Kommunale Praxiszurück

(GZ-22-2022)
gz kommunale praxis
GZ-Plus-Mitgliedschaft

► Kongress „ZukunftLAND“ der Grüne Fraktion Bayern:

 

„Heimat ist, was wir draus machen!“

Auf dem Land liegt der Pionierraum für neuen Wohlstand. Seine Vielfalt macht den ländlichen Raum zum perfekten Ökosystem für Innovation. „Aufgabe muss sein, die ‚drei G‘ sicherzustellen: Gestaltungsmacht, Gehör, Geld. So machen wir das Land zum Land der Möglichkeiten“, lautete der Tenor einer Konferenz der Grüne Fraktion Bayern im oberfränkischen Energiepark Hirschaid unter dem Motto „ZukunftLAND – Heimat ist, was wir draus machen!”

 V.l.: Frank Seuling, Manuela Rottmann und Ludwig Hartmann. Bild: Andreas Gebert
V.l.: Frank Seuling, Manuela Rottmann und Ludwig Hartmann. Bild: Andreas Gebert

Vor rund 170 Teilnehmern erklärte Dr. Manuela Rottmann, MdB, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: „Das nächste Jahrzehnt wird ein Jahrzehnt der ländlichen Räume. Innovation und Wertschöpfung werden im Wesentlichen auf dem Land stattfinden: Egal ob es um die Ernährungswende, die Energiewende oder die Wiederherstellung von Ökosystemen geht.”

Ein lebenswertes Morgen gestalten

Wie heute gemeinsam ein lebenswertes Morgen gestaltet werden kann, wurde in einer Reihe von Workshops erarbeitet. Mit Blick auf „Gemeinschaft leben auf dem Land“ (Impulsgeber: Melina Hölzl, Urbanistik (M.Sc.), Teilnehmerin am Projekt „Young Planners“ des Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie) definierte Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag und Sprecher für ländliche Räume, den Flächenfraß als eines der bewegenden Themen für die Menschen in Bayern. Verständnis für den nächsten Supermarkt auf der grünen Wiese begegne ihm nirgends mehr, betonte Hartmann. Die Staatsregierung aber scheue sich noch immer, die Fünf-Hektar-Grenze vom Richt- zum Pflichtwert umzumünzen. Dabei seien die Menschen im Land schon viel weiter. Sie sehnten sich nach intelligenten Lösungen für Leerstände in der Ortsmitte. Niemand wolle Donut-Dörfer mit ausgestorbenen Ortskernen und ausfransenden Randgebieten.

Die Menschen wissen selbst am besten, was sie brauchen

„Die Menschen auf dem Land wissen selbst am besten, was sie brauchen. Deshalb müssen Entscheiderinnen und Entscheider in den ländlichen Regionen freier sein in ihren Investitionen“, fuhr Hartmann fort. Mehr frei verfügbares Geld etwa über Regionalbudgets werde eine enorme Gestaltungskraft in Städten und Gemeinden entfalten. Denn ob die Mittel ins Schwimmbad, den Dorfladen oder den Co-Working-Space fließen, entschieden die Menschen vor Ort nach ihren Bedürfnissen eigenverantwortlich.

Bis ins hohe Alter in gewohnter Umgebung leben

Beim Workshop „Gesund bleiben auf dem Land“ (Impulsgeber: Christine Becker, Salutoconsult, freiberufliche Beraterin für die wohnortnahe Gesundheitsversorgung), stellte Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag und innenpolitische Sprecherin, fest:

„Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass alle Menschen wohnortnah Zugang zu medizinischer Versorgung und Pflegedienstleistungen haben. Denn wenn es eine medizinische Betreuung in der Nähe gibt, dann ist auch ein Wohnen bis ins hohe Alter in gewohnter Umgebung möglich. Dazu wollen wir den Ausbau von Gesundheitszentren als Ankerpunkte der gesundheitlichen Versorgung auf dem Land mit eigenen Vergütungsstrukturen unterstützen und die Krankenhausplanung- und vergütung reformieren.”

Für jedes Kind ein Recht auf gute Bildung

Beim Thema „Gute Bildung auf dem Land“ (Impulsgeber: Florian Questel, Bürgermeister von Ahorntal) wies Schulze darauf hin, dass jedes Kind das Recht auf gute Bildung habe, unabhängig davon, wo es in Bayern aufwächst. Dafür müssten Kitas, Schulen und berufliche Bildungszentren im ganzen Land personell und technisch besser ausgestattet werden. Kommunen und Landkreise seien bei der Aufrechterhaltung ihrer Bildungsstandorte gezielt zu unterstützen. Zudem brauche es flächendeckendes Internet in allen Klassenzimmern, eine faire Vergütung von Lehrkräften und einen erleichterten Quereinstieg für Fachkräfte.

