Kommunale Praxiszurück

(GZ-9-2024 - 3. Mai)
gz kommunale praxis

► Tagung des Fachverbandes der bayerischen Standesbeamtinnen und Standesbeamten:

 

Personenstandswesen im Wandel

 

Über 500 Standesbeamte aus dem Freistaat sowie zahlreiche Gäste aus den Landesverbänden weiterer Bundesländer und aus dem Ausland trafen sich in Straubing zur 58. Fachtagung Personenstandswesen und der Verbandsversammlung 2024 des Fachverbandes der bayerischen Standesbeamtinnen und Standesbeamten e.V. unter dem Vorsitz von Mathias Müller.

Oberbürgermeister Markus Pannermayr gratulierte zum 75-jährigen Jubiläum des Fachverbandes und gab einen Überblick über die Änderungen im Personenstandswesen innerhalb einer einzigen Generation. Zudem informierte der Hausherr darüber, welche enormen Anforderungen an die Standesämter damit einhergehen. Über die Herausforderungen der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung berichtete Innenstaatssekretär Sandro Kirchner.

Paradigmenwechsel durch Selbstbestimmungsgesetz

Mit Blick auf das zwischenzeitlich vom Bundestag verabschiedete neue Selbstbestimmungsgesetz, mit dem die Änderung von Geschlechtseinträgen auf dem Amt leichter werden soll, sprach Prof. Dr. Konrad Duden, LL.M. (Cambridge), Universität Leipzig, von einem Paradigmenwechsel: Änderungen des Geschlechtseintrages sollen künftig allein durch eine Erklärung der betroffenen Person vor dem Standesamt möglich sein, psychologische Gutachten würden entbehrlich. „Für die Standesämter werden Änderungen des Geschlechtseintrags damit eine ganz neue Bedeutung annehmen“, hob Duden hervor.

Liberalisiertes Namensrecht

Allerdings werfe die Änderung des Geschlechtseintrags auch zahlreiche Folgefragen auf – vom Namen und der Elternschaft der betroffenen Person bis hin zu Änderungen von Geschlechtseinträgen durch Minderjährige oder Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. „Auch auf diese zum Teil sehr komplexen Fragen werden Standesämter Antworten finden müssen“, erklärte der Professor.

Liberalisiert wird auch das deutsche Namensrecht. Künftig haben Eheleute mehr Optionen bei der Wahl eines Nachnamens für sich selbst und ihre Kinder. Laut Prof. Dr. Katharina Lugani, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, wird der seit Jahrzehnten geforderte „echte Doppelname“ für Ehegatten und für Kinder eingeführt. Daneben schafft das Gesetz, das 2025 in Kraft treten soll, eine Möglichkeit zur „Rückbenennung nach Einbenennung“ sowie zur Namensänderung nach Erlangen der Volljährigkeit. Auch erhalten Minderheiten nun erweiterte Möglichkeiten zur Namensgebung entsprechend ihren Traditionen. Zudem sollen der Zwang zur Namensänderung nach einer Erwachsenenadoption aufgehoben und das internationale Namensrecht maßvoll liberalisiert werden.

Münchner Leitplankenmodell

Einblicke in das „Münchner Leitplankenmodell“ als langfristiger Ansatz für den Umgang mit Personen im Standesamt, deren Identität ungeklärt ist, gab Torsten Hensel, Verwaltungsamtsrat und Standesamtsaufsicht der Stadt München. Der Vortrag untersuchte die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts sowie diverser Oberlandesgerichte. Letztere zeigen Hensel zufolge zum Teil erhebliche Diskrepanzen auf. Die Identitätsfeststellung bleibe eine schwierige Aufgabe in der personenstandsrechtlichen Praxis. Deshalb sei es wichtig, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Amtsermittlungspflicht und der Mitwirkungsobliegenheit der Beteiligten zu finden. Hensel zufolge dient das Münchner Modell als Orientierung und hat als Ziel, dass standesamtliche Entscheidungen einer Prüfung vor Gericht standhalten.

