ADFC und der Verein der Aktiven Senioren für Rosenheimer Jugendliche haben ehrenamtlich Fahrräder gesammelt, die bei einer Auftaktveranstaltung gemeinsam repariert und von Neuzugewanderten reserviert werden konnten.

Gemeinsames Singspiel

Die Chorgemeinschaft St. Quirinus e.V. Rosenheim hat zudem ein Projekt eines gemeinsamen Singspieles entworfen, wofür gezielt Kinder aus Migrantenfamilien eingeladen werden. Die Chorgemeinschaft bietet seit vielen Jahren einen Kinderchor an, der bei Konzerten oder Gottesdiensten mitwirkt. Im Gemeindegebiet von St. Quirinus liegen mehrere muslimische Gemeinden. Das Chorprojekt soll das Miteinander von christlichen und muslimischen Kindern fördern und deren sozialen Beziehungen intensivieren. Die Kinder sollen verschiedene Religionen sowie christliche und muslimische Musikformen kennenlernen und ihre gemeinsamen Wurzeln erleben.

Beispiel Regensburg: Was ist der Unterschied zwischen Haus-ärzten und Fachärzten? Warum muss ich mich krankenversichern und was bringt mir das? Wer kann mich zu Gesundheitsthemen beraten? Und was kostet mich das alles? Die Stadt Regensburg bildet im Projekt „Mit Migranten für Migranten – Interkulturelle Gesundheit in Bayern (MiMi-Bayern)“ gut integrierte Migrantinnen und Migranten (sogenannte MiMis) zu Gesundheitsmediatoren aus, um diese und weitere Fragen für die zugewanderte Bevölkerung zu klären.

Um Flüchtlinge willkommen zu heißen und fremdenfeindlichen Stimmen entgegenzuwirken, rief der Regensburger Fotograf Patrick Reinig gemeinsam mit der befreundeten Autorin Dr. Christine Rüth darüber hinaus die Aktion „FLUCHT.PUNKT.MENSCH – Begegnungen mit Menschen, die zu uns geflohen sind“ ins Leben. Zwischen November 2015 und März 2016 porträtierten und interviewten sie 24 Flüchtlinge aus verschiedenen Herkunftsländern, die zum damaligen Zeitpunkt in Regensburg lebten.

Nachhaltige Integration

Beispiel Passau: Mit den Projekten „FAM -Potenziale nutzen“ und „PASSgenAU“ engagiert sich das Wirtschaftsforum der Region Passau e.V. in zwei zentralen Bereichen für die nachhaltige Integration von Migranten.

Ziel des Projekts „FAM – Potentiale nutzen“ ist die Arbeitsmarktintegration von älteren, nicht mehr schulpflichtigen Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten (FAM). 50 Teilnehmer werden jährlich in Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Initiativen ausgewählt und durch eine Reihe von Qualifizierungsmaßnahmen (Sprachkurse, interkulturelles Trai-ning, Bewerbungscoaching) auf das Arbeitsleben vorbereitet. Im Anschluss absolvieren sie entsprechend ihrer beruflichen Vorkenntnisse und Interessen Praktika bei regionalen Betrieben. In über 60 Fällen sind daraus bereits feste Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisse entstanden.

PASSgenAU ist eine Initiative, deren Förderangebote sich an Schulen und Kindergärten in Stadt und Landkreis Passau richten. Kinder mit erhöhtem Förderbedarf -darunter viele Migrantenkinder- werden mit Hilfe professioneller Lern- und Sprachpaten unterstützt. Pro Schuljahr werden im Schnitt an 30 Schulen 450 Kinder mit bis zu 6.000 Förderstunden unterstützt. Die Ausbildung der Lern- und Sprachpaten übernimmt der Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Passau.

Beide Projekte sind nur durch die großzügige Unterstützung von Stadt und Landkreis Passau, den Kommunen und weiteren Förderern möglich.

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