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(GZ-8-2024 - 18. April)
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► BKG-Umfrage zum Bayerischen Krankenhaustrend 2024:

 

Strukturwandel jetzt gestalten

 

Seit Monaten dreht die Bundespolitik „Schleifen“ bei der großen Krankenhausreform. „Damit verlieren wir wertvolle Zeit und Klarheit, wohin die Reise genau gehen soll. Zeit, die wir aber nicht mehr haben. Und es wird Vertrauen verloren“, mahnte Landrätin Tamara Bischof, 1. Vorsitzende der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG), bei der Vorstellung des diesjährigen Bayerischen Krankenhaustrends im Münchner Presseclub unter dem Motto „Klarheit schaffen. Schaden begrenzen. Strukturwandel gestalten. Menschen mitnehmen.“ Aktuell stünden die „immensen Defizite und großen Sorgen unserer Krankenhäuser in Bayern mit über 210.000 Beschäftigten“ im Fokus.

„Es ist für uns unverständlich, warum der Bund die Zusammenarbeit mit den Ländern Ende letzten Jahres eingestellt hat. Diese politische Taktik geht nun zulasten der Kliniken“, fuhr Bischof fort. Aus Sicht der BKG wäre es dringend nötig, dass sich Bund und Länder auf eine gemeinsame Gesetzesgrundlage für die Krankenhausreform einigen, damit die Krankenhäuser Planungssicherheit haben. Die BKG bedauerte, dass der Bund jetzt zunächst nur einen Rahmen der Reform im Alleingang durchsetzen will. Erst 2025 sollen Struktur- und Personalvorgaben für Leistungsgruppen gemeinsam mit den Ländern mittels einer Rechtsverordnung geregelt werden.

Rote Zahlen in 7 von 10 Kliniken

Die Auswertung des aktuellen Bayerischen Krankenhaustrends hat ergeben: Im Jahr 2022 waren 6 von 10 Krankenhäusern im Freistaat defizitär und die Jahresabschlüsse für 2023 lassen 7 von 10 Kliniken mit roten Zahlen erscheinen. Für das laufende Jahr 2024 erwarten die Krankenhausverantwortlichen, dass 8 von 10 Kliniken in der Verlustzone landen werden und eine neue bundesweite Rekordzahl von Klinikinsolvenzen. Die größten Sorgen bereiten das Betriebskostendefizit (87,8 Prozent), die Bürokratie (83,5 Prozent), der Fachkräftemangel (71,3 Prozent), mangelnde Investitionsmittel (63,5 Prozent) und das Schlechtreden der Kliniken durch die Politik (50,4 Prozent).

Der Anteil der Kliniken mit Betriebskostendefiziten wurde in der Prognose der letztjährigen Umfrage sogar noch höher erwartet. „Die Nachbesserungen beim Hilfsfonds des Bundes und die zusätzliche Unterstützung des Freistaates hat das Schlimmste kurzfristig verhindert, doch jetzt stehen wir wieder leer da, weil diese Hilfen auslaufen und eine Gesetzesreform mit einer fairen Anpassung der Erlöse weiter auf sich warten lässt“, stellte Landrätin Bischof fest und ergänzte: „Während frei-gemeinnützige und privat getragene Kliniken ihre Reserven derzeit komplett aufbrauchen, erleben wir auch in der Kommunalpolitik, dass die Grenzen möglicher Defizitausgleiche überschritten werden.“

Wie dramatisch die Situation ist, macht aus BKG-Sicht ein Vergleich deutlich: „Wie bei einem Deich durch ständiges Hochwasser irgendwann ein Bruch droht, ist jetzt ohne Lösung der finanziellen Notlage in der stationären Versorgung ein struktureller Kollaps unmittelbar zu befürchten“, unterstrich Bischof.

Regionalkonzepte und Fusionen

In Bayern nehmen die Krankenhausträger daher den Strukturwandel zunehmend selbst in die Hand. „Der jetzige Veränderungsprozess ist bereits viel dynamischer als in den letzten Jahrzehnten. Regionalkonzepte werden entwickelt, Fusionen angestrebt, digitale Vernetzungen ausbaut und bisherige Krankenhausstrukturen verstärkt ambulant umgewandelt sowie teilweise Leistungsangebote konzentriert“, erläuterte der 2. BKG-
Vorsitzende und Oberbürgermeister der Stadt Marktredwitz, Oliver Weigel.

