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(GZ-12-2023)
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► OB-Barometer 2023:

 

Flüchtlingshilfe auf Rang eins

 

Die seit 2022 wieder stark gewachsene Flüchtlingszuwanderung wird von den Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern als aktuell drängendste zu bewältigende Aufgabe angesehen. Für die Zukunft nennen die Stadtspitzen die Klimathematik unangefochten als wichtigstes Handlungsfeld. Keine Rolle mehr spielt indes die Corona-Pandemie. Dies ergab die diesjährige Befragung der Stadtspitzen für das OB-Barometer des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), die im Januar und Februar 2023 stattfand.

„Insgesamt stehen die Kommunen zunehmend vor der Herausforderung, verschiedene Krisen gleichzeitig bewältigen zu müssen“, heißt es in der Studie. Für Städte und Gemeinden sei Krisenbewältigung zu einer Art Dauerzustand geworden.

Nötig sind bessere Rahmenbedingungen

Für 56 Prozent der Stadtspitzen ist das Thema Flüchtlinge ein wichtiges Handlungsfeld, in den beiden Vorjahren spielte es faktisch keine Rolle. Dass zwei Drittel der Städte sich von Ländern, Bund und EU bessere Rahmenbedingungen wünschen, um die Unterbringung und Integration der Geflüchteten zu bewältigen, wird als logische Konsequenz angesichts der aktuellen Situation in den Kommunen gesehen. „Dazu gehört auch, dass fast 80 Prozent der Stadtspitzen steigende Kosten im Sozialbereich als sehr große oder große Herausforderung in ihrer aktuellen Politik nennen.“

Wichtigste Handlungsfelder

Jenseits dieser stark durch die aktuelle Situation in den Kommunen geprägten Bewertung gibt es bei den Oberbürgermeistern eine deutliche Kontinuität bei den „großen Linien“ ihrer Politik. Die Hälfte der befragten Stadtspitzen benennt energie- und klimapolitische Themen als eines der aktuell wichtigsten Handlungsfelder. Künftig werden diese aus ihrer Sicht sogar noch weiter an Bedeutung gewinnen.

59 Prozent der Oberbürgermeister messen den Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels die mit Abstand höchste Bedeutung bei. Dies korrespondiert mit den Antworten auf die Frage nach den größten Herausforderungen für die Städte infolge der aktuellen krisenhaften Entwicklungen. Der Investitionsbedarf zur Bewältigung des Klimawandels wird – noch vor der Unterbringung von Geflüchteten – als größte aktuelle Herausforderung für Kommunen in den multiplen aktuellen Krisen genannt.

Mobilität im Fokus

Zählt man die Maßnahmen zur Mobilitätswende hinzu, die ebenfalls überwiegend klimapolitisch konnotiert sind, so verstärkt sich die hohe Relevanz des Themas noch einmal. Für mehr als ein Drittel der Stadtspitzen gehören Maßnahmen im Mobilitätsbereich bereits jetzt zu den wichtigsten Handlungsfeldern, in Zukunft wird das Thema noch wichtiger. Der Investitionsbedarf für Maßnahmen der Mobilitätswende wird von 85 Prozent der Rathauschefs als sehr groß oder groß eingeschätzt.

Unverändert weit oben auf der Agenda der aktuell und auch künftig wichtigsten Handlungsfelder bleibt die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Dies korrespondiert mit dem seit Jahren von den Kommunen formulierten Wunsch, dass für diese große Aufgabe bessere Rahmenbedingungen vor allem durch den Bund geschaffen werden, um den Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt besser begegnen zu können.

Wieder mehr Sorge bereitet den Kommunen ihre Finanzsituation, nachdem sich das Problem in den vergangenen Jahren etwas entspannt zu haben schien. Die Situation der Kommunalfinanzen ist im Jahr 2023 das viertwichtigste Thema bei den aktuellen Herausforderungen (37 Prozent). „Hier spielen sicher auch die zusätzlichen Kosten durch die Unterbringung der Geflüchteten eine Rolle. Auch für die Zukunft wird das Finanzthema dieses Mal stärker problematisiert als in den Vorjahren. Es wird von mehr als einem Drittel der Stadtspitzen als eines der künftig wichtigsten Handlungsfelder genannt“, heißt es.