Neue Eheschließungsformen

Stichwort Neue Eheschließungsformen: Hier kommt in der Bundesrepublik nach Angaben von Fachausschussmitglied Heinz Zimmermann, Standesamt Berlin/Neukölln, eine rechtswirksame Eheschließung ausschließlich durch das gemeinsame Ja-Wort im Standesamt zustande, andere Formen der Eheschließung lasse das deutsche Recht nicht zu. Diese Situation stelle sich in anderen Ländern weitaus liberaler dar: So ließen viele Staaten etwa die Hochzeit vor einem Geistlichen zu, freie Redner könnten – zum Beispiel im Elvis-Kostüm – wirksam Menschen miteinander verheiraten, in einigen Staaten sei noch nicht einmal zwingend ein „Trauorgan“ vorgeschrieben, sondern die Verlobten schlössen miteinander einen Vertrag und verheirateten sich sozusagen selbst.

Mit all diesen bunten Formen von Eheschließungen seien die Standesbeamten in ihrer täglichen Arbeit regelmäßig befasst, so Zimmermann. Dabei gelte der Grundsatz, dass diese Ehen auch in Deutschland als wirksam angesehen werden, wenn sie in der im jeweiligen Staat üblichen Form geschlossen wurden. Immer wieder tauchten aber neue Phänomene auf, mit denen die Standesämter konfrontiert würden. So gebe es beispielsweise Staaten – darunter auch EU-Staaten – in denen die Ehegatten nicht zwingend persönlich zu ihrer Eheschließung erscheinen müssen, sondern sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen können. Selbst eine doppelte Stellvertretung sei in einigen Ländern inzwischen möglich, bei der keiner der Ehegatten persönlich anwesend ist, berichtete Zimmermann. Darüber hinaus ließen seit einiger Zeit Staaten wie der US-Bundesstaat Utah auch Online-Eheschließungen zu.

„In der standesamtlichen Praxis wird tagtäglich virulent, dass die gelebten Familienverhältnisse zunehmend internationaler werden. Dies hat zur Folge, dass die Standesbeamtinnen und Standesbeamten bei jeder Beurkundung, der ein grenzüberschreitender Sachverhalt (z.B. infolge einer ausländischen Staatsangehörigkeit eines Beteiligten) zugrunde liegt, zunächst das anwendbare Recht anhand der einschlägigen Kollisionsnormen ermitteln müssen“, betonte Prof. Dr. Claudia Mayer, LL.M. (Chicago) Universität Regensburg in ihrem Vortrag „Das Kinderschutzübereinkommen in der täglichen Praxis der Standesämter“.

Elterliches Sorgerecht

Das Haager Kinderschutzübereinkommen vom 19.10.1996 regle u.a. die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung in Fällen mit Auslandsbezug. Aus personenstandsrechtlicher Sicht stelle sich die Frage nach der elterlichen Sorge in einer Vielzahl von Fällen, insbesondere im Hinblick auf den Kindesnamen. So könne gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB der „Inhaber der elterlichen Sorge“ gegenüber dem Standesamt bestimmen, dass das Kind nach einem der dort genannten Rechte den Familiennamen erhalten soll (Rechtswahl). Im deutschen Sachrecht sei es möglich, dass sich die Vorfrage der elterlichen Sorge stelle, wenn etwa § 1617 Abs. 1 BGB die Wahl des Familiennamens für das Kind durch die Eltern von deren „gemeinsamer Sorge“ abhängig macht.

Aber auch in anderen Zusammenhängen könne die Frage aufgeworfen werden, wer Inhaber der elterlichen Sorge ist – so etwa im Abstammungsrecht, wenn es im Rahmen einer Vaterschaftsanerkennung um die Zustimmung der Mutter geht, erläuterte Mayer. Anhand konkreter Fallbeispiele erörterte sie praxisrelevante Konstellationen, in denen sich aus Sicht des Standesamts die elterliche Sorge als sog. Erst- oder Vorfrage stellt. Die Behandlung dieser Vorfragen ist in der Literatur und Rechtsprechung teilweise umstritten und wurde deshalb präzise dargestellt und diskutiert.

DK

 

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

 

GemeindeZeitung

Kommunale Praxis

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung