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(GZ-18-2023 - 28. September)
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► Bundesweiter Aktionstag:

 

„Kliniken im Protest – Alarmstufe Rot!“

 

Mit einem bundesweiten Aktionstag unter dem Motto „Alarmstufe Rot – Kliniken in Not“ haben ein Großteil der Kliniken im Freistaat auf die schwierige wirtschaftliche Situation hingewiesen, die sie in ihrer Existenz bedrohe. „Wir sind für unsere Patientinnen und Patienten da und arbeiten trotz unseres notwendigen Protests, weil wir die uns anvertrauten Menschen nicht allein und unversorgt lassen können. Wir verweigern uns nicht. Wir zeigen uns verantwortlicher als die Politik in Berlin, die uns allein und im Regen stehen lässt“, so die Botschaft der weit über 200.000 Beschäftigten in Bayerns Krankenhäusern.

An der Hauptveranstaltung vor dem Brandenburger Tor in Berlin nahmen neben der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) auch zahlreiche Klinikleitungen aus dem Freistaat teil. Sie zeigten sich solidarisch mit Krankenhaus-Vertretern aus dem gesamten Bundesgebiet und unternahmen einen weiteren Anlauf, damit den Worten von Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach und seinen Kabinettsmitgliedern endlich die nötigen Taten folgen.

Bayerische Landräte bei ihren Abgeordneten

Am Vorabend ihres Protestes hatten sich bereits etwa 100 Krankenhausleitungen und Vertreter der Trägerorganisationen sowie mehrere Landräte aus ganz Bayern mit den Bundestagsabgeordneten aus ihren Wahlkreisen am Potsdamer Platz getroffen, um ihnen die dramatische Situation der Krankenhäuser zu erläutern und nach Wegen aus den drohenden Insolvenzen und damit einer breiten Unterversorgung der Bevölkerung auch in Bayern zu suchen.

Verlässlicher Inflationsausgleich

„Die Krankenhäuser brauchen bundesweit einen verlässlichen Inflationsausgleich, um die notwendige, angekündigte große Krankenhaus-Reform überhaupt erleben zu können“, betonte BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen im Vorfeld des Protesttages. „Wir erwarten für das gesamte Bundesgebiet bis zum Ende des Jahres ca. 10 Milliarden Euro Defizit aufgrund der anhaltend hohen Inflation und der für unsere Beschäftigten zurecht deutlich gestiegenen Gehälter. Auch unsere bayerische Defizituhr tickt unaufhaltsam weiter und wird seit dem Beginn der enormen Inflation ab April 2022 bis Ende 2023 trotz zeitlich befristeter Hilfsfondszahlungen auf 1,4 Milliarden Euro angestiegen sein. Und für 2024 laufen diese Hilfsgelder aus, aber die Inflation bleibt. Diese Lücke können die Krankenhäuser nicht schließen und die Wirtschaftsprüfungen zeigen die rote Karte. Dies darf die Bundespolitik nicht länger nur zur Kenntnis nehmen.“

Menschen lassen sich nicht für dumm verkaufen

Wie Engehausen weiter ausführte, „lassen sich die Menschen in den Kliniken von der Politik nicht für dumm verkaufen und wissen, dass die Krankenhausreform überhaupt nichts an der Unterfinanzierung je Behandlung und je Krankenhaus ändern kann, solange bei den Gesamteinnahmen der Krankenhäuser die Inflation nicht verlässlich berücksichtigt wird“. Bundesweit befinden sich bereits etwa 30 Krankenhäuser in sogenannten Schutzschirmverfahren. Weitere Krankenhäuser haben angekündigt, schließen zu müssen; leider zwischenzeitlich auch in Bayern.

Nach den Worten von Gesundheitsminister Klaus Holetschek „laufen wir Gefahr, dass viele Kliniken in die Insolvenz schlittern, weil sie die laufenden Betriebskosten nicht mehr decken können. Eine solch unkoordinierte ‚kalte‘ Strukturbereinigung kann niemand wollen. Deshalb muss die Bundesregierung bei der Finanzierung der Betriebskosten nachlegen und über ein Soforthilfe-Programm kurzfristig eine Vergütung sicherstellen, die die sonst nicht refinanzierten Kostensteigerungen berücksichtigt. Auch wir Länder leisten unseren Beitrag. Bayern nimmt schon seit Jahren seine Verpflichtungen sehr ernst und unterstützt Krankenhausinvestitionen mit 643 Millionen Euro pro Jahr. Das wollen wir künftig auf eine Krankenhausmilliarde aufstocken.“

Drohende Standortverluste

Holetschek zufolge „laufen wir Gefahr, Krankenhausstandorte zu verlieren, bevor die geplante Krankenhausreform überhaupt Wirkung entfalten kann. Die im Eckpunktepapier lediglich zugesagte Prüfung weiterer Maßnahmen in Bezug auf die Tarif- und Inflationsentwicklung ist viel zu wenig. Nicht zuletzt deshalb konnte ich dem Papier im Juli nicht zustimmen. Auch bei den Transformationskosten – Mitglieder der Regierungskommission sprechen von 50 bis 100 Milliarden Euro – besteht noch keine Klarheit. Noch ist es nicht zu spät, die Reform auf ein solides Fundament zu stellen – der Referentenentwurf sollte auch der aktuellen Finanzlage der Krankenhäuser dringend Rechnung tragen.“

Im Schulterschluss mit den kommunalen Spitzenverbänden, der BKG und Praktikern forderte Holetschek die Bundesregierung zu einer Krisensitzung für insolvenzgefährdete Krankenhäuser auf.