Weniger Interesse an Stadtentwicklung

Dagegen verliert das Thema Stadtentwicklung bei den aktuell und den zukünftig wichtigsten Handlungsfeldern mit nur noch 15 bzw. 12 Prozent der Oberbürgermeister, die das Thema nennen, gegenüber den beiden Vorjahren deutlich an Bedeutung. „Das hat vermutlich damit zu tun, dass die Verunsicherung darüber, was die Corona-Pandemie für die Entwicklung der Innenstädte bedeutet, gewichen ist. Sicher haben auch die verschiedenen Förderprogramme von Bund und Ländern zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie in den Innenstädten Impulse und finanzielle Unterstützung gegeben. Allerdings ist die Transformation der Innenstädte eine Daueraufgabe, die nicht unterschätzt werden sollte, wie aktuell die erneute Welle der Schließung von Warenhäusern und die gegenwärtig allerorten geführten Diskussionen um die Gestaltung von attraktiven und zukunftsfähigen Innenstädten zeigen.“

Überraschend ist laut Difu, dass das Zukunftsthema Digitalisierung stark an Bedeutung verloren hat. Während im Jahr 2019 die Digitalisierung für mehr als die Hälfte der Stadtspitzen das mit Abstand wichtigste Handlungsfeld der nächsten Jahre war, in den Folgejahren auch immer noch für deutlich mehr als ein Drittel, sind es in der aktuellen Befragung nur noch 16 Prozent.

Fortschritte bei der Digitalisierung

„Eine Erklärung könnte sein, dass die Kommunen inzwischen große Fortschritte bei der Digitalisierung erzielt haben, so dass die Herausforderungen in der Zukunft nicht mehr als so groß angesehen werden. Auch von Bund oder Ländern wird – im Gegensatz zu den vergangenen Jahren – keine besondere Unterstützung im Handlungsfeld Digitalisierung mehr eingefordert. Dazu kann die Corona-Pandemie beigetragen haben, die die Städte – wie viele andere Teile der Gesellschaft – dazu gezwungen hat, digitale Lösungen zu erarbeiten, beschleunigt bereitzustellen und umzusetzen. Allerdings thematisieren die Kommunen weiterhin einen hohen Investitionsbedarf für die Digitalisierung als sehr große oder große Herausforderung.“

Das Thema „Fachkräfte gewinnen und halten“ erreicht bei den kommunalpolitischen Themen mit zunehmender Bedeutung mit 20 Prozent zwar den höchsten Wert seit Bestehen des OB-Barometers, gehört aber nicht zu den aktuell wichtigsten Handlungsfeldern in der Wahrnehmung der Stadtspitzen. Dies steht in deutlichem Widerspruch zur aktuellen Diskussion zum Arbeitsmarkt, die vom Fachkräftemangel und seinen Konsequenzen dominiert wird.

„Angesichts der Beschäftigtenentwicklung in Deutschland und der bereits bestehenden Probleme in bestimmten Bereichen der Verwaltung, geeignete Beschäftigte zu finden, wird dieses Thema in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen“, prognostiziert Difu. In Konkurrenz zu anderen potenziellen Arbeitgebern müssten Kommunen ihre Anstrengungen intensivieren, um interessante und attraktive Arbeitgeber zu sein.

Bildung und soziale Gerechtigkeit

Nimmt man die Wichtigkeit, die dem Thema in vielen Diskussionen eingeräumt wird, als Maßstab, scheint das Thema Bildung auf den ersten Blick eine erstaunlich geringe Bedeutung zu haben. Bringt man jedoch die Nennungen der Stadtspitzen zu Themen wie frühkindliche Bildung, Schulentwicklung, Inklusion zusammen, gewinnt das Thema zumindest bei den Zukunftsfragen an Bedeutung.

Soziale Gerechtigkeit und sozialer Frieden werden von den Stadtspitzen immer wieder genannt, allerdings schafften es diese Themen bisher nicht auf die vorderen Plätze der dringenden Aufgaben. In diesem Jahr bewerteten jedoch vor allem die Oberbürgermeister ostdeutscher Städte die sozialen Themen als künftig wichtiger werdendes Handlungsfeld, das eine deutlich höhere Aufmerksamkeit benötige.

DK

 

 

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