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(GZ-4-2024 - 15. Februar)
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► Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen:

 

Barrierefreiheit ist das Zukunftsthema

Jährliches Treffen der ehrenamtlichen Behinderten- und Inklusionsbeauftragen

 

Einmal im Jahr treffen sich die ehrenamtlichen Behinderten- und Inklusionsbeauftragen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zu einem direkten Austausch. Anders als bei den Landratsämtern ist es bei den Kommunen nicht zwingend vorgeschrieben, einen Behinderten- oder Inklusionsbeauftragen zu haben. Von den 17 Landkreiskommunen kamen lediglich sieben Vertreterinnen und Vertreter, die sich zum Arbeitskreis „Menschen mit Behinderungen“ zusammengeschlossen haben. Ralph Seifert, selbst ehrenamtlicher Behindertenbeauftragter für Benediktbeuern und für den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, berichtete der Bayerischen GemeindeZeitung über seine aktuelle Arbeit.

V.l.: Ulrich Grunwald (Münsing), Maria Wolf (Wackersberg), Carine Schmitter (Lenggries), Markus Ertl (Sprecher des Arbeitskreises für Menschen mit Behinderung), Claudia Petzl (Greilling), Uschi Disl (Dietramszell), Franz Späth (Bad Tölz), Maria Kristin Kistler (LRA), Roland Grünwald (Eurasburg) und vorne Ralph Seifert (Landkreisbeauftragter und Benediktbeuern). Bild: Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen, Christiane Bäumler
V.l.: Ulrich Grunwald (Münsing), Maria Wolf (Wackersberg), Carine Schmitter (Lenggries), Markus Ertl (Sprecher des Arbeitskreises für Menschen mit Behinderung), Claudia Petzl (Greilling), Uschi Disl (Dietramszell), Franz Späth (Bad Tölz), Maria Kristin Kistler (LRA), Roland Grünwald (Eurasburg) und vorne Ralph Seifert (Landkreisbeauftragter und Benediktbeuern). Bild: Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen, Christiane Bäumler

„Leider ist es so“, sagt Seifert, „dass man sich erst durch eine eigene Betroffenheit mit ‚Barrierefreiheit‘ auseinandersetzt. Dabei wird das Thema mit dem demographischen Wandel immer wichtiger!“ Schließlich wolle jeder und jede auch im Alter selbstbestimmt bestenfalls weiterhin zuhause gut leben können. Und der Handlungsdruck wächst. Die Babyboomer gehen in Rente, Pflegeheimplätze fehlen. Menschen altern oder werden durch einen Unfall eingeschränkt und die Wohnsituation ist nicht mehr bedarfsgerecht. „Es sollten 400.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, aber nicht mal 1/3 davon wird realisiert. Und die sind dann meist auch nicht barrierefrei“, so Seifert. Sein Wunsch wäre, dass wenigstens bei kommunalen Bauvorhaben auch ein Behindertenbeauftragter mit in die Planungen eingebunden werde, um rechtzeitig alters- und behindertengerechte Wohnungen zu schaffen.

Know-how aufbauen

Durch die UN-Behindertenrechtskonvention, die der Bund auch unterschrieben habe, sei der Handlungsbedarf auch ganz klar gegeben. Aber: „Der Bund und auch der Freistaat drücken das Thema nach unten weg und dann landet es bei den Landratsämtern, die dann Aufgaben übernehmen, die eigentlich staatlich zu regeln wären.“ Seifert ist sich sicher, dass bald von der EU verpflichtende Verordnungen kommen, und dann ist man schlecht, bzw. nicht vorbereitet: „Der Wissensstand sollte aufgebaut werden und Handwerker müssen entsprechend geschult werden.“

Barrierefreies Rathaus

Der Schwerpunkt, dem sich der Arbeitskreis für 2024 widmet, ist „Das barrierefreie Rathaus“. Neben baulichen Voraussetzungen, die stimmen müssen, damit Mobilitätseingeschränkte überhaupt aufs Amt kommen können (Aufzug, Blindenleitsystem, Barrierefreiheit, …) fehle oft das Wissen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Das ist nicht böse gemeint, aber ich muss eben darüber informiert sein, dass ich bei Hörbehinderten nicht sitzenbleibe, sondern aufstehe, um mit ihnen zu sprechen.“ Erst wenn eine Einrichtung inklusiv ist, können die Menschen auch kommen. Genauso beim ÖPNV: Erst wenn die Bushaltestellen barrierefrei sind – was sie seit 2019 bereits sein sollten, aber da fehle es noch weit – können sie auch entsprechend genutzt werden. „Und viele Menschen sind auf den ÖPNV angewiesen, z.B. um zum Arzt zu kommen. Wenn dann beim Bezirk eine teure Mobilitätshilfe beauftragt wird, holt sich der Bezirk das Geld dafür ja auch wieder vom Landkreis zurück.“

Trotz allem ist sich Seifert auch bewusst, dass die Verhältnisse in Bayern immer noch besser sind als in Restdeutschland: „Aber das ist kein Grund sich auszuruhen!“ Genau wie in der Jugendhilfe fangen hier viele Ehrenamtliche Aufgaben ab, für die sie weder ausgebildet noch entsprechend vorbereitet wurden. „Es braucht mehr als nur Eckpunkte! Wir brauchen echte Unterstützung vonseiten des Staates!“ Seifert plädiert sehr die Schaffung eines Landesbehindertenrates, bzw. eine neue Fachstelle Barrierefreiheit. Die Gespräche hierfür laufen bereits.

CH

 

 

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