Die Sanierung zweier Staatstheater, ein überteuertes „Multifunktionsgebäude“, ein Christbaum für 25.000 Euro und eine luxuriöse Toilette: Trotz Gründen wie gestiegenen Materialkosten und Lieferengpässen beklagt der Verband Steuerverschwendungen im Freistaat.
Kosten laufen schon im Planungsstadium davon
Dass häufig schon im Planungsstadium die Kosten gleichsam davonliefen, darauf machte BdSt-Präsident Rolf von Hohenhau, der den Bund in Augsburg vertrat, aufmerksam. Prominentestes Beispiel in Bayern: die zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke. Hier hätten sich die kalkulierten Kosten seit 2016 nahezu verdoppelt – auf mittlerweile mindestens sieben Milliarden Euro. Hiervon entfallen 5,5 Mrd. Euro auf Bau- und Planungskosten, 1,5 Mrd. Euro werden für einen Risikopuffer bereitgestellt. Die zweite S-Bahn-Stammstrecke wird auch nicht – wie geplant – im Jahr 2028 fertiggestellt sein. Man wird wohl das Jahr 2035 oder gar 2037 schreiben, bis die ersten Züge durch die neue Röhre rollen werden.
Controlling-Gruppe für mehr Überblick
An dem Projekt unter Federführung der Deutschen Bahn sind der Bund mit 60 Prozent und der Freistaat Bayern mit 40 Prozent beteiligt. Um zumindest künftig einen besseren Überblick über Baufortschritt und Kostenentwicklung zu haben, hat das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr eine Controlling-Gruppe eingesetzt, die mit der Baubegleitung des S-Bahn-Projekts betraut ist. Dadurch soll dem Freistaat „ein unabhängigeres Bild vom Projektstand“ verschafft werden.
Ausufernde Kosten verzeichnet auch der Neubau des Strafjustizzentrums in München. Dabei handelt es sich um das aktuell größte in Ausführung befindliche Hochbauvorhaben des Freistaates Bayern. Eine erste grobe Schätzung der Kosten lag bei 240 Mio. Euro. Momentan wird von 340,51 Mio. Euro ausgegangen.
Konjunkturbedingte Baukostensteigerungen
„Damit ist ein Ende aber noch nicht abzusehen“, so der Bund der Steuerzahler. Bei Redaktionsschluss des Schwarzbuchs seien weitere Baukostensteigerungen in Millionenhöhe ermittelt worden. Als Grund hierfür wurde vom Bayerischen Staatsminister der Justiz Georg Eisenreich die deutliche Verschärfung der konjunkturbedingten Baukostensteigerungen genannt, die wiederum auf die „angespannte Marktlage, ausgelöst durch Material- und Lieferengpässe…“ zurückzuführen sind. Störungen im Bauablauf führten dazu, dass sich auch die Übergabe des Gebäudes verzögert. Statt im Jahr 2024 werde die Übergabe wohl erst im Frühjahr 2025 stattfinden und im Anschluss daran der Umzug der Strafgerichte mit dazugehöriger Justizverwaltung.
Teure Theater
Auch zwei Projekte im Kulturbereich verschlangen nach Ansicht des BdSt übermäßig viel Geld: die Sanierung des Staatstheaters Augsburg sowie des Landestheaters in Coburg. Nach Schätzungen der Autoren sei zu befürchten, dass für das „Mammutprojekt“ in Augsburg trotz Einsparungen mindestens 400 Mio. Euro anfallen werden. Im Jahr 2016, als die Arbeiten beschlossen wurden, ging man von rund 186 Mio. aus. Derzeit beläuft sich diese Summe nach Angaben der Fuggerstadt bereits auf 340 Mio. Euro.
Auch beim Landestheater Coburg sollen die Kosten laut Steuerzahlerbund aus dem Ruder laufen. Die Generalsanierung sei zwar erst in der Projektentwicklungsphase, die Kosten aber von ursprünglich 59 Mio. auf 157 Mio. Euro gestiegen. Der Verband befürchtet auch in diesem Fall Kosten von mehr als 400 Mio. Euro für die Sanierung.
Stilles Örtchen mit Küche
Zu teuer gebaut wurde auch in der Oberpfalz, moniert der BdSt. In der Gemeinde Etzelwang kritisiert der Verband ein 590.000 Euro teures „Multifunktionsgebäude“, in dem ein öffentliches WC, eine Küche und ein Lagerraum untergebracht sind. Auch wenn es damit nach Auffassung des Rathauschefs „vorbildhaft gelungen“ ist, „den Ortskern zu beleben… und einen Ort der Begegnung und des Dorflebens von hoher Qualität“ zu schaffen erscheinen Maria Ritch die Kosten hierfür zu hoch. „Für 590.000 Euro bekommt man andernorts ein ganzes Haus, inklusive Heizung“, so die Vizepräsidentin. „Sicher sind es wieder einmal die Steuerzahler, die dafür aufkommen müssen“, sagte sie.