Beispiel Klinikum Fichtelgebirge

Bezogen auf das Beispiel Klinikum Fichtelgebirge und die beiden Standorte in Selb und Marktredwitz mit insgesamt 380 Betten erklärte Weigel: „Im Landkreis Fichtelgebirge arbeiten wir an unserem Projekt Freiraum, um die ambulante wie stationäre Versorgung der Menschen neu zu gestalten. Dabei haben wir die Menschen vor Ort in unsere Entscheidungen frühzeitig mit eingebunden, was unbedingt erforderlich ist.“

Im Jahr 2023 habe der Verwaltungsrat richtungsweisende Klausurtagungen und Sitzungen abgehalten und anhand eines zuvor beauftragten Gutachtens mit Rückendeckung durch eine breite Zustimmung im Kreistag sich für die stationäre Leistungserbringung in Marktredwitz und den Ausbau der ambulanten Leistungserbringung am Standort Selb entschieden. „In Betriebsversammlungen und Teamgesprächen wurden dann bis Jahresende alle Krankenhausbeschäftigten über die geplanten Schritte informiert und ihnen ein entsprechendes Angebot unterbreitet. Alle Entscheidungen und Maßnahmen wurden von uns darüber hinaus mit einer breiten Pressearbeit verbunden“, stellte Weigel fest.

Stand heute wurden Teile der Mitarbeiter aus Selb in Marktredwitz bereits integriert (Umzug Orthopädie/Unfallchirurgie sowie Teile Innere Medizin) und die OP-Kapazitäten auf stationäre Eingriffe optimiert. Zudem wird die Notaufnahme umgebaut und erweitert. Am Standort Selb wurde inzwischen der Wegfall von 115 stationären Betten eingeleitet und die orthopädisch/unfallchirurgische Versorgung zum 31.03.2024 eingestellt. Die Schließung der Notaufnahme ist für das Ende des 2. Quartals 2024 vorgesehen. Darüber hinaus wird ein ambulanter Medizincampus mit den beiden Fachbereichen Allgemeinmedizin (Hausarzt) und Gynäkologie aufgebaut. Die Ansiedlung weiterer Fachärzte ist möglich und gewünscht. Geplant ist zudem eine Kooperation mit einer chirurgischen Gemeinschaftspraxis, die eine Filialpraxis im Bereich der ehemaligen Notaufnahme in Selb betreibt.

Problem hohe Betriebskostendefizite

„Die von uns bisher umgesetzten Maßnahmen, d. h. die Zentralisierung medizinischer Leistungen, sind aus meiner Sicht nicht nur ökonomisch, sondern auch medizinisch sinnvoll. Problem für uns sind jedoch nach wie vor die hohen Betriebskostendefizite und die Frage der Finanzierung des Transformationsprozesses“, betonte der Oberbürgermeister.

Gestützt auf bisher gewonnene Erfahrungen formulierte er folgende Ziele des Strukturwandels der Kliniken in Bayern aus Sicht der BKG: „Erstens gilt es, die Versorgung der Menschen im ländlichen Raum im Rahmen der Möglichkeiten durch einen durchdachten Strukturwandel zu sichern. Zweitens ist die Vernetzung der Krankenhäuser auszubauen, wie etwa mit dem gemeinsamen Patientenportal ‚mein.krankenhaus.bayern‘, an dem über 100 Kliniken in Bayern teilnehmen, und das Anfang Mai an den Start gehen wird.

Außerdem ist auch die Vernetzung in der gestuften Versorgung weiter auszubauen, wie beispielsweise mit den Schlaganfallnetzwerken, stationären Versorgungsverbünden und einer besseren Zusammenarbeit von ambulanten Arztpraxen, Rettungsdienst und Kliniken. Drittens ist die Innovation und Spitzenmedizin weiter zu fördern, wie es der Freistaat derzeit mit der High Care-Agenda für die Universitätsmedizin plant. Viertens geht es darum, Ressourcen mit Blick auf den Fachkräftemangel zu schonen, was bedeutet, dass die Krankenhäuser ihr jeweiliges Leistungsspektrum noch gezielter abstimmen. Fünftens müssen wir auch prüfen, wo und wie Kosten zu senken sind, möglichst ohne negative Auswirkungen auf die Menschen vor Ort, also die Beschäftigten und die Patientinnen und Patienten.“

Dazu benötigten die Kliniken aber einen verlässlichen und fördernden gesetzlichen Rahmen und zumindest die faire Chance auf einen ausgeglichenen Haushalt, was heute in der Regel nicht der Fall sei, führte Weigel aus.

Finanzierungsgrundlage muss fair sein

Aus Sicht der Bayerischen Krankenhausgesellschaft ist die Voraussetzung für einen guten Strukturwandel weiterhin eine faire Finanzierungsgrundlage. Dazu forderte Geschäftsführer Roland Engehausen: „Die Inflationslücke von 4 Prozent je Behandlungsfall ist jetzt zu lösen, wie es der Bundesrat gefordert hat, um den Strukturwandel aus Sicht der Patientinnen und Patienten gut gestalten zu können“ und ergänzte eine zweite konkrete Forderung aus den Umfrageergebnissen: „Wenn wir nicht umgehend unsere Mitarbeitenden von Bürokratie befreien, wird das künftige Fachkräfteproblem nicht lösbar sein.“

Leider sieht der Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes nach Einschätzung der BKG sogar deutlich höhere Bürokratieaufwände vor und die praktischen Wirkungen der komplexen Regelungen bleiben unklar. Es gelte, die Auswirkungen des Reform-Entwurfes im Sinne einer radikalen Vereinfachung grundlegend zu überprüfen.

DK

 

 

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