„Ich rufe Bundeskanzler Olaf Scholz auf, die Krankenhausfinanzen zur Chefsache zu machen und als Teil seines Deutschland-Paktes voranzutreiben. Bringen Sie Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Finanzminister Christian Lindner an einen Tisch und erarbeiten Sie eine tragfähige Lösung für die dramatische finanzielle Schieflage der Krankenhäuser. Bitte vermitteln Sie, Herr Scholz, zwischen den beiden Ressorts, die sich offenbar nicht auf eine vernünftige Linie einigen können.“

Politik zu Lasten der Menschen

Wie der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Thomas Karmasin, erläuterte, „kann es sich die Bundesregierung mit Blick auf ihre geplante Reform gerade jetzt nicht leisten, nichts gegen drohende Krankenhausschließungen aufgrund finanzieller Engpässe zu unternehmen. Sie muss frisches Geld ins System geben, andernfalls braucht sie mit ihrer Reform gar nicht mehr anfangen, weil es viele Krankenhäuser nicht mehr geben wird. Die aktuelle Politik des Bundes geht zu Lasten der Menschen im ländlichen Raum. Die Menschen in ganz Bayern benötigen eine wohnortnahe medizinische Grund- und Regelversorgung. Besonderes Augenmerk liegt in der Fläche dabei gerade auf den Krankenhäusern. Sie gleichen Defizite in der ambulanten Versorgung aus. Sie stellen die Notärzte für das Rettungswesen. Sie bilden das Pflegepersonal aus und sie sorgen für die Weiterbildung der Ärzte.“

Betriebsdefizite von Kommunen ausgeglichen

„Die finanziellen Nöte der Kliniken sind nicht hausgemacht“, so Karmasin weiter. Der Bund habe die Betriebskosten der Krankenhäuser bis heute nicht auskömmlich finanziert. So seien unter anderem Tarifsteigerungen im Personalbereich von den Kassen nicht refinanziert worden. Inflation und Energiekrise hätten diese Lage drastisch verschärft. „Bisher konnten wir die Grund- und Regelversorgung unserer Bevölkerung nur deshalb aufrechterhalten, weil wir die Betriebsdefizite der Krankenhäuser soweit möglich mit kommunalen Geldern ausgeglichen haben. Dieses Geld fehlt dann allerdings für andere originär kommunale Aufgaben. Eine medizinische Grundversorgung unserer Bevölkerung sollte selbstverständlich sein. Sie ist nichts, was wir uns großzügig und freiwillig leisten, sondern sie ist lebensnotwendig.“

Kommunale Krankenhäuser sind das Rückgrat der Gesundheitsversorgung

Laut dem Vorsitzenden des Bayerischen Städtetags, Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr, sind kommunale Krankenhäuser das Rückgrat der Gesundheitsversorgung. Daher sei es höchste Zeit, dass der Bund endlich für eine auskömmliche Finanzierung sorgt.

„Kommunen werden dadurch zu Ausfallbürgen, weil die Bundespolitik ihre Hausaufgaben nicht erfüllt und sich die Lage täglich zuspitzt. Die Förderung aus dem Bayerischen Härtefallfonds ist ein wichtiger erster Schritt, reicht aber aufgrund der enormen Defizite nicht aus. Es ist eine dramatische Fehlentwicklung, wenn regionale Gesundheitsversorgung aus städtischen Haushalten finanziert werden muss. Hier ist der Bund gefordert, um schnell eine auskömmliche Finanzierung sicherzustellen. Viele Kliniken können ihre Rechnungen nicht mehr mit den laufenden Einnahmen begleichen und sind von einer Insolvenz bedroht. Der Bund nimmt in Kauf, dass immer mehr Versorgungsangebote verschwinden.“

Gute Gesundheitsversorgung nicht zum Null-Tarif

„Wir haben in den vergangenen Jahren gelernt, wie wichtig eine gute Gesundheitsversorgung ist und dass es diese nicht zum Null-Tarif gibt“, unterstrich der Präsident des Bayerischen Bezirketags, Franz Löffler. „Unsere psychiatrischen Kliniken haben viel dafür getan, die Versorgung in der Fläche voranzubringen. Um diese Bemühungen nicht zu konterkarieren, dürfen den Kliniken keine weiteren Steine mehr in den Weg gelegt werden. Härtefallfonds und andere Hilfsprogramme waren bisher nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Sie konnten die tatsächlichen, ungewöhnlich hohen Kostensteigerungen durch Inflation und Tarifsteigerungen allerdings nicht annähernd ausgleichen. Wir dürfen nicht sehenden Auges in Kauf nehmen, dass Kliniken vom Netz gehen, nur weil die Bundesregierung keine Lösung für die Finanzierungslücken findet. Wir brauchen dringend ein geplantes und gemeinsames Vorgehen, keinen kalten Strukturwandel. Ansonsten werden viele Kliniken den Start der geplanten Krankenhausreform nicht mehr erleben.“

 DK

 

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