Kostenexplosion auch beim Neubau des Vorklinikums an der Universität Regensburg: Auf über 10.000 Quadratmetern Fläche sollen dort künftig Medizinstudenten unterrichtet werden. Dafür wird ein Vorklinikum gebaut. Von Kosten in Höhe von 114 Mio. Euro ging man vor sechs Jahren aus. Mittlerweile liegen diese bei 184 Mio. Euro. Der Neubau sollte 2024 fertiggestellt sein. Wegen jahrelanger Verzögerung des Rückbaus des alten, sehr großen Biologiegebäudes, einer umfangreichen Schadstoffentsorgung, unvorhersehbaren Erschwernissen und Massenmehrungen war der Zeitplan nicht mehr einzuhalten. Das Jahr 2025 wird nun als Fertigstellungstermin anvisiert.
Wertvoller Christbaum
Mit einem Weihnachtsbaum für 25.000 Euro landete die Gemeinde Oberstdorf im Allgäu auf der Liste der Steuerverschwender. Der BdSt kritisiert, dass der Nadelbaum mit einem Schwertransport über eine Strecke von rund 600 Kilometern herangeschafft wurde. Rätselhaft sei, warum die Allgäuer Gemeinde nicht die ökologische Variante gewählt und einen Nadelbaum aus dem Oberallgäu besorgt habe. „Statt in die Ferne zu schweifen, wäre ein rechtzeitiger Blick auf der Suche nach einem geeigneten Christbaum in den heimischen Wäldern sinnvoller und vor allem kostengünstiger gewesen“, teilt der Bund der Steuerzahler mit.
Edle Toilette
Kostspielig ist auch ein „stilles Örtchen“ im mittelfränkischen Ansbach: Nach Angaben der Stadt „wurde eine Fertig-WC-Anlage in Betonbauweise, mit Glasfassade und zwei barrierefreien, geschlechterneutralen WCs errichtet, die sich in ähnlicher Form in ganz Deutschland bereits vielfach bewährt hat“. Die Glasfassade sei „neben dem Gestaltungsmerkmal auch deswegen in erster Linie verbaut worden, da sie sicher vor Vandalismus sein soll und Verunreinigungen mit verhältnismäßig geringem Aufwand beseitigt werden können“. Die gläserne Fassade zeigt historische Ansichten vom alten Post- und Bahnhofsgebäude und verleiht dem Toilettenhäuschen ein edles Aussehen.
Die Kosten für die Toilettenanlage beliefen sich einschließlich „Umfeldkosten“ wie Fundamentierung, Hausanschlüsse und Pflasteranpassung auf rund 362.000 Euro. Eine Kostenbeteiligung wurde von der Deutschen Bahn AG in Aussicht gestellt, deren Höhe dem BdSt aus Gründen der Vertraulichkeit allerdings nicht mitgeteilt wurde. Die Betriebskosten für Reinigung, Verbrauchsmaterial, Energie, Wasser und Gebühren werden mit 12.000 Euro pro Jahr kalkuliert.
Skurile Parkscheiben
„Richtig skurril“ muten nach Ansicht des BdSt jahrelang im Umlauf befindliche falsche Parkscheiben in Germering an. 5.000 Parkscheiben im Wert von 1011,15 Euro hat die Große Kreisstadt im Landkreis Fürstenfeldbruck im Jahr 2014 gekauft. Ein schlechter Deal, wie sich nun herausstellte.
Sämtliche Parkscheiben waren – wie eine Uhr – im Uhrzeigersinn und damit falsch bedruckt. Nach den einschlägigen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung muss die Parkscheibe aber ein Zifferblatt entgegengesetzt des Uhrzeigersinns vorweisen. Ein Bürger wurde wegen der falschen Parkscheibe sogar schon zur Kasse gebeten. 20 Euro waren fällig. Am Ende mussten rund 2.000 Stück der noch vorhandenen, falsch bedruckten Parkscheiben entsorgt werden.
Nach Mitteilung der Stadt Germering kann die Druckerei, von der die Parkscheiben bezogen wurden, nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden, da sie nicht mehr existiert.
DK
TV-Beitrag von TV-Bayern.
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