Im Rahmen des Workshops „Zuhause sein auf dem Land“ (Impulsgeber: Alexandra Fröhlich, ehrenamtliche Landesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) Bayern; Stefan Kohlmeier, Architekt, Projekt Mehrgenerationenwohnen Pallaufhof in Münsing) wurde für die Stärkung innovativer Wohnformen durch verbesserte Förderkonditionen plädiert.

Sinnvoll sei auch ein Landesprogramm zur Quartiersentwicklung. Die Schaffung von mehr Mietwohnungsbau – genossenschaftlich, öffentlich und privat, eine Mietpreisbindung im Bestand sowie eine ressourcenschonende und kreislaufgerechte Bauwende stünden ebenfalls auf der Agenda. Überdies müsse Wohnraum für alle Menschen bezahlbar sein und ausreichend zur Verfügung stehen. Dieses Grundrecht werde oft missbräuchlich angeführt, um klimapolitisch notwendige Vorgaben im Gebäudebestand zu verdrängen, hieß es. Mit einem Sozialwärmefonds, in den jährlich 300 Mio. Euro aus dem Staatshaushalt fließen, wollen die Landtags-Grünen sicherstellen, dass kein Mensch in Bayern durch den klimaneutralen Umbau der Gebäude in existenzielle Nöte gerät.

Beim Thema „Mobil sein auf dem Land“ (Impulsgeber: Michael Stumpf, Landratsamt Hof, Projekt HoferLandbus) setzt die Grüne Fraktion neben der Verdoppelung des ÖPNV-Anteils am Verkehrsaufkommen auf 20 Prozent bis 2030 auf sichere Rad- und Fußwege sowie attraktive Bus- und Bahnverbindungen überall in Bayern. So sollen in Orten ab 200 Einwohnern werktags von fünf Uhr morgens bis Mitternacht im Stundentakt öffentliche Verkehrsmittel fahren. Für die Gründung flächendeckender Verkehrsverbünde will man die Kommunen unterstützen.

Verkehrsberuhigung innerorts, der Ausbau des E-Ladenetzes (in einem Radius von zehn Kilometer soll von überall in Bayern eine Ladesäule erreichbar sein, in einem Radius von 20 Kilometer eine Schnelladesäule) sowie die Vernetzung von Radverkehr, Car-Sharing und Rufangeboten sind weitere Schwerpunkte.

Energiewende gestalten, Wertschöpfung steigern

Auf der Agenda stand auch das Thema „Energiewende gestalten, Wertschöpfung steigern“ (Impulsgeber: Ludwig Friedl, Vorsitzender Bayerische Energieagenturen e.V.). Neben dem Ausbau von Windkraft und Solarenergie fordert die Grüne Landtagsfraktion ein Klimagesetz für Bayern sowie die Schaffung eines dichten Netzes regionaler Energieagenturen in allen Landkreisen und kreisfreien Städten. Bei den Bayerischen Staatsforsten will sie eine Wind-im-Wald-Einheit einrichten, die sich ausschließlich um die Ermittlung von geeigneten Standorten und deren Vermarktung kümmert. Die Einkünfte aus diesem Geschäft sollen zu hundert Prozent in den Waldnaturschutz fließen.

Angelehnt an einem Verteilsystem ähnlich dem kommunalen Finanzausgleich sollen zudem diejenigen Kommunen belohnt werden, die Flächen für die Windenergie (oder Solarparks) zur Verfügung stellen. „Wir wollen einen Landeswärmeplan und kommunale Wärmeplanung für alle Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohner“, hieß es. Außerdem sei ein Fonds zur Absicherung von Geothermie-Bohrungen von Kommunen sinnvoll. Geschaffen werden soll darüber hinaus ein ordnungspolitischer Rahmen für einen Einspeisevorrang für überschüssige Wärme in Wärmenetze. Auch steht die Entwicklung eines Geschäftsmodells für den Vertrieb von Abwärme im Fokus.

Bioregionale Wertschöpfung

Was die „Bioregionale Wertschöpfung“ (Impulsgeber: Petra Wähning, Initiatorin der Genussgemeinschaft Städter und Bauern) anbelangt, plädierten die Kongressteilnehmer für eine Öffnung der Landwirtschafts- und Ernährungspolitik für Start-ups sowie Kooperationen und Existenzgründungen im Gartenbau, der Landwirtschaft und der Lebensmittelverarbeitung. Langfristige Verträge und kurze Lieferketten zwischen Produzenten und Abnehmern sorgten dafür, dass die Wertschöpfung vor Ort bleibt und unabhängiger von internationalen Märkten ist. Unabdingbar notwendig sei zudem eine an den Bedürfnissen der Tiere ausgerichtete Haltung: „Die Forderungen der Gesellschaft nach mehr Tierwohl und Tiergesundheit sind ein wichtiger Aspekt der Nutztierhaltung in Bayern. Wir wollen Weidehaltung als ressourcenschonende Nutztierhaltung konsequent ausbauen“, lautete eine weitere Forderung.

DK

 

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

 

GemeindeZeitung

Kommunale Praxis

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung